Kreditverträge – was tun, wenn Covenants „gerissen“ werden?

Unternehmen sind gut beraten, die vertraglich vereinbarten Verpflichtungen genau zu kennen und zu überwachen

Foto: ©Miha Creative_AdobeStock

Die allgemeine Marktlage wird auch in diesem Jahr für viele Unternehmen herausfordernd bleiben. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die eigenen Verpflichtungen in den Kreditverträgen genau zu kennen und zu überwachen. Dieser Beitrag erläutert, wie man vorgehen sollte, wenn Finanzkennzahlen („Covenants“) nicht eingehalten werden, beziehungsweise wie man einer drohenden Covenant-Verletzung angemessen entgegentreten sollte.

Das Jahr 2022 sowie bisher auch das Jahr 2023 waren wirtschaftlich durch ein hohes Maß an Unsicherheit geprägt. Nach zwei Jahren Coronapandemie hofften viele Unternehmen auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft und eine Normalisierung des Geschäftsumfelds. Klar war, dass sich die angehäuften Probleme, beispielsweise in den Lieferketten, nicht lösen lassen.

Dennoch zeigten die allgemeinen Erwartungen der Marktteilnehmer ebenso wie die Prognosen der Banken eine Erholung mit einem positiven Wirtschaftswachstum für 2022. Mit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine im Februar des vergangenen Jahres haben sich diese Prognosen jedoch schnell zerschlagen.

Viele Unternehmen spürten die volle Wucht der steigenden Energie- und Rohstoffpreise. Zeitgleich führten die andauernden Lieferkettenprobleme wie auch die steigende Inflation zu einem erschwerten Marktumfeld. Die daraus resultierende verringerte Profitabilität spiegelte sich in den unterjährigen Monats- und Quartalsberichten wider und kann in einer negativen Entwicklung des EBITDA, also des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gemessen werden. Anstelle der erwarteten Erholung ist schließlich eine Zuspitzung der Marktlage eingetreten. Die national und international gestiegenen Produktionskosten, insbesondere durch die höheren Energiekosten in Verbindung mit gestiegenen Finanzierungskosten und der inflationsgetriebenen verringerten Kaufkraft der Konsumenten, werden sich auch im aktuellen Jahr weiter fortsetzen und vielen Unternehmen die Realisierung der häufig ambitionierten Wachstumsziele erschweren.

Hohes Risiko der Nichteinhaltung von Finanzkennzahlen

Doch welche Gefahren drohen den Unternehmen mit Blick auf bestehende Finanzierungsverträge? Bei einem starken Abschmelzen der operativen Ertragskraft aufgrund von sinkenden Umsätzen und/oder deutlich steigenden Herstellungskosten besteht schnell die Gefahr, vertraglich vereinbarte Finanzkennzahlen, sogenannte Covenants, aus bestehenden Kreditverträgen nicht einzuhalten.

Viele dieser Finanzkennzahlen stehen in Relation zum EBITDA. Aktuell konnten viele Unternehmen die in den Kreditverträgen vereinbarten Bedingungen noch einhalten, sodass eine große Welle an notwendigen Vertrags- anpassungen aufgrund von Covenant – Verletzungen zunächst ausgeblieben ist. Dies lässt sich vielfach relativ einfach erklären. Bei der Berechnung des Nettoverschuldungsgrads wird die zum Stichtag bilanzierte Finanzverschuldung abzüglich der liquiden Mittel in Relation zum kumulierten EBITDA der letzten zwölf Monate (LTM) gesetzt.

Bei der Berechnung des Verschuldungsgrads, beispielsweise zum 31. Dezember 2022 oder zum 31. März 2023, enthält das EBITDA häufig noch höhere Erträge von Anfang 2022. Das bedeutet, dass im ersten Quartal 2023 erstmalig das häufig noch ertragreiche erste Quartal 2022 aus der LTM-EBITDA-Betrachtung herausfällt und durch die voraussichtlich schwächeren Quartale 4/2022 und 1/2023 ersetzt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass sich bereits ab dem 31. Dezember 2022 Verstöße gegen Covenants vermehrt haben.

Was getan werden kann, um Verstöße zu vermeiden

Generell kann eine Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Finanzkennzahlen bedingen, dass sich beispielsweise die Rückzahlungsbedingungen ändern. In der Regel geht ein Bruch der Vertragsverpflichtungen auch mit einer Erhöhung der Marge einher. Im schlimmsten Fall kann seitens der Bank auch eine Kündigung ausgesprochen werden, die zu einer sofortigen Fälligstellung des Kredits führt. Unternehmen sollten daher rechtzeitig prüfen, ob sie Gefahr laufen, die vereinbarten Finanzkennzahlen nicht einzuhalten, und möglichst frühzeitig das Gespräch mit den Finanzierern suchen, um unerwartete Handlungen seitens der Bank abzuwenden. In der Regel wirkt sich hier ein proaktives Vorgehen positiv auf die Verhandlungen mit den Finanzierern aus.

