OECD-Pläne für eine neue Weltsteuerordnung

OECD-Pläne für eine neue Weltsteuerordnung
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Die OECD hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als eine neue Weltsteuerordnung zu schaffen. Angestoßen wurde das Vorhaben durch Informationen, wonach weltweit agierende Digital-Konzerne durch eine geschickte Standortpolitik einer sehr geringen Steuerquote unterliegen. Dem soll mit einem Konzept bestehend aus zwei Säulen entgegengewirkt und dadurch eine gerechtere Besteuerung erzielt werden. Erste Schritte zu einer Einigung wurden bereits erreicht.

Worum geht es?

Auf OECD-Ebene wurden von dem „Inclusive Framework on BEPS”, dem zwischenzeitlich 139 Staaten angehören, Eckpunkte für ein solches Zwei-Säulen-Konzept erarbeitet. Diese wurden zum 01.07.2021 verabschiedet und sind Basis für weitere Detailausarbeitungen, über die wiederum im Oktober 2021 beraten werden soll.

„Pillar 1“ beinhaltet eine Neuregelung der Verteilung von Besteuerungsrechten zwischen Ansässigkeits- und Marktstaaten bei sehr großen und hoch profitablen Konzernen. Konkret ist derzeit eine Umsatzgrenze von 20 Mrd. Euro vorgesehen.

„Pillar 2“ sieht die Einführung einer Mindestbesteuerung vor. Bereits über 130 Staaten und zudem auch die Finanzminister der G7-Staaten haben sich für einen Mindeststeuersatz von mindestens 15 % ausgesprochen. Werden Gewinne in einem Staat effektiv mit einem darunterliegenden Steuersatz belastet, soll der Ansässigkeitsstaat des Mutterunternehmens u. a. die Steuerbelastung auf das dort bestehende Steuerniveau hochschleusen können. Zwar soll „Pillar 2“ grundsätzlich nur bei multinationalen Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro greifen. Die Staaten sollen jedoch ein Hochschleusen auf ihr Steuerniveau ungeachtet dieser Umsatzschwelle vorsehen können.

Verteilung der Besteuerungsrechte – Pillar 1

Die erste Säule sieht eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte vor, wobei grundsätzlich eine gewisse Verschiebung der Besteuerungsrechte weg vom Ansässigkeitsstaat hin zu den Marktstaaten zu erwarten ist. Nach den am 01.07.2021 verabschiedeten Eckpunkten greift die Neuverteilung u. a. unter folgenden Voraussetzungen:

  • Quantitativ sollen nur sehr große multinationale Konzerne erfasst werden. Konkret wird eine Umsatzgrenze von weltweit 20 Mrd. Euro genannt. Diese Umsatzgrenze könnte nach einer sieben Jahre nach der erfolgreichen Implementierung startenden Evaluierung auf 10 Mrd. Euro gesenkt werden. Ausgenommen von der Anwendung von Pillar 1 sind Unternehmen der Rohstoffförderung und regulierte Finanzdienstleistungsunternehmen.
  • Eine Profitabilitätsgrenze schränkt den Anwendungsbereich von Pillar 1 weiter ein. Neu verteilt werden sollen 20 % bis 30 % des oberhalb einer Profitabilitätsschwelle von 10 % des Umsatzes verbleibenden Gewinns.
  • Der neu zu verteilende Gewinn („Amount A“) soll nach einem umsatzbasierten Verteilungsschlüssel den Marktstaaten zugeordnet werden. Eine neue „special purpose nexus rule“ soll regeln, in welche Marktstaaten der „Amount A“ allokiert wird. Eine Besteuerungszuweisung zu einem Marktstaat soll allerdings nur dann erfolgen, wenn dort ein Umsatz von mindestens 1 Mio. Euro (bzw. bei kleineren Staaten mit einem BIP von weniger als 40 Mrd. Euro mindestens 250.000 Euro) erzielt wird.
  • Umsätze sollen dem Marktstaat zugeordnet werden, wo Waren genutzt oder Dienstleistungen verbraucht werden. Konkrete Regeln, „sourcing rules“, sollen noch erarbeitet werden.
  • Die steuerliche Bemessungsgrundlage soll auf Basis des handelsrechtlichen Ergebnisses mit wenigen Modifizierungen ermittelt werden. Ein Verlustvortrag soll dabei möglich sein.
  • Eine Differenzierung nach Art der Wirtschaftstätigkeit ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen soll es eine Segmentierung geben.
  • Werden Gewinne bereits nach den herkömmlichen Regeln in einem Marktstaat besteuert, soll eine weitergehende Zuweisung des Besteuerungsrechts nach „Amount A“ durch eine Safe-Harbour-Regel für Marketing- und Vertriebsgewinne beschränkt werden. Nähere Vorgaben hierzu sind noch in Ausarbeitung.
  • Eine drohende Doppelbesteuerung von „Amount A“ soll nach der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode vermieden werden. Zudem sollen verbindliche Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen geschaffen werden, um ohne Verzögerung Rechtssicherheit zu verschaffen.
  • Zur Ermittlung eines „Amount B“, mit dem Vertriebseinheiten im Unternehmensverbund ein Routinegewinn für ihre Tätigkeiten zugewiesen werden soll, soll die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Marketing- und Vertriebsaktivitäten vereinfacht werden.

