„Wir erwarten verstärkt Investitionen aus den USA in Deutschland“

Interview mit Stefan Jaecker, CEO von DC Advisory Germany

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DC Advisory ist ein global aufgestellter Finanzberater mit über 700 Angestellten in Europa, Nordamerika und Asien sowie Spezialisierung auf M&A-, Debt- und Restrukturierungsberatung. Durch diese hohe Internationalität spielen Crossborder-Transaktionen eine große Rolle im Portfolio. Wir haben mit Deutschlandchef Stefan Jaecker über aktuelle Trends und Entwicklungen gesprochen.

Unternehmeredition: Herr Jaecker, wie entwickelt sich der M&A-Markt aktuell?

2021 war bekanntlich ein Rekordjahr, 2022 lief auch noch gut an. Was die weiteren Marktaussichten angeht, so führen steigende Zinsen, Energiepreise und Inflation zu Unsicherheiten. Das kann im M&A-Segment allerdings gut oder schlecht sein, weil hier unterschiedliche Kundengruppen existieren. Zum einen gibt es diejenigen, die hinsichtlich eines Einstiegs vorsichtiger geworden sind, auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die sich genau auf diese Krisenszenarien konzentrieren und die Gunst der Stunde nutzen wollen, um günstige Assets einzukaufen. Da liegt auch die Problematik: Die Divergenz zwischen der Erwartungshaltung der Verkäufer, die noch die Preise von 2021 vor Augen haben, und den aktuellen Marktpreisen ist etwas größer geworden, sodass sich diese Transaktionen oft mehr Aufwand benötigen, um sie zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Der Markt ist immer noch stabil, aber die Projekte selbst dauern länger oder werden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Gibt es Branchenunterschiede?

Im Business Service/Dienstleistungssegment, wo Sie keine große Produkt-Exposure haben, und nicht unmittelbar von den Lieferkettenstörungen betroffen sind, läuft es, je nachdem, wo die Dienstleistung erbracht wird, noch ganz gut. Im produzierenden Gewerbe sind die Schwierigkeiten größer. Healthcare läuft nach wie vor gut. Media-, Kommunikations-, Software- und Techunternehmen laufen auch gut, allerdings ist die Divergenz der Preiserwartung gerade hier sehr hoch, weil die Börsenkurse zuletzt um 35-40% runtergegangen sind.

Wie gehen Sie als Berater mit diesen Problemen um?

Wir als DC sind nicht getrieben, die Deals unbedingt in einem bestimmten Zeitfenster zu realisieren. Wenn der Verkauf nur darauf abzielt, einen maximalen Kaufpreis zu erzielen, dann setzen wir uns mit unseren Kunden zusammen und analysieren gemeinsam, was angesichts der aktuellen Entwicklungen zu erwarten und was über die letzten zehn Jahre gezahlt worden wäre. Wenn es dann für den Kunden ok ist, gut. Ansonsten raten wir ihm, das Projekt zu schließen. Wenn auch noch andere Kriterien eine Rolle spielen, wie beispielsweise Nachfolgethematiken, dann sagen wir, ok, der Preis ist zwar nicht so gut, aber alle anderen Kriterien passen.

Welche Trends sehen Sie bei Unternehmensnachfolgen?

Familieninterne Nachfolgen gehen zurück, was zum Teil mit der Generation zu tun hat. Nicht zuletzt wegen der schwierigen makroökonomischen Rahmenbedingungen schreckt der ein oder andere NextGen vor der unternehmerischen Verantwortung zurück. Der Trend geht deshalb hin zum Drittgeschäftsführer. Hier wiederum wird die Nachfolge oft in Form eines Management-Buy-outs realisiert mit Nachfolgern aus dem eigenen Management und oftmals mit Unterstützung durch Private-Equity-Gesellschaften. Da weiß man, was man hat.

Ansonsten gibt es keine Trendantwort. Wie die Lösung konkret aussieht, hängt ganz davon ab, was der Unternehmer erreichen will. Wenn das Unternehmen an jemanden verkauft werden soll, der die Firma ins Ausland führt, dann kommen Strategen und internationale Private-Equity Investoren in Frage, die schon global aufgestellt sind.

Was tut sich am deutschen M&A-Markt?

Betrachtet man sogenannte Crossborder-Transaktionen, haben wir im ersten Halbjahr einen allgemeinen Rückgang der Börsenkurse gesehen, außerdem haben wir jetzt das Thema Inflation, was natürlich durch die damit verbundenen weiteren Zinssteigerungen weiter auf die Börse drückt, und wir haben eine Parität des Dollarraums mit dem Euroraum. Das ist aus unserer Sicht alles nicht schön, für einen US-amerikanischen Investor, der in US-Dollar zahlt und dazu noch die niedrigen Börsenkurse und die niedrigen Bewertungen der anderen Firmen vor Augen hat, ist das natürlich ein sehr interessantes Investitionsfeld. Wir gehen deshalb davon aus, dass wir verstärkt Investitionen aus dem US-Markt in deutsche Targets sehen, vorausgesetzt, dass deren Risiko einzuschätzen ist und keine großen Supply-Chain-Schwierigkeiten vorliegen. International läuft das Geschäft also noch gut bis sehr gut. Was Deutschland angeht, sind wir zurzeit auch noch gut beschäftigt, zumal wir uns Ende letzten Jahres und im ersten Halbjahr dieses Jahres einige Deals sichern konnten.

