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Viele neue Zutaten

Der Finanzierungsmarkt verändert sich rasant. Neue Akteure und digitale Angebote bieten Kapital fernab des klassischen Kreditgeschäfts. Wie sich die Finanzchefs auf das Innovationstempo einstellen.

Aus dem Klischee wurde binnen weniger Jahre seriöse Realität. Crowdfunding – die Bereitstellung von Kapital im „Schwarm“ – wird längst nicht mehr nur von Startup-Gründern genutzt. Als Anleger treten keineswegs ausschließlich Gutmenschen ohne jede Gewinnerzielungsabsicht auf. Und die Idee ist auch nicht neu.

Sybille Kuntz hatte bereits 1994 den Einfall, bei einem Schwarm von Privatanlegern Kapital für eine Investition einzuwerben. Damals benötigte die Winzerin von der Mosel Geld, um ihr Anbaugebiet zu erweitern – und beschloss, sich nicht an ihre Hausbank wenden. Stattdessen gab sie an einen Kreis von Interessenten Genussscheine aus. Anstelle von Zinsen stellte sie eine Naturaldividende in Form von feinem Riesling in Aussicht.

Mit ihrem neuen Finanzierungsmodell stieß Kuntz auf enormes Interesse. Die Infomappen, die sie für potenzielle Investoren vorbereitet hatte, wollten die meisten nicht einmal sehen. „Die sagten nur, sie fänden die Idee super, und fragten, wie sie ihre Summe zeichnen könnten“, berichtet Kuntz. Das Telefon habe gar nicht mehr aufgehört zu klingeln. Manche Anleger, die 1994 eingestiegen sind, halten dem Weingut bis heute die Treue – und investieren immer wieder.

Nachhaltige Skepsis gegenüber den Banken

Die Erfahrungen aus der Zeit der Finanzkrise haben viele Mittelständler dazu gebracht, sich von Kreditinstituten unabhängiger zu machen. Frei nach dem Motto Das geht auch anders leihen sie sich untereinander Geld, gründen eigene Banken und bedienen sich heute einer Palette moderner Finanzierungsinstrumente. Das ist kaum erstaunlich. Denn der Generationenwechsel, die Auseinandersetzung mit einer fortschreitenden Digitalisierung sowie mit der Industrie 4.0 bringen auch ein Umdenken in Sachen Finanzierung mit sich. Oder anders ausgedrückt: Wer künftig smart investiert, finanziert auch smart.


Die Basel-Abkommen

Die Basel-Abkommen sollen für eine höhere Stabilität des Finanzsektors sorgen. Als zentraler Baustein dienen die Anforderungen an die Eigenkapitalquote der Banken. Basel I verpflichtete 1988 die Institute dazu, eine Eigenkapitalquote in Höhe von acht Prozent ihrer gesamten risikogewichteten Aktiva zu halten. Das zweite Baseler Abkommen wurde 2004 veröffentlicht. Die Regeln müssen seit 2007 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingehalten werden. Seitdem gilt: Je schwächer das Rating eines Unternehmens, desto höher muss der Prozentsatz an Eigenkapital sein, mit dem die Bank die Finanzierung hinterlegt. Basel III muss seit 2014 umgesetzt werden. Demnach müssen Banken noch mehr Eigenkapital vorhalten: Die Kernkapitalquote, die bei der Vergabe von Krediten die wichtigste Rolle spielt, musste bis 2015 schrittweise von vier auf sechs Prozent erhöht werden. Dies führt dazu, dass Kredite trotz der dauerhaften Niedrigzinsphase an Unternehmen mit schwacher Bonität noch seltener vergeben werden als vor Basel III.


