Wirtschaftsprognosen: Lieferengpässe gehen weiter

Der Materialmangel in der deutschen Industrie hat sich im Dezember nochmals verschärft. Mehr als 80% der Firmen in Deutschland klagten nach Erhebung des Münchener ifo-Instituts über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Mit dieser unerfreulichen Nachricht beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.

Nach ifo-Angaben der aktuelle Stand bei den Lieferengpässen ein neuer Rekordwert. Im November lag der Wert noch bei 74,4%. „Die Situation in der Industrie ist paradox. „Die Auftragsbücher sind voll. Der Materialmangel erlaubt es den Unternehmen aber nicht, ihre Produktion entsprechend hochzufahren“, sagt der Leiter der ifo Umfragen, Klaus Wohlrabe. In nahezu allen Branchen sei die Anzahl der Unternehmen mit Beschaffungsproblemen gestiegen. Besonders betroffen sind die laut ifo-Institut die Hersteller von elektrischen Ausrüstungen mit einem Anteil von 94%, gefolgt von der Automobilindustrie mit 93% und dem Maschinenbau mit 91%. Aufgrund der schwierigen Lage auf der Beschaffungsseite seien Preiserhöhungen weiter zu erwarten.

Auftragsbestand steigt weiter

Der Materialmangel führt in der deutschen Wirtschaft auch zu einem Wachstum im Auftragsbestand. Der reale Auftragsbestand im Verarbeitenden Gewerbe war nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Oktober 2021 0,8 % höher als im Vormonat. Dieser Wert sei damit seit Juni 2020 stetig gestiegen und erreichte im Oktober 2021 seinen höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Januar 2015. Auch die Reichweite des Auftragsbestands habe sich weiter erhöht. Sie betrug im Oktober 2021 im Verarbeitenden Gewerbe 7,5 Monate und hat damit ebenfalls einen neuen Höchststand seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2015 erreicht.

Bankenbranche mit Renditewende

Die siebte Analyse zur Entwicklung der deutschen Kreditwirtschaft von Bain & Company Germany hat ergeben, dass sinkende Kosten und stabile Erträge die Banken im Pandemiejahr 2020 vor roten Zahlen bewahrt haben. So habe die Eigenkapitalrendite mit 1,1% erstmals seit vielen Jahren wieder leicht über dem Niveau des Vorjahres gelegen. Aber trotz dieses Anstieges zeige eine Detailanalyse der einzelnen Institutsgruppen eine gegenläufige Entwicklung. In der Einzelbetrachtung sei die Profitabilität nahezu aller Institutsgruppen aufgrund der höheren Kreditrisikovorsorge gesunken. Für die kommenden Jahre zeigen sich die Experten von Bain & Company aber optimistischer: Deutschlands Banken sollten ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren davon profitieren, dass sich ihre Risikokosten normalisieren. Hinzu kämen steigende Zinsen. Allein dadurch könnte sich die Eigenkapitalrendite branchenweit um 3 bis 4 Prozentpunkte erhöhen. „Die Banken sind in der Pandemie für viele Privat- und Geschäftskunden ein Partner in der Not und haben Vertrauen zurückgewonnen. Zugleich haben die branchenweiten Anstrengungen in puncto Neuausrichtung und Kostenreduzierung zu einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage der Kreditinstitute geführt“, erklärt Walter Sinn, Bain-Deutschlandchef und Co-Autor der Studie. Die Zahl der Filialen sei 2020 um weitere gut zehn Prozent auf insgesamt 20.300 gesunken. Dies führe zu einer weiteren Kostensenkung.

Kredit-Neugeschäft sinkt weiter

Im dritten Quartal 2021 sank das Kreditneugeschäft mit deutschen Unternehmen und Selbstständigen im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 %. Das ist das Ergebnis des KfW-Kreditmarktausblick für den Monat Dezember 2021. Bei kaum veränderter Angebotspolitik der Finanzinstitute sei die Kreditnachfrage insgesamt weit unterdurchschnittlich. Vergleichsweise gut lief es hingegen bei der Vergabe von langfristigen Finanzierungen, die aufgrund des sehr niedrigen Zinsniveaus besonders attraktiv waren. Die KfW-Experten erwarten allerdings für das Schlussquartal, dass das Unternehmenskreditgeschäft im Vergleich zum Vorjahr wieder etwas wächst. Darüber hinaus dürfte aber auch der externe Finanzierungsbedarf der Unternehmen etwas stärker zunehmen. Ursache seien die hartnäckigen Lieferengpässe mit einem einhergehenden Preisanstieg. Damit steige auch der damit verbundene Mittelbedarf.

Importpreise steigen

Die Importpreise waren im November 2021 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) um 24,7 % höher als im November 2020. Eine höhere Vorjahresveränderung habe es zuletzt im Oktober 1974 im Rahmen der ersten Ölpreiskrise gegeben mit einem Zuwachs von 28,8 %. Die Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr im Oktober 2021 habe bei +21,7 % gelegen, im September 2021 bei +17,7 %. Gegenüber dem Vormonat Oktober 2021 stiegen die Importpreise im November 2021 um 3,0 %.

Weniger Insolvenzen als erwartet

„Laut unseren Schätzungen hätten die voraussichtlichen Forderungen aus beantragten Insolvenzverfahren auf 60 bis 100 Mrd. Euro steigen müssen, wenn man historische Zusammenhänge zwischen Konjunktur und Insolvenzgeschehen fortschreibt. Tatsächlich sind sie im Jahr 2020 nur auf 48 Mrd. Euro gestiegen, von 34 Mrd. Euro im Jahr 2019“, sagt Dr. Timo Wollmershäuser, Leiter der Prognosen am Münchener ifo Institut. Zu diesem Anstieg sei es allerdings nur durch die Insolvenz der Wirecard AG gekommen, die mit knapp 13 Mrd. Euro zu Buche schlug. Diese Insolvenz sei keine unmittelbare Folge der Coronakrise und des damit einhergehenden Konjunktureinbruchs gewesen.

Die Antragspflicht für Insolvenzen war seit 1. März 2020 ausgesetzt wodurch eine Zunahme der Insolvenzen verhindert wurde. Laut ifo-Berechnungen haben die staatlichen Hilfsmaßnahmen das Insolvenzrisiko im Schnitt um knapp 25% gesenkt. Der größte Effekt gehe von den staatlichen Zuschüssen für Unternehmen aus, die im Jahr 2020 im Rahmen der Corona-Hilfen im Umfang von über 40 Mrd. Euro ausgezahlt wurden. Durch das Kurzarbeitergeld und einen stärkeren Rückgang der geringfügig Beschäftigten hätten Unternehmen außerdem weniger Personalkosten gehabt.

 

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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