Münchner Management Kolloquium: „Höchste Zeit für gute Aufsichtsräte“

Dr. Klaus Weigel von Board Xperts über die Wichtigkeit professionell besetzter Aufsichtsgremien

Dr. Klaus Weigel referierte auf dem MMK über die Wichtigkeit von gut besetzten Aufsichtsräten als strategische Sparringspartner.

In herausfordernden Zeiten reicht es nicht, nur die Krise zu bewältigen, es müssen auch Lehren für zukünftige Innovationen gezogen werden. Das 28. Münchner Management Kolloquium (MMK) am 9. und 10. März stand unter dem Motto „Innovationsbeschleuniger Krise: Krisenmanagement – Hochlaufkurven – Wachstumspfade“ und tagte erstmals in hybrider Form. Immer wieder war an den beiden Veranstaltungstagen vom „Brennglas Corona“ die Rede und von der Tatsache, dass die Pandemie alle Entwicklungen beschleunige. Ein großes Thema waren aber auch Nachhaltigkeitsstrategien, insbesondere in der Lieferkette. Hierzu passten auch Gedanken zur Wichtigkeit von gut besetzten Aufsichtsräten als strategische Sparringspartner, über die Dr. Klaus Weigel als geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH erstmals auf dem MMK referierte. VON EVA RATHGEBER

„Ich finde, es ist höchste Zeit für gute Aufsichtsräte“, sagte Dr. Klaus Weigel, geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, zu Beginn seines Vortrags auf dem Münchner Management Kolloquium. „Leider sitzen in den meisten Aufsichtsräten heute immer noch vor allem ‚friends and family‘.“ Ganz besonders in Zeiten von Pandemie, Disruption und Krise sei ein Umdenken dringend vonnöten. Die Auswahl der Aufsichtsräte müsse sich künftig vor allem an den strategischen Herausforderungen für die Unternehmen in den kommenden Jahren orientieren, forderte Weigel, der selbst über langjährige Erfahrung als Mitglied von Beiräten und Aufsichtsräten sowie bei deren Strukturierung und Zusammenstellung verfügt.

Besonderheiten von Familienunternehmen stärker berücksichtigen

Von den rund 3,3 Millionen Unternehmen in Deutschland ist die Einrichtung eines Aufsichtsrats insbesondere für die rund 12.000 Aktiengesellschaften, circa 1.000 GmbHs mit mehr als 500 Mitarbeitern, circa 1.700 Kreditinstitute und circa 7.000 Genossenschaften gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus haben viele größere Familienunternehmen auf freiwilliger Basis ein Kontroll- und Aufsichtsgremium eingerichtet, obwohl sie dazu aufgrund ihrer Rechtsform bzw. ihrer Mitarbeiterzahl nicht gesetzlich verpflichtet sind. Die Tendenz sei steigend, wie Weigel betonte. Er bedauerte, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung der Blick fast ausschließlich auf die börsennotierten Gesellschaften richte. Familienunternehmen seien anders und das müsse sich auch in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats ausdrücken und von dessen Mitgliedern berücksichtigt werden. Zu den Unterschieden zählten beispielsweise, dass eine Familie als Gesellschafter Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens nehme, Konflikte zwischen Familienmitgliedern bzw. Gesellschafterstämmen das Unternehmen gefährden könnten, in Familienunternehmen eher in Generationen statt in Quartalen gedacht werde und häufig die finanzielle Eigenständigkeit angestrebt werde, so der Beiratsexperte.

Personalkompetenz wichtigste Aufgabe bei der Aufsichtsratsbesetzung

Weigel betonte, dass sich die Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder in den vergangenen Jahren wesentlich verändert hätten: „Sie sind von der ‚Rotwein-Runde‘ zum Berufsaufsichtsrat und strategischen Sparringspartner geworden“. Dadurch steige nicht nur der zeitliche Aufwand, sondern es entstünden damit auch Haftungsrisiken, sagte Weigel mit Blick auf den Fall Wirecard. Die Vergütung von Aufsichtsräten entspräche vielfach nicht mehr dem zeitlichen Aufwand, der Verantwortung, der Haftung und dem Reputationsrisiko.

„Die wichtigste Aufgabe liegt in der Personalkompetenz“, so der Agenturchef. Der Aufsichtsrat müsse das beste verfügbare Management aussuchen und ihm als älterer Rat- und Impulsgeber sowie notfalls als „Retardierer“ zur Seite stehen, es überwachen und notfalls Dummheiten verhindern, ein feines Ohr für menschliche Schwierigkeiten eines Managers haben und gegebenenfalls zwischen Management und Gesellschafterversammlung oder einzelnen Gesellschaftern klug vermitteln sowie die Gesellschafterversammlung gegenüber dem Management vertreten, umgekehrt für berechtigte Interessen des Managements gegenüber einer zögernden Gesellschafterversammlung eintreten und notfalls nicht zögern, einen unfähigen Manager abzuberufen.

