Gute Zeiten für Finanzentscheider sind vorbei

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Die aktuelle politische Lage in der Welt und die Nachwirkungen der Coronapandemie wirken sich auch auf die Finanzierungsmöglichkeiten für mittelständische Unternehmen aus. Die Wintergerst Societät für Unternehmer-Beratung hat in ihrem zweiten Finanzierungsbarometer für mittelständische Unternehmen die Bedingungen auf dem Finanzierungsmarkt analysiert. Dafür wurden 150 Firmenkundenberater aus dem süddeutschen Raum zu ihren Einschätzungen befragt. Ein wesentlicher Faktor sind die gestiegenen Zinsen, denn der durchschnittliche Zinssatz für fünfjährige Darlehen hat sich bereits jetzt um 80% auf einen Wert von 2,65% erhöht – also beinahe verdoppelt. Und ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht in Sicht, so dass sich die Bedingungen für Kreditnehmer weiter verschlechtern dürften. Zwei Drittel der für die Studie befragten Berater gehen auch in den kommenden zwölf Monaten von einem steigenden Niveau der Kreditzinsen aus.

Investitionen werden zurückgefahren

Gleichzeitig zu den Zinsen sei auch mit einer steigenden Margenforderung der Banken zu rechnen, um damit das erhöhte Risiko abzudecken. Rund drei Viertel der Berater gehen davon aus, dass sich die Bonität der Unternehmen im eigenen Portfolio im kommenden Jahr verschlechtern wird. Mehr als ein Drittel haben dies in den vergangenen sechs Monaten bereits beobachtet. Diese schwierigen Rahmenbedingungen wirken sich nach der Einschätzung der Studie auch auf das Investitionsverhalten der Firmen aus, denn höhere Zinsen und eine nachlassende Bonität verändern die Renditeanforderungen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die befragten Berater ein deutlich nachlassendes Interesse bei Investitionsfinanzierungen feststellen. Waren Ende 2021 noch 60% der Firmenkundenberater der Meinung, dass die Nachfrage nach Investitionsfinanzierungen zunimmt, so stürzte der Wert in der aktuellen Befragung auf 28% ab.

Zugang wird schwieriger

Hingegen hat sich die Nachfrage der Unternehmen nach Betriebsmittelfinanzierungen erheblich erhöht. Mehr als die Hälfte der Befragten stellen eine hohe Nachfrage fest – Ende 2021 waren es knappe 10%. Nun noch knapp die Hälfte der Berater beobachten eine hohe verfügbare Liquidität bei ihren Kunden. Insgesamt rechnet die Studie von Wintergerst damit, dass die Bankhäuser bei der Kreditvergabe zurückhaltender werden und damit der Zugang zu Finanzierungen für Mittelständler schwieriger wird.

ESG-Reporting wird wichtiger

Unabhängig von den höheren Finanzierungskosten steigen nach Ansicht der Befragten auch die Anforderungen an das ESG-Reporting. 75% der Berater gehen davon aus, dass sich die Nachhaltigkeitsperformance eines Unternehmens auch auf den Preis einer Finanzierung auswirkt. Sogar 92% rechnen damit, dass Firmen zukünftig deutlich mehr Daten zu diesem Thema bereitstellen müssen, wenn sie sich um eine Finanzierung bemühen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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