Ein schwerer Unfall, eine psychische Krise oder eine chronische Erkrankung – es gibt viele Gründe, warum Menschen länger aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Was dabei oft vergessen wird: Solche Situationen können jeden treffen. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen wissen, wie sie Mitarbeitende beim Wiedereinstieg wirksam unterstützen können. Genau hier setzt das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) an – ein oft unterschätztes Instrument, das weit mehr ist als eine gesetzliche Pflicht.
Sobald Beschäftigte länger als sechs Wochen im Jahr ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, ein BEM anzubieten (§ 167 SGB IX). Das Ziel: Arbeitsunfähigkeit überwinden, einer erneuten Erkrankung vorbeugen und den Arbeitsplatz erhalten.
Konkret heißt das: Betroffene müssen schriftlich zum BEM eingeladen, über Ablauf, Datenschutz sowie ihre Rechte informiert und in ihrer Entscheidung zur Teilnahme unterstützt werden. Gemeinsam werden Maßnahmen zur Rückkehr und Weiterbeschäftigung erarbeitet, sowie umgesetzt. Die „Kür“ beginnt danach: Unternehmen, die BEM strukturiert evaluieren, können daraus gesundheitsförderliche Maßnahmen für alle Kolleg*innen und Abteilungen ableiten.
Warum lohnt sich ein gutes BEM?
Ein strukturiertes, wertschätzendes BEM leistet weit mehr als nur das gesetzliche Minimum. Es kann Unternehmen gleich mehrfach stärken:
- Fachkräfte sichern: Ein gelungenes BEM hilft, erfahrene Mitarbeitende im Unternehmen zu halten – ein unschätzbarer Vorteil vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und angesichts des Fachkräftemangels.
- Kosten sparen: Ein professionell umgesetztes BEM reduziert krankheitsbedingte Ausfallzeiten und vermeidet kostenintensive Neubesetzungen. Recruiting, Onboarding und Einarbeitung entfallen, wenn erfahrene Mitarbeitende gehalten werden können.
- Betriebsklima stärken: Wer signalisiert, dass gesundheitliche Herausforderungen kein Tabu sind und dass sich das Unternehmen für die Stärkung des oder der Einzelnen eingesetzt wird, schafft Vertrauen und fördert eine Kultur der Fürsorge.
- Wettbewerbsfähigkeit erhöhen: Für viele Arbeitnehmende sind gesundheitsfördernde Angebote ein echtes Plus. Unternehmen, die hier gut aufgestellt sind, punkten im „War for Talent”.
- Ressourcen effizient nutzen: In vielen Fällen ist es hilfreich, eine externe BEM-Beratung dazu zu holen. Sie bringen Erfahrung, Methodenkompetenz und Unabhängigkeit mit – und entlasten interne Ressourcen.
Externe Beratung: Unabhängig, erfahren, entlastend
Viele Unternehmen setzen beim BEM auf externe Unterstützung – mit gutem Grund. Externe BEM-Beratende bringen Best-Practice-Wissen aus verschiedenen Branchen mit, begleiten Prozesse neutral und individuell und können die Rückkehr ins Team sensibler moderieren. Dabei behalten sie sowohl die Bedürfnisse der BEM-Nehmenden als auch die Interessen des Unternehmens im Blick. Nicht zuletzt kann ein externes Angebot die Annahmequote unter Mitarbeitenden deutlich erhöhen.
Der Ablauf eines BEM-Verfahrens
Erfahrene Beraterinnen und Berater analysieren die Unternehmensstrukturen und unterstützen Firmen beim Implementieren eines BEM-Prozesses sowie bei der Gestaltung passender Rahmenbedingungen. Ein strukturiertes BEM beginnt immer mit der Einführung eines klaren Verfahrens für die Eingliederung, vom Prozessdesign bis hin zur internen Kommunikation.
In der folgenden Beratung der betroffenen Person werden individuelle Bedürfnisse erfasst, oft unter Einbezug betriebsärztlicher Expertise oder der Schwerbehindertenvertretung. Darauf aufbauend wird ein Maßnahmenplan erstellt, der konkrete Schritte zur Wiedereingliederung definiert. Im Mittelpunkt steht dabei nicht die medizinische Diagnose, sondern die Anpassung der Arbeitsbedingungen und -organisation an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Persönliche Maßnahmen können ebenfalls im BEM besprochen und als Maßnahme mit den Betroffenen vereinbart werden.
Die Begleitung der Eingliederung, zum Beispiel bei der stufenweisen Rückkehr oder bei einer Arbeitsplatzanpassung, stellt sicher, dass die Maßnahmen wirksam greifen. Abschließend wird das Verfahren ausgewertet, um Optimierungspotenziale zu identifizieren und langfristige Lerneffekte für das Unternehmen zu ermöglichen.
Welche Maßnahmen sind denkbar?
Die Maßnahmen im Rahmen eines BEM sind so individuell wie die Menschen, die davon profitieren:
- Stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell
- Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen
- Anpassung oder Umgestaltung des Arbeitsplatzes
- Interne Umsetzung oder berufliche Neuorientierung durch Weiterbildung/Umschulung
- Flexibilisierung der Arbeitszeiten oder mobiles Arbeiten
Schon kleine Veränderungen können große Wirkung zeigen. Entscheidend ist, dass das BEM stets einzelfallbezogen und partizipativ gestaltet wird.
Rückkehr ins Büro: Wie das Team helfen kann
Auch die beste Maßnahme verpufft, wenn das Umfeld nicht mitzieht. Deshalb ist die Rolle des Teams entscheidend. Verständnis, Geduld und offene Kommunikation helfen, den Wiedereinstieg nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional gut zu gestalten. Ideal ist es, wenn – mit Zustimmung der betroffenen Person – das Team frühzeitig einbezogen wird, zum Beispiel durch eine externe Moderation. BEM-Beraterinnen und -Berater können hierbei ebenfalls unterstützen.
Gesundheit kein Tabu – wenn alle Beteiligten mitziehen
Doch wie offen darf über gesundheitliche Themen am Arbeitsplatz gesprochen werden? Die Antwort: Nur so weit, wie die betroffene Person es zulässt. Sie bestimmt das Verfahren – entscheidet über Teilnahme, Inhalte und den Verlauf des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Wenn Offenheit gewünscht ist, kann sie viel bewirken: Sie erleichtert den Austausch im Team, fördert Verständnis und eröffnet neue Lösungen für eine gesunde Rückkehr.
Fazit: BEM ist mehr als Pflicht – es ist Haltung
Trotz gesetzlicher Vorgaben ist das BEM längst nicht flächendeckend etabliert. Dabei bietet ein gutes Eingliederungsmanagement gerade jetzt echte Chancen. Denn psychische Belastungen, hybrider Arbeitsmodelle und digitale Transformation nehmen stetig zu. Wer frühzeitig auf individuelle Unterstützung, gesundheitsförderliche Arbeitsplatzgestaltung und externe Expertise setzt, zeigt nicht nur Fürsorge – sondern sichert auch die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens.