„Die Situation ist schon etwas paradox“, sagt Dirk Elsner, Senior Manager Innovation und Digitalisierung bei der DZ Bank. „2009 suchten Mittelständler händeringend nach Krediten, bekamen aber kaum Fremdkapital.“ Und heute, da die Europäische Zentralbank (EZB) Investitionen gezielt mit billigem Geld fördern möchte, verzichten viele mittelständische Firmen darauf. Einen wesentlichen Grund dafür, dass ein Gutteil der Liquidität, die Banken zur Verfügung stellen können, nicht abgerufen wird, sieht Elsner in den Erfahrungen, die Unternehmer 2009 gemacht haben. „Damals mussten Firmenlenker und Finanzchefs erleben, dass nicht mal die lang vertraute Hausbank einen Kredit prolongierte“, erinnert sich Elsner. Diese Enttäuschung wirke nach.

Der Finanzierungsmarkt verändert sich rasant. Neue Akteure und digitale Angebote bieten Kapital fernab des klassischen Kreditgeschäfts. Wie sich die Finanzchefs auf das Innovationstempo einstellen.

„Als die Unternehmen sich von der Krise erholt hatten, haben sie intensiv darüber nachgedacht, wie sie sich von der Kreditvergabe durch die Banken unabhängiger machen könnten“, analysiert Elsner. Zudem warf Basel III seine Schatten voraus, was Mittelständler zusätzlich veranlasste, sich über alternative Finanzierungsformen Gedanken zu machen. Da mittelständische Unternehmen früh erkannten, dass dies zu einer Einschränkung der Kreditvergabe führen könnte, gingen sie verstärkt dazu über, sich so weit als möglich bankenunabhängig zu finanzieren. Mit Erfolg, wie die aktuelle Analyse „Ertragslage und Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen im Jahr 2016“ bestätigt. Dafür hat die Deutsche Bundesbank rund 25.000 Jahresabschlüsse untersucht.

© creditshelf GmbH

Die Daten zur aggregierten Bilanzentwicklung zeigen zwar einen Anstieg der Fremdmittel von 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig ist die Finanzierung über Kreditinstitute aber seit Jahren rückläufig. So hat sich der Anteil der Verbindlichkeiten von Unternehmen gegenüber dem Bankensektor von 30 Prozent zu Beginn der 2000er-Jahre auf nur noch rund 20 Prozent im Jahr 2016 verringert.

Demgegenüber ist eine klare Zunahme der Verbindlichkeiten gegen verbundene Unternehmen und aus Lieferungen und Leistungen zu erkennen. Der Analyse der Bundesbank zufolge weiten sich hier vor allem die langfristigen Positionen in fast allen Branchen aus und tragen den größten Beitrag zum Anstieg der Fremdmittel bei.

Trend zu eigenen Banken

Auch diese Veränderung hat ihren Ursprung in der Finanzkrise. „Firmenlenker haben sich in den darauffolgenden Jahren daran gemacht, ihr Forderungsmanagement zu professionalisieren, und handelten vermehrt Lieferantenkredite aus“, erklärt Elsner. In Firmengruppen gewann Cash-Pooling an Bedeutung, bei dem sich verbundene Firmen untereinander Geld leihen.

Doch auch Unternehmer, die rechtlich vollkommen unabhängig voneinander sind, stellen sich mittlerweile gegenseitig Fremdkapital zur Verfügung. Manche gründen sogar eigene Banken. So hob etwa das Einkaufsbüro Deutscher Eisenhändler GmbH (E/D/E) in Wuppertal 2012 mit der Etris Bank sein eigenes Kreditinstitut aus der Taufe. Der Laser- und Werkzeugmaschinenbauer Trumpf GmbH & Co. KG im baden-württembergischen Ditzingen hat 2014 die Trumpf Financial Services GmbH gegründet, die unter anderem die Absatzfinanzierung übernimmt.

