Schwache Konjunktur bremst deutsche Wirtschaft

Foto: © Miha Creative_AdobeStock
Foto: © Miha Creative_AdobeStock

Die deutsche Wirtschaft kommt im Jahr 2025 kaum voran. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten laut ihrer Gemeinschaftsdiagnose für das laufende Jahr lediglich ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,1%. Für das kommende Jahr wird ein Zuwachs um 1,3% prognostiziert, wobei 0,3 Prozentpunkte auf eine höhere Zahl an Arbeitstagen zurückzuführen sind. Damit bleibt das Produktionsniveau 0,8% unter den Erwartungen aus dem Herbst 2024. Die Prognose wurde um 0,7 Prozentpunkte nach unten korrigiert.

Belastungsfaktoren: US-Zölle und politische Unsicherheit

Ein wesentlicher Belastungsfaktor für die deutsche Konjunktur ist die neue US-Zollpolitik. Laut Einschätzung der Institute könnten die Zölle auf Aluminium-, Stahl- und Kfz-Importe das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem und im nächsten Jahr jeweils um 0,1 Prozentpunkte verringern. Die konkreten Auswirkungen bleiben schwer abschätzbar, da es in der jüngeren Geschichte keine vergleichbaren Fälle eines so drastischen Anstiegs von Handelsbarrieren gab. Zusätzlich belastet die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Deutschland selbst die Konjunktur. Diese Unsicherheit hat sich durch den Regierungswechsel Anfang 2025 weiter verschärft. Die Institute weisen darauf hin, dass unklar bleibt, wie die neue Bundesregierung mit den Herausforderungen umgeht. Inmitten dieser Unsicherheit wurde jedoch durch Bundestag und Bundesrat eine Änderung der Finanzverfassung beschlossen, die höhere staatliche Verschuldung ermöglicht – insbesondere für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz.

Strukturelle Schwächen verstärken Krise

Die ökonomische Lage ist jedoch nicht allein auf konjunkturelle Einflüsse zurückzuführen. Laut dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung leidet die deutsche Wirtschaft vor allem unter strukturellen Schwächen. Torsten Schmidt, Konjunkturchef des Instituts, erklärt: „Die geopolitischen Spannungen und die protektionistische Handelspolitik der USA verschärfen die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland.“ Zudem würden deutsche Unternehmen einem verstärkten Wettbewerb aus China ausgesetzt. Strukturprobleme wie der Fachkräftemangel, eine hohe Bürokratiebelastung und eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung wirken sich zusätzlich dämpfend auf die Wachstumskräfte aus. Insbesondere die energieintensive Industrie hat seit der Energiekrise dauerhaft Produktionskapazitäten verloren. Reformbedarf besteht laut den Instituten insbesondere im Sozialsystem, das an den demografischen Wandel angepasst werden müsse, um steigende Lohnnebenkosten zu vermeiden. Eine bloße Ausweitung staatlicher Ausgaben könne diese strukturellen Schwächen nicht ausgleichen.

Arbeitsmarkt unter Druck

Die angespannte wirtschaftliche Lage schlägt zunehmend auf den Arbeitsmarkt durch. Seit Mitte 2022 ist die Zahl der Arbeitslosen um 20% gestiegen, was über 400.000 zusätzlichen Erwerbslosen entspricht. Die Arbeitslosenquote liegt damit aktuell bei 6,3% nach zuvor 5,0%. Besonders betroffen sind das Verarbeitende Gewerbe, das Baugewerbe sowie Unternehmensdienstleister. Demgegenüber steigt die Beschäftigung im öffentlichen Dienst, im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen weiterhin leicht an. Die Institute rechnen damit, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten weiter zunimmt und sich erst mit einer konjunkturellen Erholung im Laufe des Jahres 2026 wieder verringert.

Die geänderte Finanzverfassung erlaubt dem Staat höhere Ausgaben, insbesondere für Verteidigung und Infrastruktur. Für 2026 erwarten die Institute ein Ausgabenplus von rund 24 Mrd. EUR, was einem konjunkturellen Impuls von etwa 0,5 Prozentpunkten entspricht. Kurzfristig werden diese Mittel jedoch kaum abgerufen, sodass ein signifikanter Effekt auf das laufende Jahr ausbleibt. Zudem profitieren von den Mehrausgaben vor allem kleinere, bereits ausgelastete Wirtschaftsbereiche. Dies könnte dort zu weiterem Preisdruck führen.

Internationale Rahmenbedingungen angespannt

Im globalen Kontext wird die Erholung durch zunehmende geopolitische Spannungen und protektionistische Tendenzen ausgebremst. Die Institute erwarten für die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren ein Wachstum von lediglich 2,4%. Der Welthandel wird laut Prognose mit 2,1% im laufenden und 1,6% im kommenden Jahr ebenfalls nur schwach zulegen. Die Unsicherheit über die zukünftige US-Handelspolitik bleibt ein zentrales Risiko für Deutschland und den Welthandel insgesamt. Eine Deeskalation durch Verhandlungen zwischen der EU und den USA könnte jedoch entlastend wirken.

Zinspolitik am Wendepunkt?

Die expansive Geldpolitik in den großen Volkswirtschaften hat zu Zinssenkungen geführt. In der Eurozone liegt der Leitzins derzeit bei 2,5% und könnte damit nahe am neutralen Niveau angekommen sein. Die Institute erwarten höchstens noch eine weitere Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank. Im Gegensatz dazu bleibt der Leitzins in den USA mit 4,5% deutlich höher. Die durch die Zollpolitik steigenden Preise lassen dort nur noch begrenzten Spielraum für geldpolitische Lockerungen

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger ArtikelEarn-outs in der Praxis – Fluch oder Segen für Verkäufer?
Nächster ArtikelChancen im internationalen Steuerrecht