Nachhaltigkeitsinitiativen mit agilen Methoden umsetzen

Der Text behandelt die Anwendung agiler Methoden, insbesondere Scrum und Kanban, zur Bewältigung der Herausforderung der (CSRD).
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Nachhaltigkeit ist ein komplexes Thema und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zwingt zur Auseinandersetzung damit. Firmen stehen bei der Umsetzung vor einer zunächst unüberschaubaren Menge an Fragen. Agile Methoden helfen, strukturiert vorzugehen und zu guten Ergebnissen zu kommen.

Worin liegen die Herausforderungen, die CSRD-Berichtspflicht zu erfüllen? Zum einen werden die Inhalte sowie die maschinenlesbaren Formate der Berichte noch entwickelt. Es handelt sich um ein Moving Target – das Ziel verändert sich, während wir an der Umsetzung arbeiten. Zum anderen müssen Firmen sich klar machen, welche Themen aus den drei Bereichen Unternehmensführung (Governance), gesellschaftliche Aspekte (Social) und Umweltziele (Environmental) relevant sind. Als Unternehmen muss man bezogen auf diese Themen den eigenen aktuellen Stand kennen und darstellen, daneben aber auch Prozesse installieren und vorantreiben, um besser zu werden. Denn die Veröffentlichung zwingt dazu, ständig an Verbesserungen zu arbeiten – ein Stillstand wäre nicht nur peinlich, sondern wird auch sanktioniert. Außerdem wartet ein interessiertes Publikum nur darauf, echte oder vermeintliche Skandale aufzudecken.

Kleine Schritte – große Ziele

Die Lösung liegt in einem iterativen Vorgehen, wie es mit agilen Methoden schon tausendfach erprobt worden ist. Aus dem agilen Werkzeugkasten bietet sich Scrum an, um das iterative Vorgehen mit einem strukturierten Prozess zu verbinden. Hier kann die Unternehmensleitung einfach Prioritäten setzen und Iteration für Iteration den Fortschritt messen. Durch eine Neujustierung von Ressourcen und Prioritäten kann gezielt Aufmerksamkeit auf Schwachpunkte gelenkt und so etwaige Angriffsflächen für kritische Aktionäre und andere Kritiker außerhalb der Firma reduziert werden. Auf kleine Schritte heruntergebrochen, wird das komplexe Thema handhabbar. Die Organisation entwickelt eine Steuerungsfähigkeit, mit der sie in Krisen gut navigieren kann.

Mit Scrum Schwerpunkte setzen

Die Iterationen von Scrum eignen sich hervorragend, um − auch kurzfristig − Schwerpunkte zu setzen. Ein typischer Sprint in Scrum dauert maximal einen Monat und hat ein klares Ziel. Er wird für die Bearbeitung weiter heruntergebrochen, so dass die Fortschritte in den Bereichen Unternehmensführung, gesellschaftliche Aspekte oder Umweltziele erreichbar und messbar werden. Dazu gehören auch sauber definierte Qualitätsstandards, damit es gar nicht erst zu Unstimmigkeiten bei der Frage kommt, ob ein Ziel erreicht wurde. Am Ende der Iteration finden zwei Events statt. Zum einen werden relevante Stakeholder eingeladen, den Fortschritt zu begutachten und Vorschläge für die nächsten Schwerpunkte zu machen. Zum anderen reflektiert das umsetzende Team die Zusammenarbeit in der letzten Zeit und entwickelt Ideen, diese zu verbessern.

Verantwortung wahrnehmen

In der Praxis kann der beauftragende Vorstand oder die Geschäftsführung sich nicht an der täglichen Umsetzung beteiligen. Agile Methoden übertragen Verantwortung ganzheitlich in die agilen Teams. Dort gibt es dann eine Person, die gegenüber Vorstand und Stakeholdern rechenschaftspflichtig und deshalb auch mit besonderen Befugnissen ausgestattet ist. Alle anderen Teammitglieder setzen ihre Expertise und Arbeitskraft im Sinne des Gesamtzieles ein. Scrum definiert zusätzlich eine Teamcoach-Verantwortung. Das ist eine besondere Stärke agilen Arbeitens, denn erstmals gibt es jemanden, der nicht an der Umsetzung beteiligt ist, sondern sich ganz darauf fokussiert, Hindernisse in der Zusammenarbeit zu beseitigen.

