Vaude: „Nachhaltigkeit steckt in unseren Genen“

Vaude wirbt damit, der nachhaltig innovative Bergsportausrüster zu sein. Die Unternehmeredition sprach mit Erwin Gutensohn, CFO bei Vaude.
CFO Erwin Gutensohn; Foto: Vaude Sport GmbH & Co. KG

Vaude positioniert sich als nachhaltig innovative Outdoormarke und setzt sowohl im Unternehmen als auch in der Produktentwicklung und -herstellung stark auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Eine Entwicklung, die auch vom Markt zunehmend honoriert zu werden scheint: Im Coronajahr konnte ein Umsatzwachstum von 8% verbucht werden, in diesem Jahr wird sogar ein zweistelliges Wachstum erwartet. Die Unternehmeredition sprach mit Erwin Gutensohn, CFO bei Vaude Sport GmbH & Co. KG, Tettnang.
INTERVIEW EVA RATHGEBER

Unternehmeredition: Sie sind im Oktober 1991, also vor fast 30 Jahren, als Finanzleiter zu Vaude gekommen. Wie sah das Unternehmen unter Albrecht von Dewitz aus?

Erwin Gutensohn: Vaude war schon immer eine Outdoorfirma. 1991 umfasste die Produktpalette bereits Rucksäcke, Schlafsäcke und Bekleidung, der Bike-Bereich kam erst später hinzu, ebenso Packs ’n Bags und Schuhe.

Der Gründer Albrecht von Dewitz war ein ausgesprochener Innovator. Seine Stärke lag im Aufbau von Produkten und er erkannte schon sehr bald, dass Ökologie ein Thema ist. Deshalb hat er 1994 mit Vaude Ecolog das erste Recyclingnetzwerk in der Outdoorbranche gegründet und eine sortenreinen Cradle-to-Cradle-Kollektion eingeführt; die Produkte wurden komplett aus einem sortenreinen Polyestermaterial gefertigt und konnten im Anschluss an die Nutzungszeit recycelt werden.

2009 hat Antje von Dewitz die Geschäftsführung von ihrem Vater übernommen. Wie hat sich Vaude seitdem gewandelt?

Antje von Dewitz hatte die Vision eines durch und durch nachhaltigen Unternehmens. Gemeinsam beschlossen wir in der Geschäftsleitung, ganz auf Nachhaltigkeit zu setzen. Unser Ziel war es, eine nachhaltige Unternehmensstrategie einzuführen, die alle Bereiche des Unternehmens durchzieht, von der Produktion über Einkauf, Vertrieb und Logistik bis hin zu den Lieferantenbeziehungen. Parallel dazu haben wir eine Kultur etabliert, in der Mitarbeitende Verantwortung übernehmen, selbstwirksam handeln und vertrauensvoll miteinander umgehen. Dafür haben wir Strukturen und Prozesse verändert, und die Mitarbeitenden sowie insbesondere die Führungskräfte wurden intensiv geschult.

Vaude-Arbeitswelten; Foto: Vaude

Dabei war es uns auch wichtig, eine gute Work-Life-Balance und Lebensqualität für die Mitarbeitenden zu schaffen. Antje hatte damals schon vier Kinder und setzte sich auch aus eigener Erfahrung für eine gute Vereinbarung von Beruf und Privatleben ein. Anstatt langer Arbeitstage und Besprechungstermine bis in den Abend wurden flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice gefördert, um die Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, genug Zeit mit der Familie zu verbringen.

Wie kann man auf diese Weise erfolgreich sein und Geld verdienen?

Indem man Nachhaltigkeit konsequent im ganzen Unternehmen umsetzt und lebt. Diese Werte strahlen auch nach außen und verleihen unserer Marke viel Energie und Kraft. Wir gelten als glaubwürdige Marke, die vielfach bewusst ausgewählt wird. Der Erfolg gibt uns recht: Wir sind seit 2009 durchgängig stark gewachsen. Unser Umsatz hat sich seitdem mehr als verdoppelt und das Eigenkapital fast vervierfacht.

Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Produkte?

Vaude wirbt damit, der nachhaltig innovative Bergsportausrüster zu sein. Die Unternehmeredition sprach mit Erwin Gutensohn, CFO bei Vaude.
Vaude-Manufaktur; Foto: Vaude Sport GmbH & Co. KG

Unsere Produkte müssen funktional und nachhaltig sein. Beispielsweise haben wir eine Trinkflasche aus Zuckerrohr entwickelt, die nicht nach Plastik riecht und kein Rohöl enthält. Wir haben ein eigenes Label – „Green Shape“ – für umweltfreundliche und faire Produkte entwickelt, das anhand sehr strenger Kriterien den gesamten Lebenszyklus des Produkts festlegt, vom Design über die Produktion bis hin zu Pflege, Reparatur und Verwertung. Eine ganz wichtige Rolle spielt der von uns entwickelte Reparaturindex. Mit diesem Index sorgen wir dafür, dass schon beim ersten Schritt der Produktentwicklung eine bestmögliche Reparierbarkeit und Haltbarkeit eines Produkts mitkonzipiert wird. Das gibt es in keinem textilen Standard. Dafür haben wir unsere eigenen Kriterien geschaffen, die auf den strengsten Standards beruhen und regelmäßig überarbeitet werden. Dafür haben wir auch eine achtköpfige Innovationsabteilung, ein eigenes Testlabor sowie einen technologischen Entwicklungspark. Außerdem pflegen wir einen intensiven Austausch und Partnerschaften mit Universitäten, Fachleuten, Materialherstellern und auch anderen Herstellern.

