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Verkauf als Nachfolgelösung

Owner Buy-out ist ein noch selten genutztes Nachfolgemodell: erst Verkauf einer Firma, dann Rückbeteiligung an ihr. Eine komplizierte Lösung, aber ihre Verfechter sehen Vorteile fürs Unternehmen wie für seine Verkäufer. Durchgeführt hat ihn die WST Präzisionstechnik aus Löffingen im Schwarzwald. 

Sabine und Georg Willmann steckten in der typischen Wachstumsspirale eines Mittelständlers. Sie hatten ihr Unternehmen WST im Hochschwarzwald zu einem Spezialisten für Präzisionsdrehteile aufgebaut, mit Zulieferungen schwerpunktmäßig für die Automobilindustrie, Getriebebau, Antriebstechnik, Hydraulik und Elektronik. Aber die Anforderungen, vor allem durch die mächtigen Fahrzeugproduzenten, wurden immer größer – und damit auch die Investitionen, die Verschuldung und die persönliche Haftung. Seinen Söhnen wollte es das Unternehmer-Ehepaar nicht zumuten, die Belastungen zu übernehmen. Zudem war die Rente ungeklärt. Es galt also, mehrere Probleme zu lösen: Finanzierung des weiteren Wachstums, Nachfolge, Altersversorgung.

Kulturschock Unternehmensverkauf

Einen mehrheitlichen Verkauf wollten die Eigentümer eigentlich nicht. Doch die auf mittelständische Unternehmen spezialisierte Private-Equity-Gesellschaft Finatem in Frankfurt, an die sie über Berater gelangten, überzeugte sie von einem Modell namens Owner Buy-out: Sie haben ihr Unternehmen Mitte 2012 komplett verkauft und sich anschließend wieder mit 15% an ihm beteiligt. Als Geschäftsführer leiten sie WST weiter. „Eine sehr vernünftige Entscheidung“, kommentiert Finatem-Geschäftsführer Christophe Hemmerle: „Ich würde mich freuen, wenn es mehr solche Fälle geben würde.“ Zwar weiß er, dass ein Komplettverkauf für Unternehmer, die die Unabhängkeit lieben, „ein Kulturschock“ ist. Aber ebenso kennt er die Probleme vieler Mittelständler – mit immer neuen Darlehen, vielleicht dem Griff nach alternativen Finanzprodukten von Leasing bis Forfaitierung, auf jeden Fall ständig höherem Absicherungsbedarf: „Eigentlich gehört einem das Unternehmen komplett, aber wegen der vielen Sicherheiten doch nicht mehr.“ Die Unsicherheit wegen der Altersversorgung ist nicht selten der Tropfen, der das Fass überlaufen lässt.Hohe Profitabilität nicht Voraussetzung

Ein Owners Buy-out ist zwar nicht leicht zu gestalten, gesteht Hemmerle. Doch gerade bei hohem Finanzbedarf, etwa durch die Globalisierung, biete so ein Modell wichtige Vorteile: für den Unternehmer, der verkauft und sich billiger wieder einkaufen kann, ebenso wie fürs Unternehmen, in dem notwendige Strukturen, etwa fürs Controlling, geschaffen werden könnten. Bei WST ist die

Firmengebäude von WST in Löffingen: Die Schwarzwälder liefern der Automobilindustrie zu.

Führungsmannschaft bereits deutlich verstärkt worden. Für Owners Buy-outs sucht Finatem nach Hemmerles Worten vor allem Hidden Champions mit Umsätzen zwischen 25 Mio. und 125 Mio. EUR. Sie müssten nicht unbedingt sehr profitabel sein, sollten aber über einen positiven Cashflow verfügen. „Wir sind keine harten Sanierer“, sagt er, „wir gehen nicht ran, um zu entlassen.“ Als wesentlich gilt die Begleitung durch erfahrene Industrieexperten, die ihr Engagement durch eigene finanzielle Beteiligung untermauern, ebenso wie übrigens die Finatem-Partner selbst – das gilt für ihre Investoren, überwiegend institutionelle Anleger, als Voraussetzung. Im Fall von WST ist dieser Experte Volker M. Stauch, der selbst Unternehmer war und führende Positionen bei Mercedes Benz bekleidet hat. Er hat den Beiratsvorsitz übernommen.