Der Finanzierungsmarkt verändert sich rasant. Neue Akteure und digitale Angebote bieten Kapital fernab des klassischen Kreditgeschäfts. Wie sich die Finanzchefs auf das Innovationstempo einstellen

Nun mag die Gründung eigener Banken die Ausnahme und eher größeren Unternehmen vorbehalten sein. Doch auch Mittelständler erkennen die Möglichkeiten, sich weitgehend unabhängig von den klassischen Kreditinstituten zu finanzieren. So zum Beispiel die älteste Berliner Pralinenmanufaktur Sawade. „Wir haben das Unternehmen 2013 aus der Insolvenz heraus gekauft und wollten die Marke neu positionieren“, berichtet Geschäftsführer Benno Hübel. Vor allem sollten Pralinen, die, wie Hübel es nennt, ein „leicht altbackenes Image“ haben, auch einer jungen Klientel schmackhaft gemacht werden. Dafür hätte es aber eines stattlichen Werbebudgets bedurft, das Sawade nicht zur Verfügung stand.

Investoren können Markenbotschafter werden

Deswegen hat sich Hübel dazu entschlossen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und das Kapital über Crowdfunding einzusammeln. Denn wer Kapital von Kleinanlegern braucht, muss sie mit seiner Werbestory überzeugen. Entsprechend präsentierte Hübel die Pralinenmanufaktur auf einer einschlägigen Online-Plattform – sein Vorhaben, das Unternehmen zu einem der deutschen Marktführer zu machen. Potenziellen Investoren bot er gleichzeitig einen stattlichen Zins von acht Prozent. Wer sich die Rendite in Schokolade auszahlen lassen wollte, sollte sogar zwölf Prozent bekommen. Die Laufzeit des Nachrangdarlehens beläuft sich auf vier Jahre.

© KfW Mittelstandspanel 2017

Mit dem süßen Angebot gelang es Sawade, in kurzer Zeit über 1.000 Privatinvestoren zu locken. 1,35 Mio. Euro sammelte Hübner ein – und gewann rund 40.000 Online-User, die größtenteils genau zu der Zielgruppe gehören, die sich Sawade erschließen möchte. „Der Marketingeffekt, den man über die Crowd erzielt, ist für Unternehmen, die Konsumgüter herstellen, extrem positiv“, resümiert Hübel.

Doch die Imagekampagne kostet eben auch Zeit und Geld. Schließlich muss das Unternehmen einen Werbefilm drehen, finanzielle Rahmendaten offenlegen, der Crowd gewünschte Informationen zur Verfügung stellen und regelmäßig mit den Investoren kommunizieren. Das ist viel Aufwand. „Aber wenn man es schafft, einen Schwarm von Anlegern zu überzeugen, dann hat man natürlich sehr viele echte Markenbotschafter“, erklärt Hübel. „Die fühlen sich dann selbst alle ein bisschen wie Schokoproduzenten und verbreiten gute Nachrichten über das Unternehmen“, unterstreicht er.

Crowd-Angebote haben noch Luft nach oben

Dass Schwarmfinanzierungen über Fintechs zahlreiche Vorteile bieten, kommt bei deutschen Unternehmen allmählich an. Allerdings zeigen die Volumina noch reichlich Luft nach oben.

Trotz des bislang geringen Marktanteils gewinnen Schwarmfinanzierungen an Bedeutung. „Das Modell ist bei immer mehr Mittelständlern ein Bestandteil des Finanzierungsmixes“, konstatiert Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Zudem rechnet er mit hohen Wachstumsraten. Immerhin: Dem „Finanzierungsmonitor 2018“, einer gemeinsamen Analyse der TU Darmstadt und der Funding-Plattform Creditshelf, zufolge ist 62 Prozent der über 100 befragten Finanzentscheider aus mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit bekannt, Kredite über den Schwarm aufzunehmen. 78 Prozent können sich vorstellen, Betriebsmittel über Fintechs zu finanzieren. Das Interessante an einer Finanzierung über eine digitale Plattform ist nach Einschätzung der Befragten vor allem die schnellere Kreditentscheidung (56 Prozent), eine Alternative zum Kontokorrentkredit (45 Prozent) sowie die Verbreiterung der Finanzierungsbasis und die Unabhängigkeit von der Hausbank (jeweils 42 Prozent).

