Viele neue Zutaten

Der Finanzierungsmarkt verändert sich rasant. Neue Akteure und digitale Angebote bieten Kapital fernab des klassischen Kreditgeschäfts. Wie sich die Finanzchefs auf das Innovationstempo einstellen

Nun mag die Gründung eigener Banken die Ausnahme und eher größeren Unternehmen vorbehalten sein. Doch auch Mittelständler erkennen die Möglichkeiten, sich weitgehend unabhängig von den klassischen Kreditinstituten zu finanzieren. So zum Beispiel die älteste Berliner Pralinenmanufaktur Sawade. „Wir haben das Unternehmen 2013 aus der Insolvenz heraus gekauft und wollten die Marke neu positionieren“, berichtet Geschäftsführer Benno Hübel. Vor allem sollten Pralinen, die, wie Hübel es nennt, ein „leicht altbackenes Image“ haben, auch einer jungen Klientel schmackhaft gemacht werden. Dafür hätte es aber eines stattlichen Werbebudgets bedurft, das Sawade nicht zur Verfügung stand.

Investoren können Markenbotschafter werden

Deswegen hat sich Hübel dazu entschlossen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und das Kapital über Crowdfunding einzusammeln. Denn wer Kapital von Kleinanlegern braucht, muss sie mit seiner Werbestory überzeugen. Entsprechend präsentierte Hübel die Pralinenmanufaktur auf einer einschlägigen Online-Plattform – sein Vorhaben, das Unternehmen zu einem der deutschen Marktführer zu machen. Potenziellen Investoren bot er gleichzeitig einen stattlichen Zins von acht Prozent. Wer sich die Rendite in Schokolade auszahlen lassen wollte, sollte sogar zwölf Prozent bekommen. Die Laufzeit des Nachrangdarlehens beläuft sich auf vier Jahre.

© KfW Mittelstandspanel 2017
© KfW Mittelstandspanel 2017

Mit dem süßen Angebot gelang es Sawade, in kurzer Zeit über 1.000 Privatinvestoren zu locken. 1,35 Mio. Euro sammelte Hübner ein – und gewann rund 40.000 Online-User, die größtenteils genau zu der Zielgruppe gehören, die sich Sawade erschließen möchte. „Der Marketingeffekt, den man über die Crowd erzielt, ist für Unternehmen, die Konsumgüter herstellen, extrem positiv“, resümiert Hübel.

Doch die Imagekampagne kostet eben auch Zeit und Geld. Schließlich muss das Unternehmen einen Werbefilm drehen, finanzielle Rahmendaten offenlegen, der Crowd gewünschte Informationen zur Verfügung stellen und regelmäßig mit den Investoren kommunizieren. Das ist viel Aufwand. „Aber wenn man es schafft, einen Schwarm von Anlegern zu überzeugen, dann hat man natürlich sehr viele echte Markenbotschafter“, erklärt Hübel. „Die fühlen sich dann selbst alle ein bisschen wie Schokoproduzenten und verbreiten gute Nachrichten über das Unternehmen“, unterstreicht er.

Crowd-Angebote haben noch Luft nach oben

Dass Schwarmfinanzierungen über Fintechs zahlreiche Vorteile bieten, kommt bei deutschen Unternehmen allmählich an. Allerdings zeigen die Volumina noch reichlich Luft nach oben.

Trotz des bislang geringen Marktanteils gewinnen Schwarmfinanzierungen an Bedeutung. „Das Modell ist bei immer mehr Mittelständlern ein Bestandteil des Finanzierungsmixes“, konstatiert Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Zudem rechnet er mit hohen Wachstumsraten. Immerhin: Dem „Finanzierungsmonitor 2018“, einer gemeinsamen Analyse der TU Darmstadt und der Funding-Plattform Creditshelf, zufolge ist 62 Prozent der über 100 befragten Finanzentscheider aus mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit bekannt, Kredite über den Schwarm aufzunehmen. 78 Prozent können sich vorstellen, Betriebsmittel über Fintechs zu finanzieren. Das Interessante an einer Finanzierung über eine digitale Plattform ist nach Einschätzung der Befragten vor allem die schnellere Kreditentscheidung (56 Prozent), eine Alternative zum Kontokorrentkredit (45 Prozent) sowie die Verbreiterung der Finanzierungsbasis und die Unabhängigkeit von der Hausbank (jeweils 42 Prozent).

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