“Wir sind in einer Ausnahmesituation”

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Seit fast drei Wochen steht Deutschland praktisch still: Geschäfte und Gaststätten haben geschlossen, Hotels stehen leer, Flugzeuge bleiben am Boden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind aktuell noch nicht annähernd abzusehen. Unternehmer müssen schnell neue Lösungen finden und ihren Betrieb stabilisieren. Da sind Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gefragte Ansprechpartner. Unternehmeredition sprach mit Lorenz Muschal, Partner der Großkanzlei Ebner Stolz, über die aktuellen Anforderungen.

Online-Webinare mit mehr als 150 Teilnehmern

„Wir spüren natürlich wie viele andere Kanzleien auch eine deutlich verstärkte Nachfrage. Themen wie Kurzarbeit, Liquiditätssicherung oder Fördermittel stehen ganz weit oben auf der Fragenliste. Wir befinden uns derzeit sicherlich in einer Ausnahmesituation“, erklärt Muschal. Sehr schnell wurden seitens der Kanzlei Online-Angebote für die Kunden entwickelt, um die Kommunikation zu den Themen, die den Unternehmern unter den Nägeln brennen, zu erleichtern. „Bisher hatten wir schon drei Corona-Webinare zu den Themen Steuerecht, Arbeitsrecht und Finanzierungshilfen mit jeweils mehr als 150 Teilnehmern“, sagt Muschal. Dies zeige sehr deutlich, wie groß aktuell der Informationsbedarf ist.

Beratungsaufwand ist sehr hoch

Inhaltlich ging es in den Webinaren nach Schilderung von Muschal weniger um die Darstellung der neuen Rechtslage, sondern eher um Auslegungsfragen und konkrete operative Hinweise: „Der Teufel steckt oft im Detail und viele der neuen Regelungen greifen tief in die Abläufe der Unternehmen ein. Daher ist es wichtig, alle Möglichkeiten für Erleichterungen zu nutzen und gleichzeitig keine kostspieligen Fehler zu machen Die Anforderungen seien je nach Branche sehr unterschiedlich und dies erfordere individuelle Modelle für unternehmerisches Handeln. „Viele Unternehmer sind gerade vor völlig neue Aufgaben gestellt und haben zudem nur sehr wenig Zeit zur Reaktion“, sagt Muschal.

Liquidität hat höchste Priorität

„Wir helfen unseren Mandanten aktuell vor allem bei der Sicherung ihrer Liquidität. Hier sehen wir die höchste Priorität, um den Unternehmen eine langfristige Perspektive zu sichern“, erklärt er weiter. Möglichkeiten seien dabei unter anderem neben der erleichterten Beantragung von Kurzarbeit auch die Verhandlung über längere Zahlungsziele, Stundung von Steuer- oder Mietzahlungen sowie auch unterlassene Gewinnentnahmen. All dies müsse aber im intensiven Gespräch mit dem jeweiligen Geschäftspartner erfolgen und das brauche selbst in der jetzigen angespannten Situation Zeit und Fingerspitzengefühl.

Kredite sind kein Allheilmittel

Seitens der Bundesregierung wurden sehr schnell unterschiedliche Hilfsprogramme für Unternehmen aufgelegt – unter anderen auch vergünstigte KfW-Kredite. „Kredite sind aus meiner Sicht kein Allheilmittel, denn irgendwann müssen sie zurückgezahlt werden. Ein Hotelbett zum Beispiel kann nicht zweimal belegt werden, sodass ein solcher Betrieb Schwierigkeiten mit der Rückzahlung seiner Verpflichtungen haben kann“, sagt Muschal. Trotz der verringerten Risiken für die Banken nach der angekündigten Erhöhung der Haftungsübernahme müssten sich die Institute dennoch damit auseinandersetzen, ob ein Unternehmen überhaupt die Möglichkeiten zur Leistung eines Kapitaldienstes hat.

Gute Vorbereitung ist wichtig

Muschal empfiehlt Unternehmern, die einen KfW-Kredit beantragen möchten, eine intensive Vorbereitung: „Je ausführlicher die eingereichten Unterlagen sind, umso besser sind die Aussichten für eine schnelle Bewilligung.“ Zu empfehlen seien dabei unter anderem neben einem Jahresabschluss 2019 oder zumindest einer BWA für das abgelaufene Jahr auch die Erstellung von zwei Unternehmensplanungs-Varianten. Übermittelt werden sollte neben einer Planung für das Geschäft des Unternehmens ohne die Auswirkungen der Corona-Krise auch eine nunmehr korrigierte Liquiditäts- und Ertragsplanung für das laufende Jahr.

Zeit ist ein kritischer Faktor

Zudem sei darauf hingewiesen, dass sich Unternehmer frühzeitig bei ihrer Hausbank melden sollten, damit dort schon einmal Vorbereitungen getroffen werden können. So hätten die Institute unterschiedliche Anforderungen für Unterlagen, die einzureichen sind. „Am besten fragen Sie vorher nach, welche Daten für einen vollständigen Antrag benötigt werden – das spart beiden Seiten viel Zeit“, sagt Muschal.

Und Zeit sei in der aktuellen Situation ein sehr kritischer Faktor: „Die Banken haben gerade in ungewöhnlich hohes Nachfrage-Aufkommen und kämpfen selbst mit den Problemen durch Home-Office oder Krankheitsfälle. Zugleich kann es für Unternehmen zu spät sein, wenn die Kredite nicht schnell genug bewilligt werden“, so Muschal weiter.

Der Verlauf der kommenden Woche wird zeigen, ob die verschiedenen Corona-Krisenhilfen für die Unternehmen rechtzeitig ankommen. In der Zeit nach Ostern werden dann auch die ersten Planungen für eine Lockerung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen bekanntgegeben.

 


ZUR PERSON

Lorenz Muschal ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Ebner Stolz am Standort Stuttgart. Seine Schwerpunkte erstrecken sich von auf­sichts­recht­li­cher Bera­tung und Risi­ko­ma­na­ge­ment über Interne Revi­­sion bis hin zur Trans­ak­ti­ons­be­ra­tung und Inha­b­er­kon­troll­ver­fah­ren. Er ist außerdem Mit­g­lied beim IDW-Arbeits­kreis „Finanz­di­enst­leis­tungs­in­sti­tu­te“ sowie CoC „Finan­cial Ser­vices“. www.ebnerstolz.de

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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