Grundsätzlich lassen sich Verletzungen von Covenants auf verschiedene Arten heilen, je nach Konstellation des Vertrags und der allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Dies geschieht häufig durch eine Neuverhandlung der bestehenden „Headrooms“ („Covenant Reset“) oder auch durch Pausierungen von vertraglich vereinbarten Kennzahlen („Covenant Holiday“). Eine Pausierung geht meistens mit einer Aufnahme von weiteren Covenants einher. Dies könnte beispielsweise eine temporäre Mindestliquidität sein.

Fest steht, dass sich die Finanzierer eine entsprechende Anpassung durch einen gestellten Waiver-Antrag auskömmlich bezahlen lassen, um unter anderem den Mehraufwand sowie das erhöhte Risiko abzufedern. Bei der Neuverhandlung der Covenants sollten die neuen Headrooms wie auch eine mögliche Pausierung mit Bedacht verhandelt werden. Es sollte unbedingt vermieden werden, dass der neue Headroom zu „eng“ gesetzt wird und das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder neu verhandeln muss. Dies führt nicht nur zu Unbehagen bei den Finanzierern, sondern bringt auch unnötige Kosten mit sich. Eine realistische und aktualisierte Planung sowie die Verhandlung eines angemessenen Headrooms – aus Sicht beider Parteien – sind hierbei essenziell.

Sollte es trotz aller Vorsicht bereits zu einem Bruch gekommen sein, müssen Unternehmen prüfen, wie sich Cross-Default-Klauseln und Änderungen von Kreditbedingungen generell auf die gesamte Finanzierung auswirken. Schnell geraten auch bilateral vereinbarte Verträge, sprich solche mit anderen Finanzierern, in den Mittelpunkt und können zu einem erheblichen finanziellen Risiko werden.

Es gilt daher:

  • Überwachen Sie Ihre Kreditverträge.
  • Erstellen Sie eine Checkliste mit allen wichtigen Vertragsklauseln.
  • Erstellen Sie ein Finanzmodell, um die Einhaltung der finanziellen Verpflichtungen zu verfolgen und zu prognostizieren.
  • Erstellen Sie einen Schuldenkalender, um die Einhaltung der Verpflichtungen regelmäßig zu planen, bevor es zu Ausfällen kommt.
  • Kommunizieren Sie proaktiv und regelmäßig mit Kreditgebern.
  • Führen Sie Stresstests zur Einhaltung der Auflagen unter verschiedenen Cashflow-Annahmen durch.

FAZIT

Die allgemeine Marktlage wird auch im Jahr 2023 für viele Unternehmen herausfordernd bleiben. Neben den zahlreichen Aufgaben, die diese Zeiten auch für lang etablierte Unternehmen mit sich bringen, sind Unternehmen gut beraten, die vertraglich vereinbarten Verpflichtungen in den Kreditverträgen genau zu kennen und zu überwachen – nur so lassen sich böse Überraschungen vermeiden und die Ausgangslage für die Nachverhandlung mit den Finanzierern verbessern.

 

Der Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2023 erschienen.

Autorenprofil
Thorsten Schneider

Thorsten Schneider ist als Partner und Leiter im Bereich Debt Advisory bei Grant Thornton in Deutschland tätig. Er verfügt über umfassende Expertise in der Unternehmensfinanzierung und deckt Themen wie Akquisitionsfinanzierung, Strukturierung, Unternehmens- und Kreditanalyse sowie Bonitätsermittlung und Rating ab.

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Tom Winter ist als Senior Manager im Bereich Debt Advisory bei Grant Thornton in Deutschland tätig. Er verfügt über umfassende Expertise in der Unternehmensfinanzierung und deckt Themen wie Akquisitionsfinanzierung, Strukturierung, Unternehmens- und Kreditanalyse sowie Bonitätsermittlung und Rating ab.

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Jan Hilper

Jan Hilper ist als Manager im Bereich Debt Advisory bei Grant Thornton in Deutschland tätig. Er verfügt über umfassende Expertise in der Unternehmensfinanzierung und deckt Themen wie Akquisitionsfinanzierung, Strukturierung, Unternehmens- und Kreditanalyse sowie Bonitätsermittlung und Rating ab.

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