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„Deutschland trägt seinen Teil zur Stabilisierung der Euro-Zone bei”

Im Oktober hat Deutschland so viel exportiert wie noch nie zuvor: 99 Mrd. EUR. Das wird den Vorwurf, der Exportboom gehe zu Lasten der anderen Euro-Länder, nicht schmälern. Was dran ist an der Kritik und wie sich das außenwirtschaftliche Umfeld darstellt, erklärt Dr. Volker Treier.


Herr. Dr. Treier, die deutschen Ausfuhren sind im Oktober um 0,6% im Vergleich zum Vorjahrszeitraum  gestiegen: auf einen Rekordwert von 99 Mrd. EUR. Wie kommt dieser hohe Wert zustande?

Dr. Treier: Die Weltkonjunktur ist wieder angesprungen, auch wenn es sich noch nicht um das Schnurren des Motors handelt, wie wir es von 2010 oder vor der Finanzmarktkrise kennen. Aber weltweit spürt man, dass das Pflänzchen Konjunktur wieder wächst. Zudem ist die deutsche Exportwirtschaft gut aufgestellt. Das eigentlich Neue ist aber, dass die Konjunktur in Europa wieder besser läuft. So gesehen ist klar, dass die 100 Mrd. EUR-Marke, die lange Zeit nicht erreichbar schien, irgendwann durchbrochen wird.

Vor allem letztes Jahr hat die deutsche Wirtschaft die Rezession im Euro-Raum durch Exporte in Nicht-EU-Länder aufgefangen und konnte dadurch den höchsten jemals erzielten Exportwert erreichen. Exporte in Drittländer sind nun wieder rückläufig. Hängt das auch mit der sich wieder bessernden Konjunktur in Europa zusammen?

Es sind vor allem die Importe aus Drittländern, die derzeit deutliche Rückgänge zu verzeichnen haben. Das liegt es vor allem an Preiseffekten. Die schlagen deshalb besonders zu Buche, da Deutschland aus Drittländern vor allem Rohstoffe und Vorprodukte importiert. Hier sind die Preise im Vergleich zum letzten Jahr gesunken. Auch die Exporte liefen in diesem Jahr nicht so gut, wie wir es uns vorgestellt hatten. Preiseffekte spielen auch hier eine Rolle, die Konkurrenz auf den Weltmärkten ist groß.  In den Schwellenländern ist es vor allem die Nachfrage, die sich negativ auf die Exportentwicklung ausgewirkt hat. Hier macht sich das etwas schwächere Wachstum in etlichen dieser Länder bemerkbar.

Welche Ereignisse würden Sie hier herausheben?

Das wichtigste Stichwort ist die zwischenzeitlich angekündigte höhere Zinspolitik der amerikanischen Zentralbank. Das hat dazu geführt, dass in Schwellenländern wie Brasilien und Indien, aber auch in Indonesien und Thailand enorme Kapitalabflüsse stattgefunden haben. Diese Ankündigung hat irritiert und vor allem auch Wachstum zwischenzeitlich verlangsamt.

Welchen Einfluss hatte der diesjährige Shut-Down in den USA?

Er ist eine weitere Ursache dafür, dass sich Exporte in Drittländer rückläufig entwickelt haben. Der Staat spielt in jeder Volkswirtschaft eine wichtige Rolle, auch in den USA. Wenn dieser dann Ausgaben, die er vorher geplant hat, nicht tätigt und auf null setzt, geht das natürlich auch nicht spurlos an der deutschen Außenwirtschaft vorbei. Auch die USA haben einen Staatsanteil am Bruttoinlandsprodukt von fast 40%. Das politische Tauziehen hat die Märkte zudem weltweit verunsichert. Daher ist es gut, dass nunmehr zumindest für die nächsten zwei Jahre eine Einigung gefunden wurde.

Würden Sie sagen, dass sich die Rezension im Euro-Raum nun langsam aber sicher ihrem Ende nähert?

Definitiv, das sehen wir schon seit mehreren Monaten. Auch wenn der Anstiegswinkel nicht der steilste ist. Das sieht man zum Beispiel an der Entwicklung der Exportwirtschaft in Ländern wie Spanien oder Portugal. Auch bei den Haushaltsdefiziten in allen europäischen Peripherieländern  stellt man eine deutliche Stabilisierung fest. Die BIP-Entwicklung in der Eurozone liegt seit dem 2. Quartal 2013 leicht im Plus. Für 2014 erwarten wir ein Wachstum  von 1,5 Prozent in der EU.

Was bedeutet das konkret für den deutschen Außenhandel?

Für unsere Exporte bedeutet das zumindest im Trend wieder einen leichten Zuwachs in diese Länder. Umgekehrt ist es sogar noch besser: Unsere Importe aus diesen Ländern steigen seit geraumer Zeit, auch im Oktober. Deutschland trägt also über die Verringerung des außenwirtschaftlichen Überschusses in europäischen Handel seinen Teil zur Stabilisierung der Krisenstaaten bei. Das hat auch mit der innerdeutschen Konjunktur zu tun: Die Unternehmensinvestitionen kommen langsam an, weshalb wir auch mehr Güter und Zulieferprodukte aus  dem Ausland brauchen. Auch aus sogenannten Krisenstaaten wie Italien.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Diskussion um die vermeintlich zu hohen Exportüberschüsse Deutschlands?