Es geht Ihnen also darum, immer Vorreiter zu sein?

Vaude-Außenbereich; Foto: Vaude

Als Teil der Textilindustrie fühlen wir uns mitverantwortlich für globale Herausforderungen wie den Klimawandel, Mikroplastik et cetera und möchten dazu beitragen, diese Probleme zu lösen. Deshalb engagieren wir uns freiwillig für hohe ökologische und soziale Standards, die weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Dadurch schlagen wir neue Wege ein und sind oft einen Schritt voraus. Das macht uns sehr innovativ und zukunftsfähig. Wir gelten als Pioniere und haben uns eine anerkannte Expertise im Bereich Nachhaltigkeit aufgebaut. Beispielsweise war unser Green-Shape-Konzept eine wichtige Grundlage für die Kriterienliste des Grünen Knopfs, des ersten staatlichen Siegels für nachhaltig hergestellte Textilien. Auch für das Lieferkettengesetz haben wir uns maßgeblich eingesetzt und unsere Erfahrungen eingebracht.

Wie finanzieren Sie Ihre nachhaltigen Innovationen?

Als mittelständisches Familienunternehmen bekommen wir ja weder Investorengeld noch Geld von der Börse, sondern müssen Konsortialverträge mit den Banken aushandeln, die sich letztlich immer an unseren Kennzahlen ausrichten. Deshalb müssen wir genau schauen, wo wir das Geld ausgeben, und haben im Vergleich zu unserer Konkurrenz ein deutlich geringeres Marketingbudget.

Unsere erste Konsortialfinanzierung mit den Banken haben wir über ein Innovationsdarlehen arrangiert. Ein Teil davon war die Finanzierung von Green Shape 2.0 – im Mittelpunkt stand dabei der Verzicht auf PFC (Fluorcarbone) und andere schädliche Chemikalien. Wir hatten uns das Ziel gesetzt, schadstofffreie Alternativen für wasserabweisende textile Ausrüstungen zu entwickeln, die dafür sorgen, dass sich die Kleidung nicht mit Wasser vollsaugt. Inzwischen haben wir eine zweite Konsortialfinanzierung für Green Shape 3.0 abgeschlossen, mit deren Hilfe wir den Reparaturindex entwickelt haben.

Wie hat sich die Coronakrise auf Ihr Geschäft ausgewirkt und wie entwickelt sich aktuell der Markt für Outdoorprodukte?

Wir sind im letzten Jahr um 8% gewachsen und werden dieses Jahr um 15% wachsen. Das zeigt, dass die Konsumenten unser Engagement honorieren und dass wir, gerade auch durch unsere Nachhaltigkeitsstrategie, eine begehrliche Marke geworden sind. Wir befassen uns ja nicht erst seit gestern mit Fridays for Future und dem Klimawandel. Es steckt in unseren Genen – wir praktizieren Nachhaltigkeit seit vielen Jahren und berichten absolut transparent darüber. Das wird von den Menschen wahrgenommen und sorgt für Vertrauen und eine hohe Glaubwürdigkeit.

Vaude-Produktion; Foto: Vaude

Der gesamte Markt profitiert vom Outdoor- und Bike-Boom, den die Pandemie ausgelöst hat. Die Leute konnten nicht verreisen und begeisterten sich für Outdooraktivitäten in der näheren Umgebung. Das hat die Nachfrage nach unseren Produkten zusätzlich erhöht, vor allem auch nach unseren Made-in-Germany-Radtaschen, die wir am Standort Tettnang fertigen. Insgesamt ist der Outdoormarkt im Coronajahr um 2% bis 3% gewachsen. Mit unseren 8%igen Wachstum liegen wir damit sogar deutlich über dem Wettbewerb. Und dieser Boom hält weiter an.

Wie wichtig ist für Sie der Onlinehandel? Welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Der Onlinehandel wurde in allen Facetten beflügelt. Die Leute konnten nicht mehr in die Geschäfte gehen und haben deshalb verstärkt im Internet bestellt. Bei uns wächst der Onlinebereich seit vielen Jahren und sorgt mittlerweile für 30% bis 40% unseres Umsatzes.