Deutschland leidet aber im Unterschied zu anderen Ländern unter einer größeren Unsicherheit, was das Thema Inflation und die Reaktion der EZB darauf angeht. Es kommt deshalb zu einer Verlangsamung, was wiederum zu einer Underperformance und infolgedessen schlechteren Bepreisung der Assets führen kann. Die Situation ist aber bei weitem nicht so schlimm wie während der Finanzkrise 2007/2008, als der Markt vollkommen stillstand. Der M&A-Markt  in Deutschland ist aktiv, nur nicht mehr so aktiv wie 2021.

Muss man sich jetzt etwa Sorgen um einen Ausverkauf deutscher Firmen machen?

Nein, wie heißt es doch so schön: „It always takes two to tango.“ Viele Firmen sind nicht börsengelistet, und eine feindliche Übernahme haben wir in Deutschland − bis auf vielleicht ein bis zwei Ausnahmen − noch nicht gesehen. Außerdem fallen dafür ja andere Player weg, die vorher sehr aktiv auf dem Markt waren, wie zum Beispiel die Chinesen. Die Amerikaner füllen also eher eine Lücke. Sorgen um einen Ausverkauf muss man sich jedenfalls nicht machen.

Rechnen Sie umgekehrt auch mit verstärkten Auslandsaktivitäten deutscher Firmen?

Für deutsche Firmen sind Investitionen beispielsweise in den USA relativ teuer und deshalb vom Zeitpunkt her nicht optimal. Aus diesem Grund rechnen wir nicht mit einem Engagement in dem Maße, wie wir Investitionszuflüsse aus dem Ausland nach Deutschland sehen werden. Aber natürlich kann sich auch in die andere Richtung etwas bewegen, beispielsweise, wenn sich eine Opportunität auftut, die ein akutes Problem, z.B. mit der Supply Chain, löst. Dann kann sich das schon wieder rechnen.

Crossborder-M&A zählt zu Ihren besonderen Schwerpunkten, richtig?

Ja, das ergibt sich aus unserer globalen Aufstellung mit Präsenzen in Nordamerika, Asien und Europa. Wir machen viel Crossborder, aber der Schwerpunkt unserer diesbezüglichen Aktivitäten liegt in Europa.

Es stellt sich dabei natürlich die Frage, wie man die nationale Zugehörigkeit von Deals bestimmt. Unsere Kunden sind zu 65% Private-Equity-Gesellschaften und zu etwa 35% Unternehmer /-innen. Es gibt ja genügend US-amerikanische und angelsächsische Private-Equity-Gesellschaften, die in den letzten 15 Jahren Dependancen in Deutschland aufgemacht haben. Wenn diese in Deutschland kaufen, werten wir das in der Regel als deutsche Transaktionen, eigentlich handelt es sich aber um ausländisches Kapital.

Worin sehen Sie Ihren USP am Markt?

Die Internationalität haben wir festgehalten. Wir sind als Geschäftsführer verantwortlich für die jeweilige GmbH. In Deutschland haben wir ein großes Team mit knapp 40 Mitarbeitern, mit dem wir eine große Anzahl von Deals in hoher Qualität abwickeln können. Wer mal einen Deal mit uns gemacht hat, macht deshalb gerne nochmal einen zweiten. Wir haben nicht nur ein Produkt, sondern mehrere verschiedene und sind damit recht diversifiziert.

Welche Strategie verfolgen Sie für Deutschland?

Wenn es um Deutschland geht, fokussieren wir uns gerade auf drei, vier Themen. Das eine ist tatsächlich das Crossborder-Thema. Mit unseren US-amerikanischen Kollegen versuchen wir gemeinsam geeignete Targets in Deutschland zu identifizieren. Das zweite ist, dass wir mit unseren Bestandskunden über ihre Finanzierung sprechen und ihnen mit Blick auf die Energiekrise unsere Hilfe anbieten. Mit unseren Private-Equity Kunden durchleuchten wir die Portfolien, um in den derzeitigen Marktverhältnissen die besten Lösungen für Kauf und Verkauf zu finden. In diesem Segment ist noch sehr viel „Dry Powder“ vorhanden.

Können Sie uns ein paar erfolgreiche Deals aus der jüngeren Vergangenheit nennen?

Mir fallen natürlich etliche Deals ein. Wir haben in Europa ein sehr erfolgreiches Infrastrukturteam und konnten in Deutschland im letzten Jahr mit unseren Sektorexperten eine Reihe von Deals in der Glasfaserindustrie innerhalb von fünf bis sechs Monaten erfolgreich abschließen. Ein sehr schönes Mandat war der Verkauf von Goetel an Basalt Infrastructure.