Der Finanzierungsmarkt verändert sich rasant. Neue Akteure und digitale Angebote bieten Kapital fernab des klassischen Kreditgeschäfts. Wie sich die Finanzchefs auf das Innovationstempo einstellen

„Wenn man von Crowdfunding spricht, muss man sich aber klar machen, dass dies eine Art Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle ist“, erklärt Professor Schiereck. Während bei der Finanzierung kultureller oder karitativer Projekte über Online-Plattformen meist Spenden eingesammelt oder die Anleger über Belohnungen wie Kinokarten oder CDs kompensiert werden, spielt für mittelständische Unternehmer das sogenannte Crowdlending eine Rolle. Dabei handelt es sich – wie der Name vermuten lässt – um eine Kreditvergabe gegen Zinsen.

Institutionelle Investoren an Bord

„Doch auch zwischen einzelnen Lending-Plattformen bestehen erhebliche Unterschiede“, erklärt Schiereck. So finden sich auf einigen Portalen Privatanleger und Unternehmer zusammen, die gemeinsam Summen im eher vierstelligen Bereich bereitstellen. Bekannte Beispiele dafür sind Auxmoney und Smava, beide bereits seit 2007 in Deutschland am Markt. „Bei anderen Fintechs hingegen hinterlegen mittlerweile auch institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen Kapital“, erklärt Schiereck. Dies ist zum Beispiel bei der Creditshelf der Fall. Die Plattform ist 2015 an den Start gegangen, um zunächst einmal unbesicherte Betriebsmittelkredite mit einer Laufzeit von zwölf Monaten zu vermitteln. „Wir haben gerade hier Bedarf gesehen, da sich Banken aufgrund von Basel III aus unbesicherten Finanzierungen zurückziehen“, sagt Tim Thabe, Mitgründer und Geschäftsführer von Creditshelf. Inzwischen können Mittelständler über die Plattform außer Betriebsmittelkrediten auch Fremdkapital für andere Finanzierungsanlässe und mit Laufzeiten von bis zu fünf Jahren bekommen.

Neben Crowdsourcing und Crowdlending gibt es eine Reihe weiterer Spielarten, ohne institutionellen Mittler Geld einzusammeln. So können etwa Genussrechte oder partiarische Nachrangdarlehen vergeben werden, die zu den sogenannten Mezzanine-Mitteln gehören. Werden diese Instrumente geschickt ausgestaltet, so zählen sie in der Bilanz zum wirtschaftlichen Eigenkapital, die Finanzierungskosten können gleichzeitig steuerlich angerechnet werden.


Was sind Fintechs?

Fintechs bezeichnet eine noch junge Branche, die mithilfe digitaler Technologien Finanzdienstleistungen vereinfachen will. Ein großer Vorteil besteht darin, Dienstleistungen zu jeder Uhrzeit und an jedem Ort abwickeln zu können. Fintechs aus dem Bereich Payment ermöglichen ein einfaches Bezahlen im Internet. Robo-Advisors stellen anhand von Fragen zum Anlageverhalten eines Kunden das passende Portfolio zusammen, Online-Broker übernehmen den Handel mit Wertpapieren. Insurtechs verkaufen Versicherungsverträge. Neue Banking-Apps erlauben Bankgeschäfte per Handy. In der Sparte Capital Markets finden sich Finanzierungsplattformen, auf denen Privatpersonen und Unternehmen online Kredite oder Eigenkapital bekommen. Der Fintech-Markt wächst stark. Ein Grund ist neben den Effizienzvorteilen, dass die Branche nicht so stark reguliert ist wie der Bankensektor.


Natürlich bekommen Unternehmer auch bei Banken oder den mittelständischen Beteiligungsgesellschaften Mezzanine-Kapital. In diesen Fällen liegen die Zinsen aber schnell bei sechs bis zwölf Prozent. Bei einer Finanzierung im Schwarm hingegen fallen zwischen 4,5 und sieben Prozent an. Da Mezzanine-Mittel zudem die Eigenkapitalquote und damit das Rating eines Unternehmens verbessern können, werden zudem leichter zusätzliche Bankkredite möglich – ein Vorteil, wenn das gesamte Finanzierungsvolumen hoch ist.

