„Wir bauen eine Börse für digitale Wertpapiere“

Interview mit Oliver Becker, Head of Growth, Finexity AG

Erfahren Sie im Interview mehr über die Vorteile der Tokenisierung und die geplante Entwicklung einer Börse für digitale Wertpapiere.
Foto: © Vladimir_AdobeStock

Lassen sich illiquide Vermögenswerte auch digital vertreiben und managen? Die Finexity AG ging diesen Weg. Auf einer blockchainbasierten Multi-Asset-Plattform bietet sie seit 2019 unterschiedliche Sachwerte an, darunter Immobilien, Kunst, Wein, Diamanten, Oldtimer und Musikinstrumente. Mittlerweile ist Finexity Marktführer mit über 160 platzierten Emissionen, für Mitte 2024 ist die Liveschaltung einer Börse für digitale Wertpapiere geplant. Wir sprachen mit Oliver Becker über die Besonderheiten digitaler Assets. 

Unternehmeredition: Herr Becker, was genau versteht man unter Tokenisierung?

Oliver Becker: Unter Tokenisierung versteht man im Allgemeinen den Prozess der Umwandlung eines Vermögenswertes oder vertraglicher Rechte in digitale Token. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen digitalen Vertrag zwischen Investor und Emittent und dieser wird auf einer Blockchain gespeichert. Das heißt, es werden chronologisch Informationen über Transaktionen oder eben die vertraglich verbrieften Rechte und Pflichten in sogenannten Blöcken gespeichert.

Da diese Datenblöcke stets miteinander verbunden sind, nennt man die Technologie Blockchain, zu deutsch Blockkette. Und der große Kniff dabei ist, dass Jeder neue Block nicht nur die Daten der neuesten Transaktion speichert, sondern die gesamte Historie aller Transaktionen beinhaltet. So bietet die Tokenisierung ein hohes Maß an Sicherheit und Transparenz. Da heißt, sie eignet sich hervorragend als Grundlage für ein digitales Anteilsregister, in dem z.B. Besitzverhältnisse verlässlich nachvollzogen werden können.

Worin liegen die Vorteile?

Der große Vorteil illiquider Assets ist, dass sie mehr Rendite abwerfen als liquide Assets wie Aktien oder Anleihen. Dafür muss man etwas mehr Geduld aufbringen, das heißt Geld, das bei uns investiert wird, sollte gedanklich für die nächsten 3 bis 5 Jahre nicht gebraucht werden. Wegen der hohen Einstiegspreise waren illiquide Assets oder Alternative Assets bis dato nur sehr vermögenden Menschen und Stiftungen vorbehalten.

Einer der großen Vorteile ist, dass sich diese nun im Preis nach unten skalieren lassen. Betragen die Einstiegspreise im klassischen Assetmanagement 200.000 EUR oder mehr, bietet die Tokenisierung die Möglichkeit, die Investments schon ab 500 EUR anzubieten. Und wenn man so ein Investment getätigt hat, möchte man es irgendwann wieder verkaufen. Und da hilft die Tokenisierung, weil dadurch digitale Wertpapiere entwickelt werden können, die hochgradig handelbar sind und ohne Wartezeit sofort wieder verkauft werden können.

Und natürlich bietet diese Anlageform die Möglichkeit, sich im Risikoprofil viel breiter aufzustellen. Der große Mehrwert für ganz viele Leute ist aber auch, dass diese Assets zusätzlich eine emotionale Komponente haben.

Wie läuft ein Investment auf Ihrer Plattform ab und wie sind die Renditemöglichkeiten?

Der erfolgreich finanzierte Ferrari Dino 208 GT4; Foto: © FINEXITY

Es funktioniert relativ einfach. Wir haben einen Kurs, zu dem wir eine Violine oder ein Gemälde als Investment anbieten. Und irgendwann verkaufen wir die Assets wieder. Bei jedem Asset tritt die Finexity als Co-Investor der Anleger auf. Gemeinsam investieren wir in das Produkt, zum Beispiel ein Kunstwerk. Der Anleger kann dabei unkompliziert über unseren Marktplatz wählen, ob und wie viel er in ein jeweiliges Asset investieren möchte. Abhängig von der Art des Produktes profitiert der Anleger dann von regelmäßigen Ausschüttungen wie z.B. Mieten oder von einer endfälligen Rückzahlung samt Rendite nach unterschiedlich variablen Laufzeiten.