Hinweis: Pillar 1 richtet sich damit an nur wenige sehr große multinationale Konzerne. Mit dem Vorschlag geht klar die Erwartung einher, dass sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene Pläne zur Einführung einer Digitalsteuer eingestellt bzw. bereits erfolgte Maßnahmen rückgängig gemacht werden. Von Seiten der EU-Kommission war bereits am 12.07.2021 zu vernehmen, dass Pläne zur Einführung einer EU-Digitalabgabe derzeit nicht weiterverfolgt werden.

Mindestbesteuerung – Pillar 2

Die zweite Säule sieht die Einführung einer weltweiten Mindestbesteuerung vor. Dabei besteht zwischenzeitlich weitgehend Konsens, dass von einem Mindeststeuersatz von mindestens 15 % ausgegangen wird, der sich auf die Effektivbesteuerung bezieht. Dem Vernehmen nach soll bei der Prüfung, ob eine Niedrigbesteuerung vorliegt, jeweils der einzelne Staat betrachtet werden („jurisdiction wide blending“). Ein konzernweiter Ausgleich von niedrigbesteuerten mit höher besteuerten Gewinnen im Konzern und damit eine Vermeidung der Anwendung von Pillar 2, konkret von GloBE (s. nachfolgend), wäre damit nicht möglich.

Konkret ist Pillar 2 in folgende Blöcke unterteilt:
  • „Global Anti-Base Erosion Rules“ (GloBE) bestehen aus zwei ineinandergreifenden nationalen Vorgaben
    • „Income Inclusion Rule“ (IIR), wonach im Quellenstaat niedrig oder nicht besteuertes Einkommen einer ausländischen Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft beim Stammhaus bzw. bei der Muttergesellschaft der Besteuerung unterliegt und somit die Steuerlast auf das Belastungsniveau im Ansässigkeitsstaat des Stammhauses bzw. der Muttergesellschaft hochgeschleust wird,
    • „Undertaxed Payment Rule“ (UTPR), wonach Zahlungen an verbundene Unternehmen, deren Einkommen niedrig oder nicht besteuert werden und nicht unter eine IIR fallen, vom Betriebsausgabenabzug ausgenommen sind oder andere Maßnahmen ergriffen werden.
  • „Subject To Tax Rule“ (STTR) ermöglichen es dem Quellenstaat, Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland mit einer Steuerlast unterhalb des Mindeststeuersatzes einer begrenzten Quellenbesteuerung zu unterwerfen. Diese Steuer soll unter den GloBE-Regeln anrechenbar sein.
Für die Anwendung von GloBE wurden u. a. folgende Eckpunkte beschlossen:
  • GloBE sollen für multinationale Konzerne mit einem jährlichen Konzernumsatz von mindestens 750 Mio. Euro gelten. Die Staaten sollen jedoch IIR auf multinationale Konzerne mit Hauptsitz in ihrem Staatsgebiet ungeachtet einer Umsatzgrenze anwenden können. Ausgenommen vom Anwendungsbereich von GloBE sind u. a. internationale Organisationen, Non-Profit-Organisationen, Pensionsfonds und Investmentfonds.
  • Für die Anwendung von GloBE wird eine gemeinsame Definition der erfassten Steuern und eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für erforderlich gehalten.
  • Ein Hochschleusen der Steuerlast soll dann nicht erfolgen, wenn Gewinne innerhalb von drei oder vier Jahren ausgeschüttet werden und dann einer höheren kumulierten Steuerbelastung als der Mindestbesteuerung unterliegen.
  • Von GloBE ausgenommen werden sollen Einkommensbestandteile in Höhe von mindestens 5 % (nach fünf Jahren ansteigend auf mindestens 7,5 %) des Buchwerts der Sachanlagen und der Lohnsumme („Carve-outs“).
  • Es soll geprüft werden, unter welchen Bedingungen die bestehenden US-GILTI-Regelungen neben den GloBE weiter bestehen können.