„Der Aufsichtsrat sollte insgesamt alle erforderlichen Kompetenzfelder abdecken“, betonte Weigel. Dazu zählen Unternehmensstrategie und zukünftige strategische Entwicklung, Geschäftsmodell, wesentliche Geschäftsfelder, Internationalität und regionale Erstreckung, technologische Einflussfaktoren, Rechnungslegung und Abschlussprüfung, Risikomanagement, Compliance und Recht sowie Corporate Governance. Unabdingbar sei darüber hinaus Erfahrung in der Leitung und Überwachung vergleichbarer Unternehmen, so der Beiratsexperte.

Mindestanforderungen an persönliche Kompetenzen

Nach Auffassung von Klaus Weigel sollten die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder darüber hinaus über bestimmte persönliche Kompetenzen verfügen, die ihnen die Tätigkeit in einem Aufsichtsrat ermöglichen, z.B. Fähigkeit und Bereitschaft zu ausreichendem inhaltlichen und zeitlichen Engagement sowie zur regelmäßigen Fortbildung, persönliche Unabhängigkeit und Integrität, Verschwiegenheit, Interaktions- und Teamfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, interkulturelles Verstehen, Führungsqualität und Überzeugungskraft.

Die Besetzung von Aufsichtsräten stelle außerdem besondere Anforderungen an den Prozessverlauf. „Das Suchprofil muss am Anfang stehen, Passgenauigkeit geht vor Person“, sagte Weigel. Ein Kompetenzprofil sei derzeit leider noch nicht die Regel, externe Beratung nehme zwar zu, sei aber noch nicht selbstverständlich. „Der Vorsitzende eines Aufsichtsrats oder eines Beirats sollte über eine langjährige Führungskompetenz in vergleichbaren Unternehmen, idealerweise über Mandatserfahrung und über das erforderliche Zeitbudget verfügen“, so Weigel. Es sei nicht zwingend immer der Gesellschafter mit der größten Beteiligungsquote oder der bisherige geschäftsführende Gesellschafter.

Unter Berufung auf Zahlen zur aktuellen Vergütung von Aufsichtsratsvorsitzenden warf Weigel die Frage nach deren Angemessenheit auf. Während der Vorsitzende des Aufsichtsrates eines DAX30-Unternehmens im Durchschnitt rund 365.000 Euro und ein MDAX-Aufsichtsratsvorsitzender immerhin noch die Hälfte davon pro Geschäftsjahr verdienten, erhalte der Aufsichtsratsvorsitzende eines nichtbörsennotieren Familienunternehmens in der Regel nur zwischen 20.000 und 50.000 Euro im Jahr. „Was ist da noch angemessen?“, fragte Weigel. Die Vergütungen in mittelständischen Unternehmen hätten eindeutig „Luft nach oben“.

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Zuletzt ging der Board Xperts-Chef auf die Mandatsdauer ein, indem er die Frage stellte: „Sind wir noch gut beraten, fünfjährige Standards festzulegen?“ Diese seien teilweise zu lang. Deshalb sei es wichtig, an dieser Stelle über kürzere Mandatslaufzeiten nachzudenken und über sog. „staggered boards“, bei denen z.B. alle zwei Jahre eine gewisse Zahl von Aufsichtsräten ausscheide. „Das ist eine gute Möglichkeit, um immer wieder handlungsfähig zu sein und gleichzeitig Kontinuität zu gewährleisten“, betonte der Beiratsexperte in seinem Resümee.

Seit 28 Jahren Treffpunkt der weltweiten Führungselite

Das jährlich stattfindende Münchner Management Kolloquium (MMK) ist seit 28 Jahren Treffpunkt für die nationale und internationale Führungselite. Im Audimax der Technischen Universität München diskutieren Vorstandsvorsitzende der DAX-Unternehmen und Führungskräfte europäischer Konzerne mit Eigentümern und Geschäftsführern erfolgreicher Mittelständler und Start-ups über aktuelle Trends und Herausforderungen, die die Wirtschaft bewegen. Trotz der pandemiebedingten Variante eines Online-Kongresses war das 28. Münchner Management Kolloquium nach Veranstalterangaben ein voller Erfolg. Laut TCW nahmen an den mehr als 80 live gestreamten Vorträgen und Diskussionsrunden mehr als 2000 Zuhörer teil. Die hochkarätigen Referenten und Panelteilnehmer kamen vorwiegend aus der Automobilindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau, aber auch aus der Luft- und Raumfahrt, der Baubranche sowie dem Handel und der Konsumgüterindustrie.

Sehen Sie hier die Aufzeichnung des Vortrags von Dr. Klaus Weigel:

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Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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