Trotz des Krieges in der Ukraine und den weiterhin spürbaren Auswirkungen der weltweiten Coronapandemie auf die deutsche Wirtschaft verbleibt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen immer noch auf einem niedrigen Niveau. Im ersten Halbjahr 2022 wurden nach Angaben der Creditreform Wirtschaftsforschung 7.300 Unternehmensinsolvenzen registriert. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum sind damit die Fallzahlen wieder leicht zurückgegangen. “Trotz über zwei Jahren Corona und der zuletzt massiven Kostenexplosion gibt es keinen Anstieg bei den Insolvenzen. In Teilen der deutschen Unternehmenslandschaft sehen wir jedoch Auswirkungen der Verwerfungen”, berichtet Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Insbesondere bei Großunternehmen gebe es einen Anstieg der Insolvenzmeldungen. Prominente Beispiele im bisherigen Jahresverlauf von 2022 seien die MV-Werften sowie die Modekette Orsay.
Die aktuelle Auswertung der Creditreform stellt zudem eine hohe Zahl von Insolvenzen bei ehemals Selbstständigen fest, die meist ein vereinfachtes Insolvenzverfahren durchlaufen. Für viele Kleinstunternehmer und Freiberufler seien die Rahmenbedingungen in der Coronazeit denkbar schlecht gewesen und in vielen Fällen die Geschäftsmodelle weggebrochen. Die staatlichen Finanzhilfen hätten nur wenig Entlastung gebracht. Entsprechend ist nach den Zahlen der Creditreform gerade im Segment der kleinen Selbstständigen die Zahl der Insolvenzanträge weiter hoch. In den ersten sechs Monaten seien allein rund 10.700 Fälle gezählt worden. Schon im Vorjahr habe man einen ansteigenden Trend beobachten können.
Anstieg im Verarbeitenden Gewerbe
Entgegen dem Gesamttrend verzeichnet die aktuelle Studie von Creditreform einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in den Wirtschaftsbereichen Verarbeitendes Gewerbe (14,9%), Baugewerbe (19,4%) und bei der Rechtsform Unternehmergesellschaft (11,5%). Von der Insolvenz des Arbeitgebers betroffen waren im ersten Halbjahr 2022 insgesamt rund 68.000 Beschäftigte. Die Schäden für die Gläubiger von insolventen Unternehmen belaufen sich auf geschätzt 19,0 Mrd. EUR.
Ausblick eher pessimistisch
Im weiteren Jahresverlauf 2022 wird sich nach Einschätzung der Creditreform der aktuell rückläufige Trend bei den Verbraucherinsolvenzen voraussichtlich fortsetzen. Bei den Unternehmen sei indes eine Trendumkehr zu befürchten: Die konjunkturellen Rahmenbedingungen hätten sich durch den Krieg in der Ukraine und die Inflation deutlich verschlechtert. Das werde nicht ohne Folgen für die Insolvenzentwicklung bleiben.
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Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.