Aktuelle Wirtschaftsprognosen: Materialengpässe machen Sorgen

Aktuelle Wirtschaftsprognosen: Materialengpässe machen Sorgen
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Deutschlands Industrie zeigte sich auch im Juli in glänzender Verfassung. Mit diesem positive Statement beginnt der IHS MARKIT Einkaufsmanager Index. Der aktuelle Wert signalisiere unverändert kräftiges Wachstum – insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Mit dieser sehr erfreulichen Nachricht beginnen wir unseren Überblick über die aktuellen Wirtschaftsprognosen.

Der IHS Markit Einkaufsmanagerindex verbesserte sich im Juli zum zweiten Mal in Folge und notierte bei 65,9 Punkten. Dies sei der dritthöchste Wert seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1996 (Langzeitmittel: 52,3). Vier der fünf Teilindizes, die in den Hauptindex einfließen, lagen nach der aktuellen Untersuchung erneut deutlich im positiven Bereich. “Obwohl der Hauptindex den dritthöchsten Wert in der Umfragegeschichte erreicht hat, liefern die jüngsten Umfrageergebnisse einen weiteren Beweis dafür, dass die Produktionssteigerung von Lieferengpässen gebremst wird.

Infolgedessen wuchsen die Auftragsbestände im Juli im Rekordtempo während die anhaltenden Sorgen im Hinblick auf die Materialversorgung den Geschäftsausblick auf den niedrigsten Wert seit letztem Dezember drückten. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass der Höhepunkt der Lieferengpässe hinter uns liegt, denn die Verzögerungen fielen so niedrig aus wie seit fünf Monaten nicht mehr. Die Nachfrage nach Rohstoffen ist dennoch ungebrochen und treibt die Einkaufspreise weiter in die Höhe”, sagt Trevor Balchin, Economics Director bei IHS Markit.

Hilfen halten 25.000 Unternehmen künstlich am Leben

Nach einer Studie vom Verband der Vereine Creditreform (Creditreform) und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) haben die finanziellen Unterstützungen in der Corona-Pandemie zu einem hohen Rückstau bei den Insolvenzen geführt. Die Untersuchung geht davon aus, dass rund 25.000 Unternehmen in eine existenzielle Krise geraten wären – auch ohne den Corona-Lockdown. „Die undifferenzierte Verteilung der Hilfsgelder und die fehlenden  Öffnungsperspektiven werden in Verbindung mit dem andauernden Insolvenzmoratorium ab der zweiten Jahreshälfte 2021 einen signifikanten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zur Folge haben“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Grundlage der Studie sind nach Angaben von Creditreform die Bonitätsdaten von etwa 1,5 Mio. Unternehmen. Für diese hat Creditreform die Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit im Vorkrisenzeitraum Juli 2017 bis Dezember 2019 mit dem Corona-Krisenzeitraum April 2020 bis einschließlich Juli 2020 verglichen. Insbesondere kleine, finanziell schwache Unternehmen, die unter normalen wirtschaftlichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Insolvenz gegangen wären, seien durch staatliche Hilfen am Leben gehalten worden.

Rechnungen werden später bezahlt

Creditreform hat auch ermittelt, dass im ersten Halbjahr in Deutschland die Rechnungen immer später bezahlt werden. Der durchschnittliche Zahlungsverzug erhöhte sich um 0,5 auf 10,23 Tage. Deutlich gestiegen sei der Zahlungsverzug insbesondere bei Geschäften mit Industriekunden aus den Bereichen wie Chemie und Kunststoffe, Konsumgüter, aber auch Verkehr und Logistik.

Lage der Autoindustrie verbessert

Die Geschäfte der deutschen Autohersteller und ihrer Zulieferer sind im Juli besser gelaufen als im Vormonat. Der ifo-Indikator zur Geschäftslage der Automobilindustrie stieg auf plus 56,8 Punkte. Das sei der beste Wert seit Juli 2018. „Die Nachfrage in Asien und den USA ist weiter sehr stark, das Vorkrisenniveau ist in Reichweite. In Europa sind wir hingegen ein ganzes Stück davon entfernt“, sagt Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Gleichzeitig gibt es Sorgenfalten bei den Managern, denn 83,4% der Unternehmen spürten im Juli einen Mangel an Vorprodukten, nach 64,7 im April. „Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer sind vom Mangel bei Vorproduktion betroffen. Dies führt zu Produktionsstillständen. Insbesondere die Engpässe bei den Halbleitern werden wohl noch eine Weile anhalten“, erklärt Falck. Erstmals seit Dezember 2018 wollen die Autobauer nach ifo-Angaben ihren Personalbestand ausweiten.

Mittelständisches Geschäftsklima sinkt im Juli

Lange kannte das von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ermittelte mittelständische Geschäftsklima nur den Weg nach oben. Jetzt erhält es einen Dämpfer und geht zum ersten Mal seit Januar wieder zurück. Ursächlich für den leichten Rückgang seien vor allem Sorgen über die rasante Ausbreitung der Delta-Variante und die wieder deutlich steigenden Neuinfektionszahlen. Das Geschäftsklima unter den kleinen und mittleren Unternehmen sinkt laut der Befragung, während sich die Lagebeurteilung leicht verbessert. Auch in den Großunternehmen sei ein nachlassender Optimismus festzustellen, während sie gleichzeitig die Lage ebenfalls besser einschätzen. Vor allem das Verarbeitende Gewerbe sei hervorragend gestimmt. Insgesamt seien die Ergebnisse des KfW-ifo-Mittelstands-Barometers Zeichen einer anhaltend guten Geschäftslage im Mittelstand bei weniger optimistischen Geschäftserwartungen.

Exporterwartungen leicht gefallen

Unter den deutschen Exporteuren hat sich die Stimmung leicht verschlechtert. Die ifo-Exporterwartungen der Industrie sind im Juli auf 24,5 Punkte gefallen. Insgesamt laufe die deutsche Exportwirtschaft jedoch weiterhin sehr gut. Nahezu alle Branchen würden weiterhin von einem Anstieg der Exporte ausgehen. Einen deutlichen Zuwachs der Auslandsumsätze erwarte die Elektroindustrie. Gleiches gelte für den Maschinenbau und die Nahrungsmittelindustrie. In der Metallindustrie hingegen hätten sich die Exporterwartungen abgesenkt

Verbraucherstimmung wird negativer

Wie aus dem aktuellen HDE-Konsumbarometer (Handelsverband Deutschland – HDE) hervorgeht, sinkt der Index für die Stimmung der Verbraucher im August leicht. Die zuletzt ins Stocken geratene Impfkampagne und steigende Corona-Infektionszahlen hätten diesen geringfügigen Rückgang begünstigt. Das Konsumbarometer verbleibe dennoch nahe seinem Zweijahreshoch auf gutem Niveau. Schwankungen zeigten sich in der Anschaffungsneigung. Nachdem sie im Vormonat noch gestiegen war, sank sie den HDE-Zahlen zufolge im August etwas. Die Zahlen zeigten, dass die Verbraucherstimmung in starker Abhängigkeit von der Entwicklung der Corona-Pandemie stehe, so der HDE.
Das HDE-Konsumbarometer erscheint monatlich und basiert auf einer Umfrage unter 2.000 Personen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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