Haben die Investoren Mitspracherechte?

Nein. Die Investoren zeichnen und sind Miteigentümer. Aber wir kümmern uns um das Asset, ob das ein Kunstobjekt, eine Immobilie, eine Violine oder eine Kiste Wein ist. Wir kümmern uns um das Anlagegut und haben dafür unsere Profis. Wir haben für jede Anlageklasse ein Team aufgebaut, das die Objekte bewertet. Da ist sehr viel fachspezifisches Know-how notwendig, um die Entscheidung zu treffen, was gekauft wird und wann es wieder verkauft wird.

Und wie genau profitiert der Anleger, wie funktioniert die Gewinnausschüttung?

Jeder Investor bekommt erst mal seine Einlage wieder, und zwar zu 100%. Und der Verkaufsgewinn wird geteilt, das heißt der Löwenanteil des Verkaufsgewinns wird an alle Investoren ausgeschüttet. Unser Gewinn liegt also darin, die Assets gut zu verkaufen. Denn je besser wir verkaufen, umso höher ist unsere erfolgsabhängige Vergütung.

Wie alt sind Ihre Kunden und von welchen Anlagesummen sprechen wir?

Anfangs lag unsere Klientel bei einem Durchschnittsalter von 54, mittlerweile sind wir bei 48 Jahren. Das durchschnittliche Portfolio liegt bei 64.000 EUR, in der Spitze bei knapp 700.000 EUR. Das heißt, wir reden also von Leuten, die Vermögen haben und auch mal größere Summen investieren. Im Immobilienbereich legt der Investor bei uns im Schnitt knapp 5.000 EUR beim Einzelinvestment an. Wenn er mehrere tätigt, dann ist es in der Summe natürlich mehr.

Aber jedes Investment ist immer limitiert. Es gibt bei jedem Asset eine begrenzte Anzahl Token, die dem Investmentvolumen entsprechen. Sind alle an Investoren ausgegeben, ist das Investment geschlossen. Wenn die Token vergriffen sind, kann ich versuchen, sie auf dem Sekundärmarkt von anderen Nutzern zu kaufen. Dann gibt es den nächsten Diamanten, oder vielleicht ein Kunstwerk.

Der Markt der digitalen Assets ist jung. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Auf jeden Fall ist der Markt der digitalen Assets ein Wachstumsmarkt. Wir sind aktuell bei einem Volumen von 40 Mrd. EUR und werden bis 2026 auf 200 Mrd. EUR wachsen. Und wir werden in den nächsten Jahren sehen, dass die ersten großen Fondshäuser, ob das eine Union West, eine Deka, eine Allianz Global Investors oder eine Helaba ist, um die Ecke kommen und ihre ersten Produkte in digitaler Form bringen werden. Aktuell sind die Banken dabei, sogenannte Proofs of Concept zu entwickeln. Auch hinsichtlich der Compliance gibt es noch eine ganze Menge Fragen zu beantworten.

Im nächsten Jahr wollen Sie die Plattform in Richtung Börse weiterentwickeln. Was haben Sie vor?

Wir werden eine Börse für digitale Wertpapiere bauen und die soll im Laufe des Jahres 2024 live gehen. Das sogenannte DLT-(Distributed Ledger Technology)-Pilotregime, das die Europäische Wertpapierhandelskommission im März freigegeben hat, hat den regulatorischen Rahmen dafür geliefert. Das, was die Frankfurter Wertpapierhandelsbörse oder die Nasdaq in den USA machen, das wollen wir für digitale Assets anbieten, sodass wir auf der einen Seite unterschiedliche Emittenten an unserem Handelsplatz haben werden, die ihre Produkte dort listen, und auf der anderen Seite holen wir die Banken als Distributoren mit ihren Kunden hinzu.

Herr Becker, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.


ZUR PERSON

Foto: FINEXITY

Oliver Becker ist Head of Growth bei der Finexity AG. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Marketing, Vertrieb und Business Development von erklärungsbedürftigen Finanzdienstleistungen. Zuletzt hat er viele Jahre das Akquisitionsmanagement der Privatbank Bethmann verantwortet.

 

 

 

Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 4/2023 mit Schwerpunkt “Unternehmervermögen” erschienen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Vorheriger Artikel„Der Markt für Batteriespeicher wächst um 37% pro Jahr bis 2030“
Nächster ArtikelCoworking-Anbieter WorkRepublic ist insolvent