„Der Markt für Batteriespeicher wächst um 37% pro Jahr bis 2030“

Interview mit Dr. André Haubrock, CEO Intilion AG

Das Interview gibt Einblicke in das junge Unternehmen Hoppecke-Gruppe, dessen Fokus auf innovativen Energiespeicherlösungen liegt.
Foto: © sommart - AdobeStock

GoingPublic: Herr Dr. Haubrock, Intilion ist ein junges Unternehmen der Hoppecke-Gruppe. Bitte stellen Sie uns das Unternehmen kurz vor.

Dr. Haubrock: Mit unseren Produkten wollen wir die Energiewende aktiv mitgestalten. In der Hoppecke-Gruppe sind wir seit 2008 im Bereich der Lithium-Ionen-Energiespeicherlösungen unterwegs. Und weil sich dieser Zweig neben dem anderen Bereich der Industriebatterien so gut entwickelt, haben wir 2019 beschlossen, das Lithium-Speichergeschäft im Zuge eines Carve-outs als Intilion auszugründen. Wir bieten innovative, modulare und skalierbare Energiespeicherlösungen, die sich insbesondere für den Einsatz in systemrelevanten und kritischen Infrastrukturen wie Gewerbe, Industrie und Stromnetz eignen. Dabei agieren wir im Markt mit Energiespeichersystemen mit einer Speicherkapazität von 70kWh bis 100MWh.

Ihr Unternehmen wächst sehr schnell. Dazu ist eine gute Finanzierung essenziell. Wie haben Sie das Wachstum von Intilion bisher finanziert?

Wir kommen aus der mittelständischen Welt. Wir gehören zu 100% zur Hoppecke-Gruppe, sie hat uns viele Jahre begleitet, mit Manpower und Know-how unterstützt und auch finanziert. Das Kapital hat immer ausgereicht, um mit Intilion kontinuierlich hohe Wachstumsraten zu erzielen.

Das klingt nach idealen Bedingungen für die Entwicklung Ihres Geschäftsmodells!

Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir von der guten Aufstellung bei Hoppecke profitieren konnten. Hoppecke war beispielsweise Türöffner für Aufträge von E.ON und der Telekom, konkret der Telekom-Tochter PASM. Dort haben wir Ende April den bisher größten Auftrag unserer Firmengeschichte erhalten: Wir sind derzeit dabei, Energiespeicher mit einer Gesamtkapazität von rund 60 Megawatt-Stunden (MWh) an Telekom-Standorten zu installieren. Weitere große Aufträge haben wir bereits gewinnen können oder stehen kurz vor dem Abschluss.

Mal ganz pauschal gefragt: Wenn alles so gut läuft im Verbund mit Hoppecke, warum haben Sie dann im Sommer einen Börsengang angekündigt, den Sie wieder verschieben mussten? Man hätte doch dann die Batterie-Lösungen auf Lithium-Basis innerhalb der Gruppe ausbauen können und eventuell die ganze Hoppecke-Gruppe an die Börse bringen können?

Grundsätzlich wäre das vielleicht eine Option gewesen. Vordergründig arbeitet die ganze Gruppe im Bereich der Speichersysteme. Aber bei genauer Betrachtung unterscheiden sich die Geschäftsmodelle stark. Hoppecke baut Batterien, die auf Blei sowie Nickel-Cadmium basieren und macht Systemgeschäft für Gabelstapler, Datenzentren, Kraftwerksbatterien. Das macht 80% der Umsätze aus; 20% sind Lösungsgeschäft, also die Projektierung, der Einbau, die Inbetriebnahme und der Service der Industriespeicher. Bei Intilion ist das Verhältnis umgekehrt: 80% unserer Umsätze generieren wir mit Projekt- bzw. Lösungsgeschäft, und zwar nur für Lithium-Ionen basierte Speichersysteme. Als Familienunternehmen finanziert man das neue Geschäft mindestens in den Anfängen eigenständig. Das war auch bisher ein sehr guter Weg. Intilion konnte in den letzten Jahren den Umsatz immer verdoppeln und wird auch zukünftig hohe Wachstumsraten erzielen können. Dabei erreichen wir eine Größenordnung, in der es durchaus Sinn macht, weitere Finanzierungsoptionen zu prüfen, der Börsengang ist eine davon.

Warum wurde der geplante Börsengang im Sommer 2023 abgesagt?

Wir haben von Investoren sehr positives Feedback zur Positionierung, zur Wachstumsstrategie und zum Management der Gesellschaft erhalten. Aus unserer Sicht und der von Hoppecke ließ sich im damaligen Kapitalmarktumfeld aber keine angemessene Bewertung erzielen. Es ist aber durchaus möglich, dass wir die Vorbereitung des Börsengangs in Abhängigkeit vom Kapitalmarktumfeld zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufnehmen werden.

Noch einmal nachgehakt zum Geschäftsmodell: Energiespeicherlösungen auf Lithium-Ionen-Basis gehören für den Erfolg der Energiewende sicherlich zu den Schlüsseltechnologien. Intilion verzeichnete damit in den vergangenen Jahren teilweise dreistellige Wachstumsraten bei den Umsatzerlösen. Aber ist dieses Momentum aufrechtzuerhalten?

