Was Finanzinvestoren von einer Beteiligung überzeugt

Die fünf wichtigsten Faktoren für einen Einstieg − neben guten Zahlen

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Trotz guter Zahlen und eines validen Businessplans kommt es immer wieder vor, dass der erhoffte Einstieg eines Finanzinvestors ausbleibt − ohne dass die Gründe sofort ersichtlich sind. Auch wenn Private-Equity-Unternehmen dafür bekannt sind, einen starken Fokus auf Finanzkennzahlen zu legen, gibt es weitere, weiche Faktoren, die den Ausschlag geben können. Wir geben Tipps zu den von uns beobachteten Top-Five-Faktoren für den Mittelstand.

Die Grundlage für die Entscheidung eines Finanzinvestors, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, bilden maßgeblich die wirtschaftlichen Größen aus der Vergangenheit und die erwarteten Kennzahlen aus einem Businessplan. Ist diese Hürde genommen, stehen weitere Faktoren auf dem Prüfstand. Mit ihnen soll erkannt werden, ob die Pläne, die der Investor vor seinem Einstieg formuliert, realistisch umsetzbar sind und die nötigen Fähigkeiten dazu im Unternehmen vorhanden sind. Diese Kompetenzen, genauso wie vielerlei Risiken, lassen sich allerdings meistens nicht in Zahlenkolonnen finden.

1. Das Management zukunftsfähig ausrichten

Im Vorfeld einer Transaktion, im Rahmen der Due Diligence, stellt sich für den Investor oft die Frage, ob er dem Managementteam die neue Herausforderung zutraut. Leider fällt die Antwort nicht immer positiv aus – nicht selten erweist sich das Management für potenzielle Investoren als „Red Flag“. Ein Beispiel: Ein erfahrener Geschäftsführer, der mit der Transaktion seinen Ausstieg aus dem Geschäft plante, hatte sich in allen Besprechungen als kompetent, aber auch dominant erwiesen und damit seiner zweiten Führungsebene keinen Raum gelassen. Aber wie soll der Investor von der Zukunftsfähigkeit überzeugt sein, wenn er nicht weiß, was die zukünftige Führungsebene leisten kann? Aus unserer Sicht ist es für den Verkäufer wichtig, das Management auf die Erwartungen des Käufers vorzubereiten. Stellen Sie also sicher, dass Sie ein dynamisches Team sind, das bestens für die nächsten Jahre gerüstet ist.

2. ESG-Themen im Blick behalten

Der Themenkomplex ESG (Environmental, Social and Governance) nimmt sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch bei den Finanzinvestoren eine immer größere Rolle ein. Nicht zuletzt sind ESG-Faktoren immer häufiger bei der rückwärtigen Finanzierung einer Transaktion relevant und haben somit direkte Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Deals. Gerade der Mittelstand sollte sich unbedingt mit diesen zusätzlichen Anforderungen befassen. Dies betrifft nicht nur die (künftigen) gesetzlichen Elemente (etwa das Lieferkettengesetz), sondern auch nicht-verpflichtende Elemente wie etwa den Umgang mit Stakeholdern und die allgemeine Corporate Social Responsibility. Gelebte Praxis des guten Verkaufsprozesses ist es, bereits in den ersten Dokumenten klare Aussagen zur ESG-Strategie des Unternehmens und des Managements zu formulieren, um den Investor zu gewinnen.

3. IT-Sicherheit gewährleisten

Ein hohes Maß an Cybersecurity ist unabdingbar, um die Arbeitsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und gesetzliche Regelungen,  etwa die DSGVO, einhalten zu können. Worauf es aus unserer Sicht gerade im Mittelstand ankommt: Eine ganzheitliche Strategie ist wichtiger als ein „Flickenteppich“ aus Einzelmaßnahmen. Das Thema IT sollte seiner Bedeutung entsprechend hoch in der Organisation verankert werden. Dazu zählt vor allem die Besetzung der Positionen eines Chief Information Security Officer (CISO) und eines Chief Technical/Information Officer (CTO/CIO). Ansonsten besteht die Gefahr, dass wesentliche Risiken unerkannt bleiben und auf eine veränderte Bedrohungslage nicht angemessen reagiert werden kann. Wir empfehlen hier, eine klare Strategie zu definieren und prozessual sicherzustellen, dass diese fortlaufend aktualisiert wird. Zudem sollten auch die reaktiven Prozesse eindeutig definiert und unternehmensweit bekannt sein, um bei einem Sicherheitsvorfall adäquat reagieren zu können. Beides wird mittlerweile von Private-Equity-Gesellschaften in der Due-Diligence-Phase kritisch hinterfragt und kann schnell zur Red Flag werden.

