„Es gab Landesfürsten“

Dr. Thomas Knecht kam vor drei Jahren als Unternehmensberater und Experte für Restrukturierung zum damals kriselnden Logistikunternehmen Hellmann. Seitdem hat er den Konzern zusammen mit dem Geschäftsführenden Gesellschafter Jost Hellmann umgebaut. Im Interview erklärt er, wie er die Strukturen professionalisiert hat und wie die Zukunft ohne ein Familienmitglied im Vorstand aussehen wird.

Auf welche Wachstumsmärkte fokussieren Sie sich strategisch?

Da gibt es mehrere. Indien ist sicherlich ein Thema, andere Länder in Asien auch. Grundsätzlich sehen wir überall dort Potenzial, wo die Märkte noch unterentwickelt sind.

Bleiben Deutschland beziehungsweise die EU auch langfristig in einer globalisierten Wirtschaft der Kernmarkt?

Wir sind und bleiben ein Familienunternehmen, wir sind ein deutsches Unternehmen. Beim Landverkehr machen wir drei Viertel des Geschäfts in Deutschland und nahezu 100 Prozent in Zentraleuropa. Von daher bleibt das unser angestammter Markt.

In dieser Rolle als Familienunternehmen haben Sie große Konkurrenten wie die Deutsche Bahn, DHL oder Kühne + Nagel. Wollen Sie Ihre Position als selbsternannter Mittelständler festigen oder irgendwann auch zu den Großen aufschließen?

Die Frage müssten Sie eigentlich den Gesellschaftern stellen. Wir sehen uns weiter als Mittelständler. Aus meiner Sicht bleibt das so. Diesbezüglich gibt es auch ein klares Commitment der beiden Vettern Klaus und Jost Hellmann.

Die beiden Vettern Jost (li.) und Klaus Hellmann: Sie sind nach wie vor die beiden Gesellschafter des milliardenschweren Familienunternehmens.
Die beiden Vettern Jost (li.) und Klaus Hellmann: Sie sind nach wie vor die beiden Gesellschafter des milliardenschweren Familienunternehmens.

In anderen globalisierten Branchen, die stark wachsen, gibt es einen Konsolidierungskurs. Müssen Sie sich nicht irgendwann entscheiden, ob Sie sich eingliedern oder selbst zukaufen?

Das ist sicherlich normal in Branchen, die unter Preisdruck stehen. Wir schauen uns natürlich Kandidaten an und schließen nicht aus, in bestimmten Bereichen zuzukaufen. Die Entwicklung gerade in den vergangenen drei Jahren zeigt uns aber, dass unser Kurs der richtige ist. Wenn Sie mit Ihrer Frage meinen, dass wir in Zukunft keinen Platz mehr in der Branche haben, frage ich zurück: Warum denn nicht?

Vor Kurzem hat der Gesellschafter und Vorstand Jost Hellmann bekannt gegeben, ab nächstem Jahr in den Aufsichtsrat zu wechseln. Gibt es Nachfolgepläne für den Vorstandsposten – mit oder ohne die Gesellschafterfamilie?

Wir werden uns nun Gedanken über die Führungsstruktur machen und personelle Entscheidungen zu gegebener Zeit mitteilen. Wir haben in den vergangenen Jahren ein Executive Board aus erfahrenen Top-Managern geschaffen. Dieses besteht nicht nur aus dem Vorstand, sondern auch aus den Geschäftsführern der Produkte und den Leitern der Zentralfunktionen. Das Board führt gemeinsam das Unternehmen. Was eine mögliche Nachfolge betrifft: Derzeit sind die Kinder der beiden Gesellschafter dafür noch nicht alt genug. Es gibt auch keinen Mechanismus, man wird also nicht per Geburt Vorstandsvorsitzender der Hellmann-Gruppe. Es wurden aber Möglichkeiten geschaffen, wie die Kinder ins Unternehmen eintreten und sich qualifizieren können.


Zur Person

Dr. Thomas Knecht ist seit 2015 Geschäftsführer und seit 2017 Vorstandsvorsitzender der Hellmann Worldwide Logistics SE & Co. KG. Dort ist er unter anderem für die Bereiche Finance, Strategie, IT/Digitalisierung sowie für die drei Produktsparten zuständig. Davor war er Senior Partner und Spezialist für Restrukturierungen bei der Unternehmensberatung Roland Berger, die Hellmann auch beim Sanierungskonzept beraten hat. Seine berufliche Laufbahn begann Knecht als Investmentbanker.

Zum Unternehmen

Die Hellmann Worldwide Logistics SE & Co. KG ist ein global aufgestellter Logistikdienstleister mit über 250 Standorten in 56 Ländern. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Hellmann einen Konzernumsatz von 2,5 Mrd. Euro, der Umsatz der Unternehmensgruppe betrug 3,2 Mrd. Euro. Bis heute gehört das Osnabrücker Familienunternehmen mit den beiden charakteristischen Wildgänsen im Logo den beiden Vettern Jost und Klaus Hellmann. Klaus Hellmann ist bereits Ende 2016 aus der damaligen Geschäftsführung in den neuen Aufsichtsrat gewechselt. Jost Hellmann ist neben Dr. Knecht im Vorstand des Unternehmens, hat aber angekündigt, das Gremium zum Ende 2018 zu verlassen. Seit 2015 durchlief das Unternehmen unter der Leitung von Dr. Knecht nach Verlustjahren eine Phase der Restrukturierung. Statt Ländereinheiten gibt es nun Produktsparten. Ein Executive Board mit sieben Mitgliedern inklusive Vorstand wurde eingeführt und die Gruppe von einer GmbH in eine SE umfirmiert. Seit 2016 schreibt Hellmann wieder schwarze Zahlen.

www.hellmann.net

 

Autorenprofil

Als Redakteur bei der Unternehmeredition leitet Volker Haaß die Online-Aktivitäten sowie die Sonderpublikationen der Plattform. Dazu gehört unter anderem die FuS – Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie.

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