„Es gab Landesfürsten“

Dr. Thomas Knecht kam vor drei Jahren als Unternehmensberater und Experte für Restrukturierung zum damals kriselnden Logistikunternehmen Hellmann. Seitdem hat er den Konzern zusammen mit dem Geschäftsführenden Gesellschafter Jost Hellmann umgebaut. Im Interview erklärt er, wie er die Strukturen professionalisiert hat und wie die Zukunft ohne ein Familienmitglied im Vorstand aussehen wird.

Wie kann man sich diesen Wechsel von einer alten in eine neue Welt innerhalb des Konzerns vorstellen – welche neue Hierarchie hat sich dadurch ergeben?

Da reden wir über Spezifika eines Familienunternehmens. Das Unternehmen ist vor allem über einzelne Ländergesellschaften gewachsen, ohne einheitliche Strukturen und Prozesse. Es gab also Landesfürsten, die ihr Geschäft vor allem über ihr Verhältnis zu den Shareholdern entwickelt haben. Das entspricht natürlich nicht einem professionellen Management, um international Transparenz und Messbarkeit zu garantieren. Heute haben wir eine Matrixstruktur. Es gibt Zentralbereiche auf der einen Achse mit den Teilkonzernen und sieben sogenannte Lead Countries auf der anderen Achse, unter denen die Ländergesellschaften gebündelt werden.

Ein weiterer Krisenfaktor bis 2016 war das Forderungsmanagement, das sich negativ auf die Bilanz und in der Folge auf das Verhältnis zum Bankenkonsortium ausgewirkt hat. Was haben Sie dort umgestellt?

Das ist, glaube ich, ein Thema für die gesamte Industrie. Wir haben ein hohes Umlaufvermögen, damit ist das Forderungsmanagement ein zentrales Thema. Eine Langfristlösung ist ein sauberer End-to-End-Prozess, sodass es keine Stockfehler gibt. Daneben arbeiten wir auch mit verschiedenen Factoring-Programmen, je nach Art der Forderung oder der Factoring-Quote. In manchen Ländern, die weniger reguliert sind als Deutschland, setzen wir auch das Instrument Trade Finance ein, das die Ware an sich besichert.

Wie hat sich das Verhältnis zum Bankenkonsortium gegenüber 2014/2015 entwickelt?

Wir haben die Finanzierung Anfang des Jahres neu aufgesetzt. Die Partner sind nahezu alle bei uns geblieben. Die Bedingungen haben sich in der Zwischenzeit zu unseren Gunsten verändert, weil wir die Ergebnisse liefern, auch 2018 liegen wir bisher über Plan.

Ein Faktor für die gute Entwicklung ist sicherlich auch die robuste Weltkonjunktur. Inwieweit kann man sich darauf verlassen?

Bei uns zählt die transportierte Menge, unabhängig von der Logistiksparte. Wir gehen stark davon aus, dass sich die Mengenströme in den verschiedenen Regionen positiv entwickeln. Die Interneteinkäufe beispielsweise nehmen stetig zu. Auch im B2B-Bereich wächst die globalisierte Wirtschaft. Davon profitieren wir als Logistikdienstleister.

Ein wachsender Markt zieht neue Teilnehmer an, die davon profitieren wollen. In letzter Zeit sind Online-Plattformen ohne eigene Infrastruktur dazugekommen. Wie nehmen Sie die neue, digitale Konkurrenz wahr?

Wir sehen tatsächlich neue Marktteilnehmer, die sehr stark aus der Kundensicht agieren. Dieses Geschäftsmodell hat allerdings seine Grenzen, beispielweise bei der Seefracht. Die Ladung kann zwar auf einer superdigitalen Plattform gebucht werden, in der Praxis kommt sie aber an Ort XY vielleicht nicht durch den Zoll. Wenn sie dort dann keine Station haben, steckt die Ladung fest. Auch digitale Intermediäre brauchen physische Netzwerke um die Welt.

Die Digitalisierung hält auch sonst Einzug in die Logistikbranche. Neue Softwares versprechen komplexe Prognosen und letztendlich schnellere Lieferungen. Wie gehen Sie mit dem Thema Big Data und Künstliche Intelligenz um?

Die Wertschöpfungskette lässt sich bei uns auf 39 Arbeitsschritte runterbrechen. Bei fast jedem Schritt können Sie ein Digitalprodukt einsetzen. Die Prognose-Software ist sicherlich eine gute Anwendung, absolut.

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