Ein anderes Thema ist die Verladung von Containern vom Lkw auf die Bahn. Hier hat die Firma Helrom ein neues, effizientes System entwickelt und wir haben Helrom beim Verkauf von Anteilen via Kapitalerhöhung an die Swiss Life beraten.

Auch haben wir die Eigentümer des Biotech-Unternehmens c-LEcta beim Verkauf ihrer Anteile an die Kerry Group für 140 Mio. EUR beraten. C-LEcta stellt Enzyme und Nahrungsmittelergänzungsstoffe her. Den Weinhändler Pieroth haben wir dabei unterstützt, sein in Japan ansässiges Geschäft an einen japanischen Private-Equity-Investor zu verkaufen.

Welche Branchen stehen bei Ihnen im Fokus?

In Deutschland haben wir folgende Schwerpunkte: Produzierendes Gewerbe in der Industrie, Business Services, Software/Tech, Healthcare, Chemie/Pharma und Media/Telekom und Infrastruktur.

Als Gruppe sind wir in folgenden Schwerpunkten aktiv: Aerospace/Defence/Government Services, Business Tech Enable Services, Consumer/Leisure/Retail, Education, Financial Services, Healthcare, Industrials Infrastructure Media Telecom Real Estate Technology Software.

In Deutschland sind wir also im Unterschied zur Gruppe weniger stark bei Financial Services, Real Estate und Aerospace und dafür stärker bei Chemie/Pharma vertreten.

Welche Rolle spielt das Thema ESG in Ihrem Portfolio?

Wir setzen uns diesbezüglich verstärkt Ziele und veröffentlichen Reports. In UK wurde jetzt eine Direktorin eingestellt, die sich nur um dieses Thema für die Gruppe kümmert. Wenn Sie ihr Unternehmen in den Verkauf bringen, kommen Sie nicht mehr drum herum, das Thema ESG adressiert zu haben. Da muss man jetzt nicht zwingend einen Dreijahres-Record vorweisen, obwohl den viele inzwischen haben. Aber zu sagen, das Thema interessiert mich nicht, wäre absolut falsch, weil es den Kreis der Käufer einengen kann. Zahlreiche Fonds haben das von ihren Investoren in die Bücher geschrieben bekommen und darauf wird jetzt geschaut. Aber natürlich stehen bei den Investoren derzeit auch andere krisenbezogene Themen wie Supply Chain etc. im Vordergrund. Sobald sich die Lage wieder beruhigt haben wird, wird das Thema ESG jedoch wieder relativ weit oben, wenn nicht ganz oben auf der Agenda stehen.

Und Digitalisierung?

Ob Reportingsysteme oder Dokumentenverwaltung, bei diesen Themen ist wenig Verständnis da, wenn Unternehmen diese nicht schon umgesetzt oder wenigstens in Angriff genommen haben. Es gibt aber natürlich Fonds, die sich genau darauf spezialisiert haben, durch eine schnelle Digitalisierung der Backofficeprozesse kurzfristig Effizienzen zu heben. Das eigentliche Geschäft überlassen sie anderen. Wir als DC Advisory beraten Software- und Tech-Themen, sind aber selbst keine Implementierer.

Wie beurteilen Sie Ihre weiteren Geschäftsaussichten?

Wir sind nach wie vor gut unterwegs, deswegen bin ich für 2022 zuversichtlich, dass wir unsere Ziele erreichen werden. Auf jeden Fall erwarten wir eine Steigerung zum Vorjahr. Und für 2023 sehen wir eine verlangsamte Pitchaktivität, das heißt es wird insgesamt weniger Verkäufe geben und zu einem stärkeren Wettbewerb um weniger Mandate kommen.

2023 ist für mich ein Kristallkugeljahr. Es könnte einen Rebound geben, sodass wir wieder auf ein Niveau von 2021 kämen, falls die Krisen für uns kontrollierbar geworden wären, wenn beispielsweise die Inflation auf 4% zurückginge und der Krieg beendet würde. Ich glaube dann würde der Schalter ganz schnell wieder umgelegt, weil ja so enorm viel Geld im Markt ist. Sollten die Krisen aber anhalten, dann wird sich der Trend der Verlangsamung des Geschäfts weiter fortsetzen und dann wird 2023 eher ein schlechteres Jahr als 2022 werden.

Herr Jaecker, wir danken Ihnen für die spannenden Einblicke!


ZUR PERSON

Stefan Jaecker ist CEO von DC Advisory Germany und Poland und verfügt über mehr als 27 Jahre Erfahrung im Investment Banking. Seine Schwerpunkte liegen in der Beratung von Private-Equity-Gesellschaften und Familienunternehmen in komplexen, grenzüberschreitenden M&A-Situationen. Bevor Stefan Jaecker zu DC Advisory stieß, arbeitete er 17 Jahre lang für Kleinwort/Dresdner und Kleinwort/Commerzbank, wo er als Co-Head Corporate Advisory und Head of M&A für die DACH-Region zuständig war.

Dieser Beitrag ist in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2022 erschienen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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