Augsburg auf neuen Wegen bei der Unternehmensnachfolge

Start-up-Gründer als potenzielle Nachfolger im Fokus

(v.l.n.r.) Andreas Huber (Wirtschaftsförderung Stadt Augsburg, Innovation & Grundsatzfragen) Franziska Öfele (Wirtschaftsförderung Stadt Augsburg, Gründungsgeschehen) Nikolas Langes (Übernehmer der Gremco GmbH) Christian Hausladen (HwK Schwaben, Unternehmensberater Betriebswirtschaft) Heide Becker (IHK Schwaben, Leiterin Beratungszentrum Recht und Betriebswirtschaft) Jürgen Wager (IHK Schwaben, Beratungszentrum Recht und Betriebswirtschaft)

In Augsburg haben die Wirtschaftsförderung der Stadt, die Handwerkskammer für Schwaben (HwK) und die Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK) erstmalig in einem neuen Konzept eine gemeinsame Veranstaltung zum Thema Unternehmensnachfolge organisiert. Anlass für diesen neuen Weg war die auch in der Region um Augsburg zunehmend angespannte Situation bei der Übergabe von Betrieben in der Region. Der Veranstaltungsort Feinkost Kahn war ausgebucht, was das hohe Interesse bei Unternehmern, Gründern und wirtschaftsnahen Akteuren dokumentierte.

Laut einer Studie des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie suchen bis zum Jahr 2026 in Schwaben rund 5.000 Unternehmen einen Nachfolger. Bayernweit sind es rund 40.000 Betriebe mit insgesamt etwa 600.000 Beschäftigten. Diese Zahlen unterstreichen die wirtschaftliche Relevanz des Themas und die Notwendigkeit, über neue Wege bei der Nachfolgesuche nachzudenken. Die Initiatoren der Veranstaltung haben mit dem Format die Idee aufgegriffen, dass Nachfolger nicht zwangsläufig aus dem Kreis etablierter Unternehmer oder Investoren stammen müssen. Auch Start-up-Gründerinnen und -Gründer können potenzielle Übernehmer sein. Die Veranstaltung war Teil der Initiative „Augsburg gründet!“, mit der Wirtschaftsförderung Stadt Augsburg als koordinierende Stelle. Ziel war es dabei, neue Zielgruppen für das Thema Nachfolge zu sensibilisieren und bestehende Unterstützungsangebote sichtbar zu machen. Die Kombination aus regionaler Netzwerkarbeit, strukturierten Datenquellen und konkreten Praxisbeispielen soll dazu beitragen, den Generationswechsel in der Wirtschaft systematisch zu begleiten.

Gründer können auch bestehende Betriebe übernehmen

Im Rahmen der Veranstaltung wurde durch die Organisatoren darauf hingewiesen, dass Nachfolger aus dem Start-up-Umfeld nicht nur in technologieorientierten Branchen tätig sein müssen. Auch traditionelle Betriebe, insbesondere im Handwerk, suchen zunehmend nach geeigneten Übernehmern. Für diese Zielgruppen stehen in Bayern spezielle Betriebsbörsen und Beratungsangebote zur Verfügung. Die IHK Schwaben bietet zudem Nachfolge-Sprechtage, Checklisten und Netzwerkveranstaltungen an, um Interessierte zu unterstützen.

Zur Finanzierung stünden neben klassischen Bankdarlehen auch Förderinstrumente wie KfW-Kredite oder Beteiligungskapital zur Verfügung. Die Beratung in diesem Bereich ist ein weiterer Schwerpunkt der IHK- und Handwerkskammer-Aktivitäten. In Gesprächen mit Banken sei es laut Beteiligten besonders wichtig, frühzeitig tragfähige Businesspläne vorzulegen und persönliche Haftungsfragen realistisch zu bewerten. Auch Szenarien mit Umsatzrückgängen von bis zu 30% sollten in der Planung berücksichtigt werden, um die Kapitaldienstfähigkeit belastbar darstellen zu können.

