Vertriebssteuerung in der Krise

„Unsere Gewinnmarge ist zu gering, wir müssen die Kosten senken“. Das waren die Worte einer Führungskraft eines mittelständischen westfälischen Anlagenbauers zu Beginn einer Restrukturierung. Die Ursachenanalyse zeigte schnell die Schwachstellen – insbesondere in der Vertriebssteuerung. Seit zwei Jahren konnte der Vertrieb die Umsatzziele nicht mehr erreichen. Die Gewinnmargen der Aufträge waren um bis zu 54% zurückgegangen, der After-Sales-Umsatz stagnierte bei 12% vom Gesamtumsatz.

Schwachstellen der Vertriebssteuerung
In mehreren Arbeitssitzungen analysierten Management und Vertrieb Planung und Prozesse in der Vertriebssteuerung und identifizierten dabei die folgenden Schwachstellen:

  • Unzureichende Bewertung der Umsatzpotenziale von Zielkunden bzw. -branchen
  • Segmentierung der Bestandskunden nach Umsatzklassen, nicht nach Ertragswert
  • After-Sales-Potenziale wurden nicht ausgeschöpft
  • Zu niedriges Pricing bei Produktinnovationen
  • Mangelhafte Auftragskalkulation
  • Anstieg nicht fakturierter Service-Technikereinsätze in zwei Jahren um ca. 6%


Restrukturierungsansätze

Im Rahmen der Restrukturierung des Vertriebs konzentrierte das Management die Aktivitäten zunächst auf drei Kernthemen:

  • Kundensegmentierung
  • Vertriebsprozessoptimierung
  • Ausbau After-Sales-Geschäft

Gemeinsam mit den 12 Vertriebsmitarbeitern, die einen Umsatz von rund 30 Mio. EUR verantworten, bewertete die Geschäftsführung bestehende potenzielle Kunden bzw. Branchen mit Blick auf die zu realisierenden Umsatzpotenziale. Das Management stellte dabei fest, dass das Unternehmen Branchen bearbeitete, in denen seit mehreren Jahren kein Auftrag mehr gewonnen wurde, die Auftragswahrscheinlichkeiten vom Vertrieb jedoch immer positiv bewertet wurde. Im Rahmen der Analyse fand das mit der Restrukturierung befasste Team auch an anderer Stelle Optimierungsbedarf: So lag der Deckungsbeitrag der Aufträge bei rund 40 A-Kunden deutlich unter dem durchschnittlichen Deckungsbeitrag von B-Kunden. Ursache waren hier unter anderem zu hohe Rabatte, die nicht an Umsatzgrößen geknüpft waren. Vor diesem Hintergrund definierten Management und Vertrieb zunächst die zukünftig werthaltigen Zielkunden und -branchen und entwickelten ein verbindliches Konditionssystem auf dieser Grundlage.

Mit dem Ziel, das Risiko niedriger Deckungsbeiträge auch unter Kalkulationsaspekten zu minimieren, analysierte das Restrukturierungsteam die Auftragskalkulation im Vertriebsprozess und aktualisierte diese auf Basis der gewonnenen Betriebsdaten. Gleichzeitig legte die Vertriebsleitung auf dieser Grundlage fest, welche Aufträge zukünftig abzulehnen sind. Darüber hinaus wurden die E-Commerce-Funktionalitäten mit einem klaren Fokus auf die Serviceorientierung erweitert. Um auch die operative Effizienz zu erhöhen, wurden außerdem Gebiets- und Branchenzuordnungen im Vertrieb neu organisiert.

Fazit:
Der Fall zeigt, dass auch Unternehmen mit marktfähigen und innovativen Produkten in eine Schieflage geraten können, wenn der Vertrieb nicht kunden- und ergebnisorientiert aufgestellt ist. Im Rahmen der Restrukturierung konzentrierte das Management die Ausrichtung des Vertriebs auf werthaltige Kunden und den Aufbau nachhaltiger Kundenbeziehungen. Im weiteren Verlauf konnte das Unternehmen seine Margen- und Liquiditätssituation wieder deutlich verbessern.



Zur Person:
Manfred Guder
Manfred Guder ist Senior Manager und Prokurist bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er begleitet seit 2006 Unternehmen unterschiedlichster Branchen in Restrukturierungs- und Veränderungsprozessen. BDO zählt zu den führenden Gesellschaften
für Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen, Steuerberatung und wirtschaftsrechtliche Beratung sowie Advisory Services. Mit über 1.900 Mitarbeitern werden an 25 Standorten in Deutschland, national und international agierende Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen betreut. www.bdo.de

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