„Kreditinstitute haben in der Regel auch nichts dagegen, wenn Firmenkunden Crowdsourcing nutzen“, sagt Michael Gebert vom Deutschen Crowdsourcing-Verband e.V. Da sie selbst durch die strengen Kreditvergaberichtlinien, die Basel III vorsieht, bei der Bereitstellung von Fremdkapital eingeschränkt sind, machen sie zuweilen selbst auf diese Möglichkeit aufmerksam. Die Commerzbank hat Mitte 2016 mit Main Funders als erste deutsche Großbank eine eigene Crowdlending-Plattform gestartet.

Privates Kapital im Kommen

Beläuft sich ein Investitionsbedarf auf Summen ab einer zweistelligen Millionenhöhe, feiert nach Angaben der Bundesbank derzeit ein althergebrachtes Finanzierungsinstrument sein Comeback: das Schuldscheindarlehen. Dabei werden hohe Fremdkapitalbeträge ähnlich wie bei einer Anleihe eingesammelt, allerdings nicht über den öffentlichen Kapitalmarkt, sondern im privaten Rahmen. Wem diese Form des Private Debt zu teuer ist, hat seit einiger Zeit auch die Möglichkeit, spezialisierte Investmentfonds an Bord zu holen.

Der Finanzierungsmarkt verändert sich rasant. Neue Akteure und digitale Angebote bieten Kapital fernab des klassischen Kreditgeschäfts. Wie sich die Finanzchefs auf das Innovationstempo einstellen

Private Debt-Fonds stellen im Unterschied zu Private Equity-Häusern  Fremdkapital zur Verfügung. Dafür erhalten sie regelmäßige Zahlungen in Form von Zins und Tilgung, jedoch keinerlei Rechte, sich ins operative Geschäft einzumischen. Kapitalgeber sind in der Regel institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen oder finanzkräftige Family Offices auf der Suche nach guten Anlagezielen. „Da der Markt für Private Debt sehr undurchsichtig ist, lassen sich nur schwer konkrete Zahlen zu seiner Größe nennen“, erklärt Tobias Berg, Associate Professor für Finanzwirtschaft an der Frankfurt School of Finance & Management. Der Ratingagentur Creditreform zufolge sollen in Europa seit 2006 Fonds im Umfang von 56,2 Mrd. Euro platziert worden sein. Laut der Deutschen Beteiligungs AG sind hierzulande derzeit zwischen 40 und 50 Private-Debt-Anbieter unterwegs. Deutlichen Auftrieb hat den Fonds zuletzt die Finanzaufsicht BaFin beschert, die ihnen die Kreditvergabe seit 2015 eindeutig erlaubt und sie damit aus einer rechtlichen Grauzone herausgeholt hat.

© KfW Mittelstandspanel 2017

Für Mittelständler, die wachsen wollen, sind die Vehikel willkommene neue Finanzierungspartner. „Private-Debt-Fonds sind oft eher bereit, höhere Risiken zu übernehmen, als Banken“, vergleicht Berg. Allerdings zählen zu den Investoren häufig Unternehmen der Assekuranz, denen das Versicherungsrecht vorgibt, in welche Kredite sie investieren dürfen. Manche Fonds stellen Fremdkapital daher nur bereit, wenn kapitalsuchende Firmen ein Investmentgrade-Rating vorweisen können. Beispiele für gelungene Private-Debt-Finanzierungen in Deutschland sind etwa die des Herstellers von Industriespezialglas Duran aus dem baden-württembergischen Wertheim oder des Händlers für Motorradzubehör Polo Motorrad mit Sitz in Jüchen, Nordrhein-Westfalen.