Die Energiewende ist nicht mehr zurückzudrehen, es geht nur noch darum, mit wem die Unternehmen den Energiewandel von fossilen hin zu regenerativen Energien umsetzen. Der Markt entwickelt sich sehr schnell, auch die Kunden sind entschieden und schnell. Das heißt, es kommen sehr viele Großprojekte auf die Anbieter zu, und damit auch auf uns. 90% unserer Kunden investieren auch schon in Batteriespeicher, weil sie sich rechnen. Diese Transformation wird noch viele Jahre andauern und weiter an Dynamik zunehmen, auch für die etablierten Energieversorger.

Wie wirkt sich das für die Energieversorger konkret aus und inwiefern berührt diese Intilion?

Es ist schon länger klar, dass die Speicherkapazitäten der Engpass sind. Die Generierung regenerativer Energien ist volatil. Bei Windstille und im Winter gibt es die bekannten Dunkelflauten; das heißt: Man benötigt leistungsfähige Speicherkapazitäten, vor allem für die Industrie, sonst kann diese nicht zuverlässig mit erneuerbaren Energien produzieren. Hier kommen wir ins Spiel als einer der führenden Anbieter von Komplettlösungen für stationäre Energiespeichersysteme. Wir ergänzen somit das klassische Geschäft der Versorger und Netzbetreiber und arbeiten mit diesen über Rahmenverträge eng zusammen.

Von welcher Größenordnung des Gesamtmarktes sprechen wir hier und hat Intilion hier schon das Erreichen bestimmter Marktanteile ins Auge gefasst?

Unsere Schätzungen basieren auf einer eher konservativen Marktanalyse von Wood Mackenzie. Diese geht davon aus, dass der globale Markt für Batteriespeicher bis 2030 im Schnitt um 37% pro Jahr wächst. In Europa sind jährlich Batteriespeicher mit einer Speicherkapazität von 20 bis 25 Gigawatt-Stunden zu installieren, um mehr Stabilität in die Energieversorgung mit erneuerbaren Energien zu bekommen. Das entspricht einem langfristigen Marktvolumen von 5 bis 6 Mrd. EUR für den europäischen Raum.

Lassen Sie uns über die Technologie sprechen: Was genau macht den Erfolg der speziellen Speicherlösungen von Intilion aus?

Wir bieten unseren Kunden Komplettlösungen bestehend aus den drei Säulen Speichersystem, Software und Fulfillment / Service. Dahinter steckt ein komplexes System an Lithium-Ionen-Zellen, Software- und Leistungselektronik. Unsere Arbeit beinhaltet laufende Serviceleistungen über beispielsweise 15 Jahre und zugehörige Datenanalytik, um die Nutzung und Alterung der Speicher zu überwachen. In diesem Bereich sind wir Vorreiter.

Intilion ist auf die verlässliche Zulieferung von Rohstoffen, insbesondere Lithium, Batterien und Systemkomponenten angewiesen. Wie gewährleisten Sie, dass es auch in Ihrer Lieferkette nachhaltig zugeht?

Sie sprechen hier das Lieferkettensorgfaltsgesetz an. Die Systemtechnik wird von unseren Schaltschrank- und Containerbauern in Deutschland geliefert. Rohstoffe wie das genannte Lithium kaufen wir selbst gar nicht ein, sondern beziehen fertige Zellen und Module. Diese wiederum beziehen wir derzeit aus China und Korea von den führenden Herstellern der Branche, die selbst ein großes Interesse haben, ihre Lieferketten nachhaltig zu gestalten.

Wenn es um Batterien geht, fällt immer wieder das Stichwort Kreislaufwirtschaft. Welche Fortschritte sehen Sie in diesem Bereich?

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Europäische Kommission Maßnahmen zur Gestaltung der Kreislaufwirtschaft umsetzen will. Dass verbaute Batterien am Ende ihres Lebenszyklus also wieder abgebaut, eingeschmolzen und recycelt werden, ist für die Nachhaltigkeit enorm wichtig. Im Übrigen macht Hoppecke das schon heute. Das sollte für alle Unternehmen der Standard werden. Dabei helfen kann auch der geplante Batteriepass, der beispielsweise ausweisen soll, welchen CO2-Fußabdruck und welche Laufzeit eine Batterie hat. Damit wird dann nachvollziehbar, wie nachhaltig eine bestimmte Zelle wirklich ist. Bei Intilion bereiten wir uns sorgfältig auf die Kreislaufwirtschaft vor und denken bereits jetzt darüber nach, was wir mit heute verbauten Speichersystemen am Ende ihrer Laufzeit machen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Simone Boehringer und Eva Rathgeber.


ZUR PERSON

Dr. Andre Haubrock
Foto: © Intilion AG

Dr. André Haubrock ist CEO der Intilion AG. Zuvor war der Diplom-Ingenieur mehr als zehn Jahre für den Mutterkonzern Hoppecke überwiegend in leitender Position tätig. Insgesamt bringt er 15 Jahre Erfahrung mit Lithium-Ionen-Batterien in den Aufbau des Unternehmens ein.

Autorenprofil
Simone Boehringer

Dipl.-Volkswirtin Simone Boehringer ist als Redaktionsleiterin Kapitalmarktmedien für die GoingPublic Media AG tätig. Seit 25 Jahren arbeitet sie als Redakteurin, davon die meiste Zeit als Wirtschafts- und Finanzjournalistin für Tages-, Monats- und Onlinemedien.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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