Nicht jede Mode mitmachen

Vielen mittelständischen Modeherstellern und Textilhändlern geht es schlecht. Die Gründe dafür unterscheiden sich, doch einen gemeinsamen Konkurrenten haben alle: internationale Ketten, die den Markt mit Billigware überschwemmen. Ein Krisenbericht aus der deutschen Modebranche.

Um beim Kampf um preisbewusste Kunden mitzuhalten und Kosten zu sparen, haben die Händler immer mehr Personal abgebaut. Doch damit tappten sie in eine Falle, findet Christian Gerloff. Der Münchner Insolvenzrechtler stand dem Vorstand von Wöhrl während des Schutzschirmverfahrens als Restrukturierungsvorstand zur Seite. Er sagt: „Spart ein Multibrand-Anbieter an der Beratung, kann er seine markenübergreifenden Stärken nicht mehr ausspielen.“

Stammhaus von Wöhrl in Nürnberg: Das Traditionskaufhaus ging uner den Schutzschirm. (© Wöhrl Holding GmbH)
Stammhaus von Wöhrl in Nürnberg: Das Traditionskaufhaus ging uner den Schutzschirm. (© Wöhrl Holding GmbH)

Personalabbau verstärkt nur die Krise

Ist niemand vor Ort, der die Kunden dabei berät, ob die Jeans oder das Hemd richtig sitzen, fragen sich die Konsumenten erst recht, weshalb sie noch ins Geschäft gehen und nicht gleich online bestellen sollen. Zumal dort neue Konkurrenten mit sogenanntem Curated Shopping individuelle Beratung anbieten. Es sei ein Teufelskreis, sagt Insolvenzberater Gerloff. Wöhrl will jetzt versuchen, ihn zu durchbrechen. Seit Anfang Mai ist Gerloffs Mission bei Wöhrl beendet. Neuinvestor Christian Greiner hat angekündigt, Wöhrl zurück zu den Wurzeln bringen zu wollen – bodenständig wolle man sein und „keine gekünstelte Schickimicki-Welt“ zeigen. Greiner will lieber in den Service investieren, statt das Online-Geschäft auszubauen. Insolvenzrechtler Gerloff hält das für eine gute Idee. Es sei sinnvoller, „das ureigene Thema zu verstärken, als halbherzige Online-Versuche zu starten“.

Neben dem Vertrieb bieten sich aber viele andere Möglichkeiten, das Geschäft zu modernisieren: „Manche Anbieter verweigern sich immer noch dem Digitalen“, sagt Unternehmensberater Prechtl. Dabei funktioniere etwa eine automatisierte, digitale Bedarfsplanung deutlich einfacher als Excel-Tabellen aus dem vergangenen Jahrtausend. Insolvenzexperte Gerloff findet, dass die Unternehmen auch die Daten ihrer Kunden besser verwerten können. Wird zum Beispiel mithilfe einer Kundenkarte erfasst, was der Verbraucher gekauft hat, kann ein Händler ihm persönlich zugeschnittene Angebote machen. „Die Digitalisierung bietet Chancen, das Marketing mehr am Kunden auszurichten“, sagt er – und rät kriselnden Multibrands, „den Einkauf zum Erlebnis zu machen“. Dazu könnten nicht nur ein guter Markenmix und kompetente Berater, sondern auch eine kaufhauseigene Bar oder Gastronomie beitragen.

Nächste Seite: Mit Optimismus durch die Krise

1
2
3
4
Vorheriger ArtikelNur wer liquide ist, bleibt am Ball
Nächster ArtikelBalanceakt Restrukturierung