Mit einfachen Lösungen an die Börse

Mit einer cloudbasierten ERP-Software-Plattform hat die weclapp SE seit vielen Jahren einen großen Erfolg. Foto: © weclapp

Von einer ersten Geschäfts­idee über ein mittelstän­disches Unternehmen innerhalb von wenigen Jahren zum Börsenkandi­daten – das klingt beinahe wie ein Märchen. Bei der weclapp SE ist es Realität geworden. Schon im laufenden Jahr 2022 könnte es
für den Cloud-­ERP-Anbieter aufs Parkett gehen.

Große Ideen fangen meist klein an. So war es auch bei Ertan Özdil: Er hat sich bereits als Jugendlicher mit Software auseinandergesetzt und programmierte eine Unternehmenssteuerungssoftware (ERP-System). Später folgte auch eine Vertriebs- und Kommunikationssoftware (CRM-System). Solche Programme sind seit vielen Jahren unverzichtbare Standardtools in nahezu allen Unternehmen, und ihre Anbieter wie SAP, Oracle oder Salesforce sind milliardenschwere Global Player. Recht früh erkannte Özdil, dass auch für kleine und mittelständische Unternehmen ein großer Bedarf an ERP-Systemen besteht. Der Zugang blieb ihnen aber oft verwehrt, weil die Einführung sehr aufwendig und kostenintensiv ist. Damit können sie auch nicht von den Vorteilen dieser Programme profitieren, die ihnen eine Menge Arbeit abnehmen und Prozesse automatisiert abwickeln.

Pain Points für kleine Unternehmen identifizieren

„Ich habe recht früh diese Pain Points für kleine Betriebe erkannt und mir dazu intensive Gedanken wegen mög­licher Lösungen gemacht“, erinnert sich der weclapp-Gründer. In seinem Kopf reifte die Idee für eine Software, die auch kleinen Betrieben den Zugang zu den Vorteilen moderner Unternehmenssteuerungssoftware ermöglicht. Die Grundidee war die Schaffung einer Plattformlösung, die in der Cloud arbeitet und nicht auf den einzelnen Computern der Nutzer installiert ist. Die Nutzung einer Onlineplattform für das System reduziert die Anforderungen an den Anwender auf ein browserfähiges Gerät sowie einen Internetzugang und ermöglicht unkomplizierte Updates. Bei stationären Installationen auf einzelnen Rechnern sind immer wieder Probleme möglich – das kennt der Anwen­der auch vom heimischen PC.

Automatisierte Updates im Hintergrund

„Die meisten Unternehmensinhaber ­haben von automatisierten Prozessen in der Unternehmenssteuerung wenig Ahnung und sie wollen sich damit auch nicht beschäftigen. Ihnen geht es verständlicherweise darum, sich auf ihr Business zu konzentrieren“, erklärt ­  Özdil. Er führte zahlreiche Interviews mit Inhabern und Geschäftsführern, um ein möglichst einfaches und effektives Programm zu entwickeln. Er erkannte dabei auch, dass viele Unternehmer keine hoch individualisierte Lösung suchen, sondern sich ein Programm quasi „von der Stange“ wünschen. Aktualisierungen erfolgen bei weclapp dank der cloudbasierten Plattformlösung beinahe täglich; ein- bis zweimal im Monat gibt es größere Updates. Es sei ihm immer sehr wichtig gewesen, bei Funktionalitäten die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen im Blick zu haben. weclapp hat auch ganz bewusst darauf verzichtet, sein System auf eine bestimmte Branche zu konzentrieren – auf diese Weise bleibt es universell und kann an neue Gegebenheiten schnell angepasst werden. Özdil geht es mehr um eine intuitive Bedienbarkeit und die Einfachheit von Funktionen. „Der Alltag soll für den Unternehmer so einfach wie möglich sein“, sagt Özdil. Das gilt auch für die Einrichtung des Systems oder die Migration einer bestehenden ERP-Software, die in den meisten Fällen ohne fremde Hilfe erfolgen kann. Möglich wird das unter anderem durch eine Vielzahl von Videotutorials, die der Nutzercommunity zur Verfügung gestellt werden.

Skalierbarkeit im System bereits angelegt

Ertan Özdil,
weclapp

„weclapp war schon bei seiner Gründung darauf angelegt, dass eine Skalierung ­erfolgen kann, ohne an der Software­architektur selbst arbeiten zu müssen. Das war unser besonderer Ansatz, der sich bei dem stetigen Wachstum nun auszahlt“, sagt Özdil rückblickend. Dies galt auch für die Möglichkeit zu einer Internationalisierung der Anwendung. Auch hier ist die Adaption an die Gegebenheiten in anderen Ländern für das System einfach. Als Beispiel nennt ­Özdil im Gespräch unter anderem die Regelung in Italien, bei der die Rechnung eines Unternehmens zuerst an das zuständige Finanzamt geht und dann erst zum Gläubiger weitergeleitet wird. „Eine solche spezielle Systematik können wir bei weclapp ebenso unkompliziert zur Verfügung stellen wie die Rappenrundung in der Schweiz“, so Özdil.

