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Die Nadel im Heuhaufen

Die Suche nach einem Unternehmensnachfolger wird immer schwieriger. Mittlerweile finden 40% der Senior-Unternehmer nicht den passenden neuen Chef. Viele Übergaben scheitern an der Finanzierung oder unterschiedlichen Vorstellungen zu Preis und künftiger Strategie. 

Für immer mehr mittelständische Betriebe wird die Ausschau nach einem geeigneten Nachfolger zur sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mittlerweile finden 40%der Senior-Unternehmen nicht den passenden neuen Chef. Das berichten die Industrie- und Handelskammern (IHKs), die jährlich Gespräche mit 20.000 Unternehmern auf Nachfolgersuche und übernahmeinteressierten Existenzgründern führen. Die Crux dabei: Viele Verhandlungen scheitern, weil keine Einigung über die Finanzierung erzielt wird oder weil die Vorstellungen zu Preis, Kurs des Unternehmens oder künftiger Mitwirkung des Seniors zu weit auseinander liegen.

Nachfolgersuche immer schwieriger

Schon die Suche nach einem Verhandlungspartner wird zunehmend schwieriger. Es gibt immer mehr übergabereife Unternehmen und stetig weniger Nachfolgekandidaten. Kamen im Jahr 2010 auf jeden von der IHK beratenen Alt-Inhaber noch 1,6 Nachfolgekandidaten, so ist diese Relation im Jahr 2012 auf nahezu 1 gesunken. Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Bis zum Jahr 2025 wird es sechs Millionen weniger erwerbsfähige Personen geben. Damit schrumpft auch der Kreis potenzieller Nachfolgekandidaten unausweichlich. Aber auch bei den Verhandlungen selbst zeigen sich oft weitere Hürden: 41% der Senior-Unternehmer können von ihrem Lebenswerk emotional nicht loslassen, 44% schätzen den Wert ihres Unternehmens unrealistisch hoch ein. 46% bereiten sich zu spät auf die Nachfolge vor. Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches unterschätzen 42% der Existenzgründer die Anforderungen an eine Betriebsübernahme und gehen von einer Gründung im gemachten Nest aus. Bei 26% reicht die unternehmerische Qualifikation nicht aus.Finanzierung – das größte Hemmnis

Insbesondere bei Existenzgründern kommen Probleme bei der Finanzierung hinzu. 48% der Existenzgründer berichten von Schwierigkeiten, die Übernahme zu finanzieren. Kaum ein Gründer kann eine Unternehmensnachfolge zum überwiegenden Teil aus Eigenmitteln stemmen. Das gilt auch deshalb, weil der Finanzierungsbedarf in der Zeit nach der Übergabe häufig besonders groß ist: Oft müssen Maschinen modernisiert, Warenlager aktualisiert oder Produktionsverfahren umgestellt werden.

Damit geraten auch andere Finanzierungsformen in den Fokus. Erfreulich ist dabei, dass sich der Zugang zum Bankkredit, der nach wie vor klassischen Finanzierungsform, nicht weiter verengt hat. Offenkundig haben Banken, Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken Regulierungsvorhaben wie Basel III weitgehend in ihre Kreditkonditionen zur Nachfolgefinanzierung eingepreist und ihre Gangart zumindest nicht weiter verschärft. Weiter verbessert haben sich den IHK-Experten zufolge die Möglichkeiten, vom Übergeber ein Unternehmerdarlehen zu erhalten. Hier spiegelt sich die gute Performance vieler mittelständischer Unternehmen in den letzten Jahren wider.

Mehr Beteiligungsfinanzierung möglich machen

Mit einem Venture-Capital-Gesetz will die Große Koalition zudem die Beteiligungskapitalfinanzierung erleichtern. Angesichts des künftig schwierigeren Zugangs zu Fremdkapital infolge von Regulierungen der Finanzmärkte (Stichwort: Basel III) wird die Beteiligungsfinanzierung auch von Betriebsübernahmen künftig eine stärkere Rolle spielen müssen. Die derzeitigen Regelungen bieten gerade internationalen Investoren zu wenig Sicherheit. So kann sich ein ausländischer Investor nicht sicher sein, ob seine in Deutschland erzielten Beteiligungsgewinne zusätzlich zum Heimatland auch noch durch den deutschen Fiskus besteuert werden. In der Folge meiden etwa amerikanische Pensionskassen oder Universitäten Investitionen in deutsche Wagniskapitalfonds, deren Engagement auch Unternehmensnachfolgen unterstützt. Notwendig sind ein rechtssicherer gesetzlicher Rahmen für Investoren und bessere steuerliche Verlustverrechnungsmöglichkeiten.Bürokratie abbauen

Auch beim Abbau von Bürokratie hat die Politik einige Hebel in der Hand. So muss beim Betriebsübergang jeder einzelne Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen in Kenntnis gesetzt werden. Sofern eine Arbeitnehmervertretung, z.B. ein Betriebsrat, besteht, sollten entsprechende Informationen zukünftig nur noch an diese erfolgen müssen. Das würde Senior-Unternehmer wie Nachfolger von erheblicher Bürokratie entlasten. Und: Das Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang sollte auf sechs Monate begrenzt werden. Erfolgt die Information über den Betriebsübergang nicht oder ist sie fehlerhaft, so bleibt der Widerspruch derzeit über Jahre hinaus möglich. Dies führt für alle am Betriebsübergang beteiligten Parteien zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit.

Börse „nexxt-change“ kann helfen

Aber vor der Verhandlung steht erst einmal die Kontaktaufnahme. In der bundesweiten Unternehmensbörse „nexxt-change.org“ der IHKs und anderer Partner können Unternehmen und Nachfolger beispielsweise via Internet den ersten Kontakt knüpfen. Sie können aus mehr als 10.000 Inseraten passende Profile auswählen. Das Prinzip funktioniert: Jährlich können über „nexxt-change“ rund 1.000 Unternehmen erfolgreich vermittelt werden, so werden rund 10.000 Arbeitsplätze gesichert. Daher ist es wichtig, dass die Bundesregierung die Börse weiter unterstützen will. Neben solchen Plattformen etablieren sich in den Regionen immer stärker Formate, bei denen Senior-Unternehmer von vertrauenswürdigen Institutionen direkt angesprochen, sensibilisiert und unterstützt werden.

Gelöst werden kann das Problem aber nur, wenn wir wieder mehr Menschen für den „Beruf“ des Unternehmers begeistern können. Denn ohne Know-how und Interesse am Unternehmertum gibt es auch keine qualifizierten Betriebsnachfolger.


Zur Person
Seit 2011 leitet Dr. Alexander Schumann den Bereich „Wirtschaftspolitik, Mittelstand, Innovation“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK). Er übernimmt als Dachorganisation im Auftrag und in Abstimmung mit den IHKs die Interessenvertretung der gewerblichen deutschen Wirtschaft gegenüber den Entscheidern der Bundespolitik und den europäischen Institutionen. www.dihk.de

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