„Es muss mehr Qualität in die Aufsichtsräte“

Unternehmeredition: Sie fordern auch mehr Transparenz bei der Wahl des Aufsichtsrates in börsennotierten Unternehmen. Welche Probleme sehen Sie aktuell?

Dr. Weigel: Aktionäre sollten grundsätzlich mehr Informationen darüber bekommen, warum bestimmte Personen zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden und welches Know-how diese mitbringen. Das Aktiengesetz schreibt momentan nur vor, dass in der Einladung drei Angaben zu den Personen gemacht werden müssen: der Name, der Wohnort und der Beruf. Diese erhalten Aktionäre etwa sechs Wochen vor der Hauptversammlung, die sie häufig selbst nicht besuchen können. Sie haben also keine Chance, sich ein entsprechendes Bild von der Person zu machen, müssen aber dennoch ein Votum abgeben.

Unternehmeredition: Was sollte sich ändern?

Dr. Weigel: Warum nicht eine Art Kurz-CV auf der Website des Unternehmens einstellen mit Informationen zu den beruflichen Stationen des Kandidaten? Große Unternehmen machen das bereits, aber auch noch nicht alle DAX-Unternehmen. Eine weitere Möglichkeit wäre ein schriftlicher Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung, in dem der Auswahlprozess und die Gründe für den Wahlvorschlag einer Person beschrieben werden.

Unternehmeredition: Auf welche Resonanz stoßen Sie mit dieser Idee?

Dr. Weigel: Verständnis für dieses Thema besteht durchaus. Gelegentlich wird mit Datenschutzgründen dagegen argumentiert. Vielleicht sollte die Idee zunächst als Soll-Vorstellung in den Corporate-Governance-Kodex aufgenommen werden, bevor daraus eine aktienrechtliche Vorschrift entsteht. Im jüngsten Grünbuch der Europäischen Kommission zu Corporate Governance ist Transparenz bei der Besetzung von Aufsichtsräten auch eindeutig thematisiert. Wir brauchen diese Diskussion, um von der Besetzungskungelei wegzukommen. Es gibt Unternehmen, wo der Vorstand sich „seinen“ Aufsichtsrat aussucht und damit die Funktion des Aufsichtsrates auf den Kopf gestellt wird. Es muss mehr Qualität und Unabhängigkeit in die Aufsichtsräte und mehr Transparenz in den Besetzungsprozess.

Unternehmeredition: Ein Schritt in diese Richtung ist das Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) von 2009, das „wirkliche“ Finanzexperten im Aufsichtsrat von kapitalorientierten Unternehmen fordert. Wie sind Sie mit dessen Umsetzung zufrieden?

Dr. Weigel: 2014 läuft die dafür vorhergesehene Übergangsperiode ab, die Realität in den Aufsichtsräten sieht jedoch oft komplett anders aus – eben weil der Gesetzgeber bislang keine genaue Definition dafür geliefert hat, was denn einen Finanzexperten ausmacht. Es gibt auch keine Instanz, die die Umsetzung kontrolliert. Eigentlich wäre das Aufgabe der Aktionäre. Auch der Aufsichtsrat könnte eine Umsetzung des Gesetzes monitoren, ist mit seiner Besetzung aber offensichtlich meist zufrieden. Man könnte diese Aufgabe auch dem Abschlussprüfer übertragen. Die Regeln des BilMoG gelten übrigens auch für Unternehmen, die z.B. eine Anleihe begeben haben.

Unternehmeredition: Würden Sie soweit mehr staatliche Kontrolle einfordern?

Dr. Weigel: Ich glaube nicht, dass es mehr staatliche Kontrolle braucht. Bei den Kreditinstituten, wo die BaFin jährlich mehrere Dutzend vorgeschlagene Aufsichtsräte wegen mangelnder Qualifikation ablehnt, ist es aufgrund der Systemrelevanz eine andere Situation. Letztlich ist es Aufgabe der Aktionäre, für entsprechende Expertise in den Aufsichtsräten zu sorgen. Dazu sollten sie sich aber auch aktiver als heute in den Prozess einbringen und die Wahlvorschläge in der Hauptversammlung qualitativ hinterfragen. Stattdessen werden die Wahlvorschläge oft mit sozialistischer Mehrheit durchgewunken.

Unternehmeredition: Herr Dr. Weigel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Verena Wenzelis.
wenzelis@goingpublic.de

Autorenprofil

Verena Wenzelis war bis Juli 2016 Redakteurin bei der Unternehmeredition.

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