Internationales Wachstum beginnt jetzt

Inzwischen verzeichnet die weclapp-­Plattform beinahe 4.000 Firmenkunden. Seit dem Markteintritt im Jahr 2013 wurde die Software dreimal zum „ERP-System des Jahres“ im deutschsprachigen Raum gewählt. Die Financial Times erwähnte das Unternehmen auf seiner Liste der 500 „Europe’s Fastest Growing Companies“. Auch ohne teure Werbekampagnen sprach sich der Service von weclapp weiter herum – Firmen aus mehr als 30 Ländern nutzen ihn bereits. Die internationale ­Skalierung wird nach den Plänen von Firmenchef Özdil nun verstärkt vorangetrieben. Bereits jetzt gibt es eine Koope­ration mit einem großen italienischen ERP-System-Anbieter. In den nächsten Jahren sollen Frankreich, Spanien und dann Großbritannien folgen. „Ich sehe für weclapp als cloudbasierte Lösung weltweit einen Markt von rund 200 Millionen kleinen und mittleren ­Unternehmen“, sagt Özdil. Damit hat er sich für die kommenden Jahre ein straffes Programm vorgenommen.

Börsengang auf der Agenda

© weclapp

Bevor weclapp aber die Welt erobert, steht erst einmal der deutsche Markt im Vordergrund. Nach Einschätzung von Özdil gibt es allein in Deutschland aktuell rund 400 Anbieter von ERP-Software. „Wir haben festgestellt, dass sich viele Anwender mit einem Wechsel ihrer­­ ERP-Software beschäftigen und gleichzeitig einige Anbieter vor großen Moder­nisierungsschritten, nämlich dem Gang in die Cloud, zurückschrecken“, sagt Özdil. Dieses einmalige Zeitfenster will der weclapp-Gründer jetzt nutzen. Doch das kostet Geld – mehr Geld, als aus dem seit 2017 positiven Cashflow bereitgestellt werden kann. Vor diesem Hintergrund möchte er kleinere Anbieter von ERP-Systemen übernehmen, um auf diese Weise auch schnell an weitere Kunden zu kommen. Parallel dazu soll das organische Wachstum weitergehen.

Um diese Unternehmenskäufe stemmen zu können, plant weclapp für 2022 den Börsengang. „Wir haben unsere M&A-Strategie im Jahr 2019 aufgesetzt. Die Zusammenarbeit mit Private-Equity-­Investoren haben wir auch in Erwägung gezogen. Da wir aber als Tochterunternehmen der 3U Holding AG schon seit geraumer Zeit die Anforderungen an die Börsenkommunikation gewöhnt sind, erwägen wir ein IPO“, so Özdil. Die Vorbereitungen laufen bereits in vielen Bereichen des Unternehmens.

Software soll intelligenter werden

Unternehmensgründer Özdil denkt über das anstehende IPO schon wieder hinaus. Sein erklärtes Lieblingsthema ist intelligente Software, die auch im Bereich der ERP-Systeme immer mehr Prozesse steuern soll. Er zieht Parallelen zu aktuellen Fahrzeugen, die mit Spurhalteassistenten oder ähnlichen Systemen bereits dem Fahrer assistieren. „Die ERP-Software soll smarter werden und nicht nur Eingabemasken zur Verfügung stellen. Daran arbeiten wir bereits intensiv“, erklärt Özdil. Es geht ihm dabei in ersten Schritten um eine automatisierte Datenanalyse sowie um konkrete Vorschläge an den Unternehmer für die nächsten Schritte. Beispielsweise könne die Software erkennen, wenn Mitbewerber ihre Preise ändern und dann einen vergleichbaren Vorschlag liefern. „Das wird aus meiner Sicht ein Game Changer und damit noch wichtiger als der Schritt in die Cloud“, schwärmt der weclapp-Gründer, der für dieses Thema eigens einen Forschungsbereich gegründet hat.

redaktion@unternehmeredition.de


KURZPROFIL

weclapp SE

Gründungsjahr: 2008

Branche: ERP-Software

Unternehmenssitz: Frankfurt am Main

Umsatz 2020: 7,33 Mio. EUR

Mitarbeiterzahl: circa 160

www.weclapp.com

 

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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