 Kreditnebenklauseln können tückisch sein

„Private-Debt-Fonds sind in der Regel allerdings nur an Unternehmen interessiert, deren Kreditbedarf sich auf 10 Mio. bis 100 Mio. Euro beläuft“, betont Finanzprofessor Berg. Auch die Kosten für solche Finanzierungen, die zwischen zwei und fünf Jahren, im Infrastrukturmarkt zuweilen auch schon mal zehn Jahre laufen, sind mit bis zu zehn Prozent nicht gerade niedrig. Dafür läuft der Kreditvergabeprozess oft deutlich schneller und unbürokratischer als bei Banken.

Dennoch sollten sich Firmenchefs und Finanzverantwortliche sehr gut überlegen, ob sie sich einen Private-Debt-Fonds als Finanzierungspartner ins Haus holen wollen. „Zwar sind die Kreditbedingungen selbst meist lockerer als bei einer Aufnahme von Fremdkapital bei einer Bank“, erklärt Berg. Dafür werden aber strengere Covenants, Kreditnebenklauseln also, vereinbart. „Die Frage ist dann, was geschieht, wenn solche Covenants gebrochen werden“, sagt Berg. Erfüllt ein Unternehmen bestimmte Kreditnebenabreden nicht mehr, reagieren klassische Hausbanken darauf in der Regel nicht so hart wie die Fonds. Immerhin würden sie mit einem sehr rigiden Vorgehen riskieren, bei nächster Gelegenheit das Gesamtgeschäft mit dem Unternehmenskunden zu verlieren. „Debt-Fonds zeigen sich eher kompromisslos, wenn es schlecht läuft“, erklärt Berg. Ist in den Kreditvertrag eine Wandlungsoption eingebaut, drohe schlimmstenfalls eine Art „feindliche Übernahme“.

Der Finanzierungsmarkt verändert sich rasant. Neue Akteure und digitale Angebote bieten Kapital fernab des klassischen Kreditgeschäfts. Wie sich die Finanzchefs auf das Innovationstempo einstellen

Cash-Pooling, eigene Banken, das Einsammeln von Geld über Fintechs, Schuldscheine und Kreditfonds – die Welt der Mittelstandsfinanzierung im Jahr 2018 ist bunt und vielfältig. Gleichzeitig aber auch unübersichtlich und schnelllebig. Heute kommt das Geld aus unterschiedlichen Quellen, Laufzeiten werden kürzer, Transparenzanforderungen steigen. Ist sie also wirklich so smart, die neue Welt? Haben traditionelle Mittelständler überhaupt das Know-how, die breite Palette an Angeboten zu nutzen?

Junge Generation probiert neue Instrumente eher aus

„Ich denke schon, dass der Generationenwechsel dazu beiträgt, dass sich Instrumente wie Crowdfunding immer mehr durchsetzen“, sagt Sebastian Serfas, Professor für Accounting und Finance an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management im Hochschulzentrum Nürnberg. Firmennachfolger seien anders als die scheidende Generation mit neuen Technologien schließlich bereits aufgewachsen, hätten daher viel weniger Berührungsängste. „Und wer sich mit Themen wie Digitalisierung und Industrie 4.0 im eigenen Unternehmen beschäftigt, ist auch modernen Finanzierungsformen gegenüber deutlich aufgeschlossener“, sagt Serfas.

Allerdings ist es fraglich, ob sich eine Geschäftsführung allein durch all die neuen Möglichkeiten und Instrumente navigieren kann, ohne dafür eine zusätzliche Stelle zu schaffen. Analog zum Chief Digital Officer, dem  Digitalvorstand in Konzernen also, könnten die Unternehmen einen neuen Verantwortlichen dafür einsetzen, neue Quellen zu finden und sie effizient anzuzapfen. Denn wie bei der Digitalisierung auch geht es nicht um die reine Anwendung bestehender Angebote, sondern vielmehr um innovative Lösungen beziehungsweise eine neue Finanzarchitektur im Unternehmen.

 

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