Finanzstärkung stützt Wachstum

Üblich ist bei den Finatem-Beteiligungen eine Haltedauer von drei bis acht Jahren, sagt Hemmerle, aber es könne auch noch länger sein. Bis zum Exit wird wohl noch an der Renditeschraube gedreht werden können. Den aktuellen Ertrag von WST bezeichnet Willmann als „zufriedenstellend“, wobei badisches Understatement mitschwingen mag. Das Unternehmen befindet sich jedenfalls in stetigem Wachstum. Für dieses Jahr wird eine Umsatzsteigerung um rund 10% auf 47 Mio. EUR angepeilt, im nächsten Jahr soll die Marke von 50 Mio. EUR „geknackt“ werden. Das Werksgelände am Standort Löffingen wird zurzeit kräftig erweitert, auch das Personal wird aufgestockt. Einige Erwartungen scheinen auf dem Export zu liegen, der es erst auf 5% Umsatzanteil bringt. Auch außerhalb der Automobilindustrie werden Potenziale gesehen. Eine sinkende Abhängigkeit von ihr dürfte nicht unerwünscht sein.

 

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„Es ist gut, dass man nicht permanent Bankengespräche hat“

Interview mit Georg Willmann, Geschäftsführer der WST Präzisionstechnik GmbH

 

Unternehmeredition: Wie kam es zum Verkauf Ihres Unternehmens?

Willmann: Nachdem unsere erste Firma, die ich von meinem Vater übernommen hatte, 1990 durch ein Hochwasser förmlich den Bach runtergegangen war, haben meine Frau und ich in derselben Branche WST aufgebaut. Das war unser zweiter Beginn. Das Wachstum war in kurzer Zeit phänomenal, gerade durch Zulieferungen für die Autoindustrie. Aber da ist man beträchtlichen Zwängen ausgesetzt. Mittlerweile werden die Zulieferer sogar von den OEMs geratet. Wir waren ständig am Verhandeln mit den Banken. Schließlich haftet man mit Haut und Haaren, man bürgt privat für alles. Unseren Söhnen wollten wir die Verschuldung nicht übertragen, unsere Rente war unsicher, dann wurden wir auch noch durch die Finanzmarktkrise 2008/09 in Mitleidenschaft gezogen. Die treibende Kraft war meine Frau: Sie wollte irgendwann aus dieser Umklammerung raus.

Wie kamen Sie denn bitte auf ein Owner Buy-out?

Das kannte ich überhaupt nicht. Wir dachten uns einfach: Es muss doch Menschen außerhalb der Banken geben, die Geld haben und bereit sind, es zu investieren. Über Bekannte kamen wir an Berater in Hamburg. Ein Investor, der nicht die Mehrheit übernehmen wollte, war nach der Finanzmarktkrise nicht zu finden. Deshalb sprachen wir andere Investoren an, die Mehrheitsbeteiligungen übernehmen wollten. So sind wir fündig geworden. Finatem hat uns von diesem Konzept überzeugt.

Viele Mittelständler fürchten, wenn sich Finanzinvestoren beteiligen, nichts mehr zu sagen zu haben. Sie nicht?

Wir sind zwar monatlich berichtspflichtig, aber im Tagesgeschäft müssen wir niemandem Rede und Antwort stehen. Bei großen Investitionen wird natürlich der Beirat einbezogen. Das finde ich gut, denn so hat man einen Sparringspartner. Solange die Zahlen stimmen, hat man große Entscheidungsfreiheit. Es ist gut, dass man nicht permanent Bankengespräche hat. So kann man sich aufs Tagesgeschäft konzentrieren. Heute sind wir stärker als je zuvor.

Sie hätten sich auch komplett zurückziehen und Ihr Leben genießen können.

Bekannte fragen mich auch oft, warum ich abends bis neun im Büro sitze, obwohl ich gar nicht mehr Alleineigentümer bin. Aber das ist halt Herzblut. Wir sind noch nicht so alt, dass wir in Rente wollen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, unser Lebenswerk weiter zu gestalten. Bis Ende 2016 will ich auf alle Fälle weitermachen, sofern ich fit bleibe. Dann bin ich 60. Für mich ist es zurzeit undenkbar, von 100 auf null herunter zu fahren.

 

Kurzprofil: WST Präzisionstechnik GmbH

Gründungsjahr: 1993

Branche: Präzisionsdrehteile

Unternehmenssitz: Löffingen

Umsatz 2013: 42,8 Mio. EUR

Mitarbeiterzahl: 280

Internet: www.wst-willmann.de

 

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