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Nachfolge – eine gesellschaftliche Verpflichtung

Wie die letzte Krise wieder zeigte, zahlt sich das Modell einer mittelstandsgeprägten Wirtschaft seit 65 Jahren aus. Um auch in künftigen Generationen weiterhin vom Innovationsgeist und Verantwortungsbewusstsein dieser Unternehmerfamilien zu profitieren, müssen die Nachfolgeprozesse in den Eignerfamilien vorausschauend geplant werden.

Der demografische Wandel ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. In einem auf Wachstum basierten ökonomischen und politischen System brauchen wir junge und motivierte Menschen. Werden diese weniger – eine Entwicklung, die wir mit den meisten entwickelten Volkswirtschaften gemein haben –, hat dies nicht nur Implikationen für unsere Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt, sondern auch für die Nachfolgeregelungen im deutschen Mittelstand in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Nachfolge, an sich schon ein heikles Thema, das in vielen Unternehmerfamilien totgeschwiegen wird, wird durch die demografische Entwicklung zusätzlich erschwert. Gelungene Nachfolge heißt zunächst einmal, dass das Unternehmen gesund weiterbesteht und eine Chance auf weitere Entwicklung gewahrt ist. Dann heißt es aber auch, dass die Familie noch miteinander spricht. Und im Idealfall ist das Unternehmen auch noch in der Familie verblieben, es wurde also nicht verkauft, sondern an die nächste Generation der Familie übertragen.

Nachfolge ist kein Spaziergang, sondern ein Katalysator

Nachfolge braucht Zeit. Eine überhastete Unternehmensübergabe kann schnell zum Streit in der Familie führen, was ein Unternehmen über Jahre hinweg lähmen oder gar zur Insolvenz führen kann. Im Zuge der Nachfolge kommen die ungemachten Hausaufgaben wie zum Beispiel alte Konflikte aus der Kindheit, unklare gesellschaftsrechtliche Regelungen, ungerechtfertigte Bezüge von Familienmitgliedern und vieles andere mehr auf den Tisch. Was bis jetzt unter den Teppich gekehrt wurde, kommt ans Tageslicht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass mancher Patriarch die Nachfolge rausschiebt. Der eine oder andere weiß warum.

Grundsätzlich kann der Nachfolgeprozess in vier Phasen unterteilt werden. In der Vorbereitungsphase muss zunächst  geklärt werden, ob der potenzielle Nachfolger überhaupt ins Unternehmen will. Eine frühzeitige Integration in das Familienunternehmen und die Ermutigung des Vorgängers stärken die Bereitschaft zur Übernahme.  Richtige Auswahl

Nun muss der Nachfolger ausgewählt werden. Der Auswahlprozess kann auf einer Vielzahl von Wegen erfolgen, wobei das Erstgeborenenrecht das eine und der systematischer Wettbewerb zwischen den Nachfolgekandidaten das andere Extrem ist. Beide Möglichkeiten weisen Vor- und Nachteile auf. Das Erstgeborenenrecht wird vor allem in unserem Kulturkreis als unfair betrachtet. Allerdings bietet es für alle Nachfahren die Möglichkeit, sich frühzeitig im Leben zu orientieren und speziell dem zukünftigen Unternehmer die seine ganze Energie in die Akkumulation von firmenspezifischem Wissen und Fähigkeiten zu stecken. Über Kulturgrenzen hinweg sind Integrität und das Bekenntnis zum  Unternehmen die wichtigsten Eigenschaften bei der Auswahl des Nachfolgers. Durch die immer geringere Zahl von Kindern, auch in Unternehmerfamilien, erwächst gerade in Familienunternehmen die Chance für die Töchter, in die Nachfolge einzutreten. Dies passiert ganz ohne Quote, einfach deshalb, weil häufig keine entsprechend qualifizierten und interessierten Brüder zur Verfügung stehen. Es ist ein Chance für diese jungen Frauen, so manches Vorurteil Lügen zu strafen.

Kommunikation und Rituale

In der Implementierungsphase  erfolgt anschließend die formale Unternehmensübergabe in Form der Anteilsübergabe sowie der Übertragung der unternehmerischen Führung.  Um Konflikte zwischen aktiven und passiven Eignern zu vermeiden, empfiehlt es sich, frühzeitig Lösungen für das Ausscheiden passiver Eigentümer zu finden.  Im Falle einer sehr fragmentierten Eignerstruktur gilt es sicherzustellen, die Anforderungen aller Beteiligten zu befriedigen. Eine kontinuierliche Kommunikation sowie Rituale sind hierfür förderlich. Im Gegensatz zur Anteilsübergabe, welche in einem formalen Akt erfolgen kann, ist die Übertragung der unternehmerischen Führung ein – mitunter – langwieriger Prozess. Ein Nachfolger muss sich Führungsfähigkeiten erst aneignen und die Legitimität aller Stakeholder-Gruppen erarbeiten. Je ähnlicher sich die Führungsstile des Vorgängers und Nachfolgers sind, desto unwahrscheinlicher ist eine herausragende  geschäftliche Entwicklung. Daher ist es wichtig, dass der Nachfolger einen eigenständigen, authentischen Führungsstil entwickelt. Dennoch deuten neueste wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass eine längere Phase der Zusammenarbeit zwischen den Generationen den späteren unternehmerischen Erfolg fördert.Der größte Knackpunkt im Nachfolgeprozess ist allerdings die vierte Phase, der Rückzug des Vorgängers bzw. der Vorgängerin. Für Vorgänger, deren Identität untrennbar mit dem Unternehmen und der unternehmerischen Tätigkeit verbunden ist, kommt das Ausscheiden einem partiellen Selbstmord gleich. In allen anderen Fällen hängt viel von den weiteren Interessen und den Möglichkeiten, sich sinnvoll zu engagieren, ab. Der deutlich ausgesprochene Respekt des Nachfolgers vor der Leistung des Vorgängers erleichtert den Rücktritt hierbei ungemein.

Fazit

Kein Familienunternehmen kann es sich leisten, die Nachfolge nicht ernst zu nehmen. Die Familie ist das Rückgrat des Familienunternehmens, und Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Dies wird nur dann so bleiben, wenn Unternehmerfamilien mehr Kinder haben als die Deutschen im Durchschnitt, wenn sie zum Dienst an der Familie und am Unternehmen erzogen werden, wenn sie exzellent ausgebildet sind und  vor allem, wenn sich übergebende und übernehmende Generation über ihre gesellschaftliche Verantwortung im Klaren sind.


Zur Person
Prof. Dr. Sabine B. Rau, Jahrgang 1962, ist Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Familienunternehmen der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz. Professor Rau ist Mitglied der dritten Generation einer Unternehmerfamilie. Sie studierte BWL und Psychologie in Münster und München und promovierte mit einer Arbeit über den Einfluss von Werten auf Organisationen. www.whu.edu

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