Warten auf den Tag E

Ersetzt die Elektromobilität den Verbrennungsmotor? Und wenn ja, wann? Diese Fragen stellen sich landauf, landab vor allem kleinere Zulieferbetriebe. Wie die Mittelständler mit den Szenarien umgehen können und welche neuen Optionen sich eröffnen.

Tobias Ramminger von der Schaeffler AG mit einem Getriebesystem: Welche Bauteile werden in Elektroautos noch gebraucht?
Tobias Ramminger von der Schaeffler AG mit einem Getriebesystem: Welche Bauteile werden in Elektroautos noch gebraucht? ©-EUROFORUM-Deutschland – Foto Vogt GmbH.

Ob neben den großen Zulieferbetrieben wie eben Bosch auch die mittelständischen Tier-zwei- oder Tier-drei-Lieferanten von den Autokonzernen auf diesem Weg dauerhaft mitgenommen werden, steht jedoch zu bezweifeln. Problematisch ist die Tatsache, dass sich viele Zulieferer darauf spezialisiert haben, einzelne Module, Systeme, Komponenten oder Bauteile zu produzieren. Viele davon werden für den Antrieb von Elektrofahrzeugen aber gar nicht mehr benötigt. So haben etwa die Forscher des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen 42 größere Bauteile und Module identifiziert, die in der Welt der E-Mobilität überflüssig werden. Bislang stammen dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zufolge etwa zwei Drittel der Technik in einem Fahrzeug von Zulieferern. Da sich der Bedarf an ihren Produkten künftig reduzieren werde, müssten vier von fünf Zulieferbetrieben in den kommenden Jahren mit Markteinbrüchen von bis zu einem Drittel rechnen, heißt es in einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte. Eine andere aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, die im Auftrag mehrerer OEMs und Tier-eins-Zulieferer erstellt wurde, kalkuliert, dass bis 2030 rund 75.000 Stellen in der Antriebstechnik wegfallen werden – und dabei sind bereits neue Arbeitsplätze durch den E-Antrieb mit eingerechnet.

Da wirkt die Einschätzung von Hartmut Rauen als stellvertretendem Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fast stoisch: „Wir sehen unsere Industrie für den Wandel gut positioniert.“ Sein Verband verweist in einer anderen selbst initiierten Studie darauf, dass parallele Technologien einen möglichen Schock durch die E-Mobilität abfedern werden. Doch diese Analyse beruht in erster Linie auf einer optimistischen Prognose, die von einem kontinuierlich graduellen Übergang ausgeht. Was passiert aber, wenn der Markt schneller kippt?

Wege abseits der Antriebstechnik

Denn gerade bei Batterien, die für die Elektromobilität besonders wichtig sind, könnten deutsche Zulieferer leicht ins Hintertreffen geraten. Schließlich haben hier Hersteller aus Asien, allen voran aus China, die Nase vorn. „Die Bundesregierung nimmt bei ihrer Gesetzgebung immer noch viel Rücksicht auf die traditionelle Autoindustrie“, sagt Juergen Reiner, Partner und Automobilexperte bei Oliver Wyman. China hingegen setze stark auf elektrische Antriebe. „Damit fällt es chinesischen Automobilzulieferern deutlich leichter, sich ganz auf E-Autos zu spezialisieren“, erklärt der Experte.

Die schwierige Lage der deutschen Zulieferer werde dadurch verschärft, dass die Elektromobilität branchenfremde Unternehmen etwa aus dem Chemiesektor, der IT oder der Elektronik anziehe, heißt es in der Analyse von Oliver Wyman. So sind beispielsweise Panasonic und BASF bereits in den Markt für E-Auto-Batterien eingestiegen und positionieren sich als neue Partner der OEMs. Andere erweitern ihr Spektrum und fischen damit in den Gewässern der angestammten Spezialisten. Um mithalten zu können, müssen Tier-zwei- und Tier-drei-Zulieferer diversifizieren und dabei ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilung auf neue Beine stellen, was viel Geld kosten dürfte. „Gerade für kleinere Anbieter mit Umsätzen zwischen 50 Mio. und 250 Mio. Euro ist das schwierig“, erklärt Marc-René Faerber, Managing Partner der Turnaround-Beratung Struktur Management Partner.

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