Transparenz, Überprüfen und Anpassen

Beim agilen Arbeiten wird sehr viel Wert auf Transparenz gelegt. Visualisierungen der zu leistenden Arbeit machen den täglichen Fortschritt oder auch den Stillstand sofort sichtbar. Das Team kann ohne Verzögerungen auf Probleme reagieren. Dieses Überprüfen und Anpassen findet auf der Arbeitsebene, aber auch auf der Ebene der Tätigkeiten und Unterziele statt. Ständig wird überprüft, ob das Iterationsziel noch erreicht werden kann. Ein großer Moment der Transparenz ist auch am Ende des Sprints die Diskussion mit den Stakeholdern über die Zielerreichung. Auch hier wird ganz automatisch überprüft und angepasst. Diese Vorgehensweise erlaubt es, aktuelle CSRD-Themen und regulatorische Änderungen umgehend aufzugreifen.

Mit Kanban Überblick behalten

Auf strategischer Unternehmensebene können mithilfe von Kanban der aktuelle Stand und die Fortschritte wirksam transparent gemacht werden. Damit wird auch sichtbar, welche Aktivitäten um dieselben Ressourcen konkurrieren. Die Unternehmensleitung kann damit die richtigen Prioritäten setzen und vor allem auch irrelevante Aktivitäten unterbinden. Gleichzeitig werden Engpässe erkennbar und erschließen sich damit dem unternehmerischen Handeln. Das ist eine der strategisch wichtigsten Erkenntnisse beim Einsatz von Kanban: Wo müssen wir Eingreifen und wo wäre Eingreifen kontraproduktiv? Das Kanban-System dient dazu, einen stetigen Fluss von relevanten Ergebnissen zu erzeugen.

Messbarkeit herstellen

Eine Stärke von Kanban ist die automatisch entstehende Messbarkeit. Damit folgt der Vorstand in seinen Entscheidungen nicht mehr einem Bauchgefühl oder Zahlen, die irgendjemand zusammengestellt hat. Hier wird an jeder Aktivität Schritt für Schritt der echte Fortschritt in Zahlen gemessen. Diese Messergebnisse erlauben eine stetige Optimierung des Unternehmens im Hinblick auf die Umsetzungsgeschwindigkeit von CSRD-Themen. Natürlich muss dies mit Augenmaß erfolgen. Das wirtschaftliche Überleben und das Thema  CSRD kann nun aber zusammen gedacht und sinnvoll abgewogen werden. Unternehmen, die für ein bestimmtes Jahr Klimaneutralität anstreben, werden so steuerbar. Ohne vergleichbare Werkzeuge ist eine solche Ankündigung nur Wunschdenken, das auf der Zielgeraden dann sehr teuer werden kann.

Nachhaltigkeit ist keine One-Man-Show

Intern bietet sich damit für alle Beschäftigten die Möglichkeit, ihren Beitrag zu CSR-Themen zu leisten und so das Unternehmen als Ganzes voranzubringen. Gerade bei großen Unternehmen ist dies relevant, denn einzelne Beauftragte für das Reporting können die vielen Aktivitäten gar nicht überschauen. Das Thema muss von der breiten Belegschaft getragen werden. Das funktioniert nur gut, wenn Mitarbeiter auch einen Beitrag leisten dürfen! Für einen Mitarbeiter, der sich im Sinne eines CSR-Themas engagiert und dann sanktioniert wird, ist das Ganze verbrannt, ebenso für Kollegen, die das miterleben oder beobachten.

Der Gesamtblick

Agile Methoden helfen, das komplexe Thema CSRD handhabbar zu machen. Dabei hilft Scrum mit den Iterationen, das konkrete Ziel stets im Blick zu behalten. Kanban wiederum stellt den Gesamtüberblick für alle Aktivitäten her. Beides ist wichtig, um Fortschritt zielgerichtet zu erzeugen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Kenntnis agiler Methoden für Menschen, die mit CSRD befasst sind, unabdingbar ist. Die Alternative wäre eine Irrfahrt im Nebel.

Autorenprofil
Dr. Jürgen Hoffmann
Dr. Jürgen Hoffmann

Dr. Jürgen Hoffmann ist Mitglied im Vorstand des Scrum Alliance DACH e.V. und Geschäftsführer der Emendare GmbH & Co KG. Er hat seit 2003 Erfahrung mit agilen Methoden und Scrum. Nach der ersten großen Scrum-Einführung in Deutschland bei der WEB.DE AG hat er in den Rollen als Coach, Trainer, Product Owner, Scrum Master und Teammitglied in unterschiedlichen Branchen und Firmengrößen gearbeitet.

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