4. Integriert und übergreifend planen

In den meisten Verkaufsprozessen wird ausführlich über Produkt- und Kundeninnovation, angestrebte Patente, umfangreiche, unterstützende Organisationen und die dafür benötigten Aufwendungen gesprochen. Der Verkäufer ist in den meisten Fällen stolz auf seine kundennahe Entwicklungsabteilung. Für die konkret geplanten Vorhaben fehlt jedoch oft ein prognostizierter Markt oder Umsatz sowie ein Vermarktungskonzept. Gleichzeitig wird ein Umsatz- und Kundenwachstum geplant, ohne konkret zu hinterlegen, wie und mit welchen Maßnahmen dies erreicht werden soll. Somit wird oft rasch klar, dass R&D, Produktion, Vertrieb und Finanzen nicht abgestimmt sind und nicht integriert handeln. Eine eindeutige Red Flag, die der Verkäufer mit seinen Beratern rechtzeitig hätte beheben können.

5. Verbesserungsprogramme nutzen

Gerade kleinere Mittelständler sollten Verbesserungsprogramme wie etwa Lean Management oder Ähnliches als Chance begreifen. Was uns bei Werksbegehungen immer wieder auffällt: Rüstzeitentabelle auf vergilbtem Papier an Maschinen, keine Schichtprotokolle oder auch das Fehlen protokollierter Störzeiten führen sowohl beim Berater als auch beim Finanzinvestor zu dem Eindruck, dass die Fertigung nicht professionell organisiert ist. Im besten Fall kann es als Potenzial für Optimierungen gesehen werden, im schlechtesten Fall ist es eine weitere Red Flag. Gleiches gilt für den Zustand des Maschinenparks und andere Produktionsmittel. Neben kurzfristigen Maßnahmen zur Erzielung eines guten ersten Eindrucks sind aber vor allem nachhaltige Bemühungen zur ständigen Verbesserung essenziell, um den Investor davon zu überzeugen, dass professionell gearbeitet wird.

Fazit

Es ist wie beim Gebrauchtwagenkauf: Ein sauberer Innenraum, eine makellose Karosserie und ein gepflegtes Scheckheft geben dem Käufer ein gutes Gefühl. Genauso verhält es sich beim Einstieg eines Finanzinvestors. Jedes Risiko, das er im Rahmen der Due Diligence findet, führt zu Abwertungen beim gebotenen Kaufpreis – denn im Zweifel muss dieser das Risiko nach Tag eins auf seine Kosten schnellstmöglich beheben. Dabei darf es natürlich offene „Baustellen“ im Unternehmen geben. Gerade diese Wertsteigerungsmöglichkeiten machen den Einstieg für einen Private-Equity-Investor oft attraktiv. Die Frage ist jedoch: Ist es ein latentes Risiko, das den Fortbestand und somit das Investment gefährdet oder eine signifikante „Upside“, um den Unternehmenswert zu steigern?


ZU DEN AUTOREN

Alexander Griesmeier und Roland Drapatz sind Partner, Florian Gottermeier ist Senior Manager im Bereich Operational Deal Services bei Grant Thornton. Sie begleiten Käufer und Verkäufer durch den gesamten Transaktionszyklus: von strategischen M&A-Programmen, der Vorbereitung auf den Einstieg eines Finanzinvestors über Transaktionssteuerung bis zu Carve-outs, Post-Merger-Integration und Synergiemanagement. 

www.grantthornton.de

Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2022.

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