Darauf hätte ich mehrere Antworten. Erstens gibt es in Deutschland für die Exportwirtschaft keine Subventionslandschaft. Künstlich niedrige Zinsen oder eine manipulierte Währung sind nicht vorhanden, und damit keine Dumping-Preise. Zweitens befindet sich der außenwirtschaftliche Überschuss nicht auf neuen Höhen. Zudem kommt diese Kritik, aus Ländern, die selbst große Probleme haben: Frankreich und die USA. Insgesamt hatte Deutschland mit Frankreich und den USA 2012 einen Exportüberschuss von knapp 80 Mrd. EUR. Wenn man diesen Betrag aus dem deutschen außenwirtschaftlichen Überschuss herausrechnet, befindet er sich in einem völlig normalen Rahmen. Man müsste vielmehr umgekehrt die Frage stellen, was Länder eigentlich dagegen tun, so viele Waren zu brauchen und sie nicht selbst herzustellen.

Wird die Rolle Deutschlands in der Diskussion verkannt?

Man sollte sich in Europa durchaus fragen, was wohl passiert wäre, wenn sich Deutschland Mitte der neunziger Jahre entschieden hätte, nicht mehr auf industrielle Produktion, sondern z.B. auf Finanzdienstleistung zu setzen wie Großbritannien. Wo stünde die Euro-Zone dann?  Ich denke, das wäre eine Katastrophe. Deutschland finanziert heute über seine industrielle Produktion Teile der Krisenländer mit.

Spielen bei der Kritik auch politische Motive eine Rolle?

Sicherlich, denn – das muss man zugestehen – von den Krisenländern wird einiges abverlangt. Doch die Denkweise á la „Deutschlands Überschüsse sind unsere Defizite“ ist zu mechanistisch. Dieser Kritik werden wir uns aber stellen. Letztendlich ist es auch gut, dass wir in Europa über so etwas diskutieren können.

Andererseits werden die Vorschläge aber auch immer dreister, beispielsweise die Negativzinsen der EZB. Wo ist denn der Boden des Fasses erreicht und wie lange kann sich Deutschland verteidigen?

Diese Vorschläge gehen wirklich zu weit. Sie verkennen, dass wir die Probleme der Länder nachhaltig  lösen müssen und nicht nur bei ordnungspolitisch fragwürdigen Krisenmaßnahmen bleiben dürfen. Die Frage ist doch, warum Kredite in Krisenländern nicht an die Unternehmen weitergereicht werden. Wenn Banken voll von Staatsanleihen sind, die aus Sicht von Investoren nicht ihr Geld wert sind, dann liegt der Hase im Pfeffer bei den Staaten selbst. Man muss fragen, wie man die Banken Schritt für Schritt von diesen Papieren befreien kann, also eine ähnliche Diskussion wie um die toxischen Papiere nach der Finanzmarktkrise. Da die Konjunktur in den meisten Ländern zumindest den Boden erreicht hat, müssen wir nun weiterhin geduldig bleiben und dürfen nicht mit solchen Vorschlägen wie Negativzinsen eine neue Verunsicherung erzeugen.

Zu den bereits bekannten Sorgenkindern der EU-Zone gesellen sich auch immer neue hinzu, zuletzt Frankreich. Wie beurteilen Sie den momentan immer noch wichtigsten Außenhandelspartner von Deutschland?

Es ist zu hoffen, dass der Leidensdruck der Franzosen schon groß genug ist, so dass sie zu Veränderungen bereit sind. Auch hier wären dringend Strukturreformen z.B. beim Renteneintrittsalter, bei Steuern, aber auch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes notwendig. In Frankreich gibt es viele große Unternehmen, die bislang erfolgreich waren, aber keine typisch mittelständisch geprägte Struktur. Gerade der Mittelstand braucht Reformen, um gedeihen zu können. Das Gute an Frankreich ist, dass die demografische Entwicklung besser ist als in Deutschland, dadurch ist der Druck auf die Rentensysteme nicht ganz so hoch. Auch die Konsumneigung ist relativ hoch –  aber auch die muss finanziert werden. Dazu braucht es Arbeitsplätze und die gibt es nur bei Wettbewerbsfähigkeit.

Wie sieht es mit Italien aus?

Vom Gesamtschuldenstand steht Italien zwar schlechter da als Frankreich, ist aber strukturell im Vorteil. Vor allem in Norditalien ist die Industrielandschaft sehr wettbewerbsfähig. Auch die Neuverschuldung ist gering: Wenn man die Zinsen für die aktuelle Schuldenlast vom Staatshaushalt abzieht, steht Italien fast schon wieder solide da. Hinzu kommt, dass Italiener eine hohe Sparneigung haben, so dass sie einen großen Teil ihrer Staatsschulden selbst tragen können und weniger auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen sind. Italien muss es aber nun schaffen, politisch an einem Strang zu ziehen, um vor allem den Arbeitsmarkt zu reformieren. Auch hier ist Flexibilisierung das Stichwort.

Ein letztes Wort zum Koalitionsvertrag?

Das, was Deutschland mit der Agenda 2010 vorgemacht hat, würde auch Ländern wie Italien und Frankreich helfen. Wir konnten bislang punkten, weil wir als gutes Beispiel in Sachen flexibler Arbeitsmarkt und Sozialleistungen galten. Jetzt bleibt zu hoffen, dass nicht jede Maßnahmen die im Koalitionsvertrag stehen, 1:1 umgesetzt wird, insbesondere die Zugeständnisse im Rentenbereich. Sonst könnten wir diese Vorbildfunktion schnell verlieren und hätten auch auf europapolitischer Ebene einen schwereren Stand.

Hr. Dr. Treier, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Verena Wenzelis.

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