Digitalisierung ist das große, übergreifende Thema. Hier optimieren wir ständig, um uns noch zukunftsfähiger und dynamischer aufzustellen. Aktuell führen wir mit Microsoft Dynamics ein neues ERP-System ein. Das ist die derzeit modernste Software für Unternehmensführung und -abwicklung. Damit wollen wir smarter wachsen und alle unsere Prozesse standardisieren.

Sehen Sie sich zunehmend in einer Beraterfunktion, die Sie ja neuerdings über die Vaude Academy für nachhaltiges Wirtschaften anbieten?

Die Vaude Academy wurde im letzten Jahr gegründet, weil wir erkannten, dass unsere Erfahrung und unser Expertenwissen im Bereich Nachhaltigkeit sehr anerkannt und gefragt ist. Wir bekommen zahlreiche Anfragen für Vorträge, Panels und dergleichen. Mit unserer Academy informieren und schulen wir andere Unternehmen und Organisationen auf ihrem Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise. Die Nachfrage ist unglaublich, wir sind für die nächsten Monate ausgebucht. Zahlreiche Firmen, Universitäten, Schulen und Privatleute wenden sich an uns. Ich selbst werde einmal pro Woche von Studierenden, Forschenden et cetera interviewt; auch unsere CSR-Managerin und alle anderen Fachleute haben etliche Termine in der Öffentlichkeit oder in Fachkreisen.

Wie heben Sie sich gegenüber Ihrer Konkurrenz ab?

Die Konkurrenz wird auch zunehmend nachhaltig, was wir prinzipiell begrüßen – denn gemeinsam können wir mehr bewegen. Die meisten sind größer und werden durch Konzerne und starke Investoren gehalten. Außer uns gibt es nur ganz wenige Familienunternehmen in der Branche. Der große Unterschied ist jedoch, dass die Nachhaltigkeitsstrategie bei den meisten Unternehmen eine Strategie von vielen ist. Bei uns ist es die übergreifende Unternehmensstrategie.

Welche Rolle spielen ausländische Produktions- und Absatzmärkte?

Vaude-Produktion in China; Foto: Vaude

Weltweit haben wir circa 50 verschiedene Produktionspartner, mit denen wir schon sehr lange zusammenarbeiten. Etwa 20% davon sind in Deutschland und Europa, circa 80% liegen in Asien. Unsere Produzenten müssen unsere strengen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Dabei bieten wir unserer Lieferanten und Produzenten auch Schulungen zu ökologischen und sozialen Standards an und unterstützen sie vor Ort, beispielsweise beim Aufbau von Umweltmanagementsystemen. Außerdem werden die Produzenten regelmäßig von der unabhängigen Organisation Fair Wear auditiert. Das bedeutet, sie haben sich verpflichtet, klar definierte Sozialstandards einzuhalten und faire Löhne zu bezahlen. Auch wir als ihr Auftraggeber werden regelmäßig überprüft. Beim sogenannten Brand Performance Check der Fair Wear haben wir seit 2015 jedes Jahr mit „Leader“ den höchstmöglichen Status für unser herausragendes Engagement erhalten.

Wir haben nach wie vor unsere Manufaktur am Standort Tettnang, die wir weiter ausbauen. Hier produzieren wir vor allem unsere hochfrequenzverschweißten Made-in-Germany-Radtaschen, die sehr stark wachsen.

Unsere Absatzmärkte sind zu 50% Deutschland und zu 50% andere europäische Länder, darunter Österreich, Schweiz, Niederlande, England, Italien, Frankreich und Spanien. Sowohl in Deutschland als auch international verzeichnen wir ein kontinuierliches Wachstum.

Was ist Ihre Vision für Vaude in 20 Jahren?

Wir wollen in naher Zukunft zu 100% CO2-frei sein mit allen weltweit hergestellten Produkten – am Standort Tettnang sind wir bereits seit 2012 komplett klimaneutral. Außerdem legen wir Wert darauf, organisch zu wachsen. Ein jährliches Wachstum von 15% bis 20% stellt uns vor sehr große Herausforderungen, die wir durch Kapazitätserhöhungen meistern werden.

Wir sind und wollen Pioniere in der Branche bleiben. Wir ruhen nicht, wir rasten nicht. Für uns gilt es auch in Zukunft, immer noch nachhaltiger zu werden und uns dafür immer wieder neue Themen zu erarbeiten.

Wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.


ZUR PERSON

Erwin Gutensohn; Foto: Vaude Sport GmbH & Co. KG

Erwin Gutensohn ist seit 30 Jahren CFO bei der Vaude Sport GmbH & Co. KG.

 

 

 

 

 


Kurzprofil Vaude Sport GmbH & Co. KG

Gründungsjahr: 1974
Branche: Outdoorsport, Bike-Sport, Reisegepäck und Taschen
Unternehmenssitz: Tettnang-Obereisenbach
Umsatz 2020: über 110 Mio. EUR
Mitarbeiterzahl: rund 500

www.vaude.com
www.nachhaltigkeitsbericht.vaude.com

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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