Für die Anwendung der STTR ist ein Mindeststeuersatz von 7,5 % bis 9 % vorgesehen. Demnach würde eine Quellensteuer nach STTR in Höhe der Differenz zwischen dem vorgegebenen Mindeststeuersatz und dem tatsächlich erhobenen Steuersatz auf die Zahlung anfallen.

Umsetzung

Die Regelungen zu „Amount A“ in „Pillar 1“ sollen mittels eines multilateralen Instruments (MLI) umgesetzt werden, so dass keine Übernahme der Regelungen in die jeweils bilateral vereinbarten Doppelbesteuerungsabkommen erforderlich sein soll. Ein solches MLI soll in 2022 von allen sich beteiligenden Staaten unterzeichnet werden, so dass die Regelungen in 2023 in Kraft treten könnten. „Pillar 2“ soll nach den Plänen des „Inclusive Framework on BEPS” bereits 2023 angewendet werden.
Diese zeitlichen Pläne sind als sehr ambitioniert anzusehen. Da jedoch bislang der selbst gesetzte Zeitplan der OECD eingehalten wurde und auch bis hierher große Hindernisse, insb. der zwischenzeitliche Widerstand der USA, überwunden werden konnten, scheint die Umsetzung der Pläne nicht unmöglich.

Unternehmen ist anzuraten, sich zu den Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Dabei dürften nicht nur große Konzerne betroffen sein. Auch auf mittelständische Unternehmen werden die neuen Regelungen ausstrahlen. Denn insb. die Vorgaben zu „Pillar 2“ dürften zu Änderungen im Hinblick auf Einkünfte aus Niedrigsteuerstaaten führen.


 

Autorenprofil
Dr. Henrik Sundheimer

Dr. Hendrik Sundheimer, LL.M., ist Steuerberater und Partner bei Ebner Stolz in Bonn. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Strukturierungs- und Gestaltungsberatung, der steuerlichen Transaktionsberatung und der Unternehmensnachfolge. Ein besonderer Schwerpunkt liegt im internationalen Steuerrecht. Seit 2019 ist er Lehrbeauftragter für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Siegen.

Autorenprofil
Dr. Daniel Zöller

Dr. Daniel Zöller ist Steuerberater und Partner bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen insbesondere im internationalen Steuerrecht. Daneben berät er bei Umstrukturierungen mittelständischer Unternehmen und begleitet anspruchsvolle Betriebsprüfungen. Weitere Themenschwerpunkte liegen im Bereich der Quellensteuern, des Außensteuerrechts, der Wegzugsbesteuerung und der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten. Darüber hinaus ist der Autor zahlreicher Fachpublikationen sowie Mitglied im Aus­schuss für steu­er­li­che Markt­ent­wick­lung bei RSM Ebner Stolz und im Center of Com­pe­tence In­ter­na­tio­na­les Steu­er­recht.

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