Start-up-Gründer steigen in mittelständischen Betrieb ein

Nikolas Langes (li.), der gemeinsam mit Simon Specka die Gremco GmbH übernommen hat

Im Rahmen der Informationsveranstaltung wurde auch ein konkreter Fall vorgestellt, bei dem dieser alternative Weg zur Nachfolge bereits umgesetzt wurde. Nikolas Langes, der gemeinsam mit Simon Specka die Gremco GmbH übernommen hat, berichtete über den Ablauf und die Herausforderungen. Beide Gründer haben zuvor im digitalen Start-up-Umfeld gearbeitet, unter anderem bei Rocket Internet. Langes gründete 2014 ein Unternehmen im Bereich intelligenter Flugrouten und konnte es später an einen US-Konzern veräußern. Nach dem Verkauf entschied sich das Gründerduo, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen, statt erneut ein Start-up zu gründen. Die Motive lagen laut eigener Aussage in der Stabilität etablierter Strukturen und der langfristigen Perspektive. Zur Vorbereitung auf die Nachfolge führten sie rund 100 Gespräche mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen, um sich ein umfassendes Bild von den Anforderungen und Prozessen zu machen.

Systematische Suche nach Unternehmen

Die Suche nach einem geeigneten Zielunternehmen erfolgte systematisch. Langes und Specka entwickelten ein eigenes Ankaufsprofil, das unter anderem Unternehmen mit geringer Kapitalbindung und mindestens fünf Jahren Profitabilität vorsah. Eine eigene Website mit Ankaufsprofil wurde erstellt, es wurden Unternehmensdatenbanken ausgewertet und Anbieter im Micro-Cap-Segment telefonisch kontaktiert. Darüber hinaus recherchierten die Gründer in den Nachfolgebörsen von DUB und nexxt-change, nahmen Kontakt zu M&A-Beratern und Unternehmensmaklern auf und filterten gezielt Unternehmen, bei denen die Inhaber älter als 55 Jahre und in der Regel Mehrheitsgesellschafter waren. Rund 150 Unternehmen wurden kontaktiert, 33 persönliche Gespräche geführt. Der Aufwand pro Gespräch betrug laut eigenen Angaben bis zu fünf Stunden. Die Auswahl erfolgte nach wirtschaftlichen Kriterien und über eine gezielte Vorauswahl potenzieller Verkäufer.

Ende 2019 wurde schließlich die Gremco GmbH mit Sitz in Augsburg übernommen. Das Unternehmen ist auf technische Schrumpf- und Isolierschläuche für Hightech-Verkabelungen spezialisiert und beliefert unter anderem die Automobil- und Luftfahrtindustrie. Die Übernahme wurde nach einem mehrstufigen Prozess vollzogen: Zunächst erfolgte eine Absichtserklärung (Letter of Intent), anschließend eine Due-Diligence-Prüfung mit Fokus auf Lieferanten- und Kundenabhängigkeit, rechtliche Risiken und wirtschaftliche Kennzahlen.

Finanzierung mit mehreren Bausteinen

Die Finanzierung der Übernahme setzte sich aus mehreren Bausteinen zusammen: einem Bankdarlehen der Hausbank, einem Verkäuferdarlehen, Eigenmitteln sowie einer Mezzanine-Finanzierung durch die Bayerische Beteiligungsgesellschaft (BayBG). Die Gespräche mit den Finanzierungspartnern zogen sich über einen Zeitraum von März bis Dezember. Nach Angaben der Gründer war die Zusammenarbeit mit der Hausbank frühzeitig gesucht worden, auch um bestehende Kundenbeziehungen zu nutzen. Die BayBG stellte Mezzanine-Kapital zur Verfügung und führte im Rahmen ihrer Prüfung vertiefte Analysen durch.

Ein Verkäufer blieb nach der Übergabe weiterhin im Unternehmen aktiv. Dies wurde von den Finanzierungspartnern als positiver Aspekt im Sinne der Kontinuität gewertet. Die neuen Eigentümer nahmen in der Anfangsphase keine grundlegenden Änderungen am Geschäftsmodell vor. Strukturelle Anpassungen erfolgten in Bereichen wie Buchhaltung, Reporting und interner Organisation. Der Umsatz des Unternehmens liegt nach eigenen Angaben zwischen sechs und sieben Millionen Euro. Die Gremco GmbH ist laut Darstellung der neuen Eigentümer in mehreren internationalen Märkten tätig, darunter den USA und Mexiko. Die Produktpalette umfasst Komponenten für Luftfahrt, Automobilbau, Medizintechnik sowie Industrie- und Umwelttechnik.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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