Liquidität ist das zentrale Steuerungsinstrument in Unternehmenskrisen: Sie bestimmt Handlungsoptionen, begründet Berichtspflichten und entscheidet über die Insolvenzantragspflicht. Der Beitrag erklärt zentrale Begriffe, gesetzliche Schwellenwerte und Zeiträume – und zeigt auf, was Geschäftsleitungen jetzt wissen und tun müssen.
Die deutsche Wirtschaft befindet sich aufgrund struktureller Probleme in „schwerer See“. 2025 droht das dritte Rezessionsjahr in Folge zu werden. Für 2024 meldeten die Amtsgerichte einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahr um 22,4%. Dieser Trend ist im Frühjahr 2025 ungebrochen. Während mittel- und langfristig Geschäftsmodelle zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen sind, ist kurzfristig das Hauptaugenmerk der Geschäftsleiter auf die Liquiditätssituation zu legen.
Liquiditätskrise löst gemäß § 1 StaRUG Pflicht zur Krisenreaktion und Berichtspflicht aus
Unternehmenskrisen verlaufen häufig in den vier Phasen der strategischen Krise, Erfolgskrise, Liquiditätskrise und schließlich der Insolvenz. Bestandsgefährdung besteht spätestens mit Eintritt der Liquiditätskrise. § 1 Abs. 1 StaRUG verpflichtet die Geschäftsleiter zur fortlaufenden Überwachung der Situation, woraus die Pflicht zu einer sorgfältigen und weit vorausschauenden Liquiditätsplanung folgt. Zeigt diese eine nachhaltig rückläufige beziehungsweise knappe Liquidität, sind Vorstände und Geschäftsführer zu Gegenmaßnahmen und zur Information der Überwachungsorgane verpflichtet.
24-Monats-Zeitraum: Drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO ermöglicht Nutzung des StaRUG sowie Schutzschirme und Plansanierungen gemäß InsO
Eine Liquiditätskrise wird zur drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO, wenn der Schuldner voraussichtlich im Rahmen eines Zeitraums von 24 Monaten nicht mehr in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Erforderlich ist eine laufende Finanzplanung mit Gegenüberstellung von Mittelzuflüssen und fälligen Verbindlichkeiten über 24 Monate. Ergibt die Planung, dass der Eintritt der akuten Zahlungsunfähigkeit im Rahmen des Prognosezeitraums wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung, so besteht bereits am Stichtag dieser planerischen Feststellung drohende Zahlungsunfähigkeit.
Dies eröffnet die Möglichkeit, ein StaRUG-Verfahren einzuleiten. Eine Restrukturierungsanzeige gemäß § 31 StaRUG (Gerichtsgebühr: 150,00 EUR), die zur
Erteilung eines RES-Aktenzeichens führt, kann mitunter bereits einen entscheidenden Verhandlungshebel für außergerichtliche Einigungen bieten.
Zwölf-Monats-Zeitraum: Drohende Zahlungsunfähigkeit gefährdet Fortbestehensprognose, Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung gemäß § 19 InsO
Sollte sich eine Zahlungsunfähigkeit planerisch bereits innerhalb eines Prognosezeitraums von zwölf Monaten abzeichnen, so entfällt grundsätzlich die insolvenzrechtliche positive Fortbestehensprognose – denn diese setzt voraus, dass innerhalb der nächsten zwölf Monate mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die liquiden Mittel zur pünktlichen Bedienung der fälligen Verbindlichkeiten ausreichen. Ist dies planerisch nicht der Fall, muss ein Überschuldungsstatus erstellt werden, in dem das vorhandene Vermögen und die Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, wobei für die Vermögensgegenstände Abwicklungswerte anzusetzen sind. Häufig ergibt sich dann eine Unterdeckung der Schulden durch das Vermögen und es liegt damit insolvenzrechtliche Überschuldung gemäß § 19 InsO als zwingender Insolvenzgrund vor. Dieser versperrt grundsätzlich die Nutzung des StaRUG und es ist innerhalb einer Maximalfrist von sechs Wochen Insolvenzantrag zu stellen. Allerdings kann ein aussichtsreiches und rechtzeitig vorbereitetes StaRUG-Verfahren bei der Prüfung der Fortbestehensprognose berücksichtigt werden und so unter Umständen eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung verhindern.
Akute Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO sperrt Handlungsoptionen und löst Insolvenzantragspflicht aus
Spitzt sich die Liquiditätskrise derart zu, dass der Schuldner bereits aktuell nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Verbindlichkeiten vollständig zu erfüllen, liegt akute Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO vor. In diesem Fall ist innerhalb einer Maximalfrist von drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen. Ein insolvenzrechtlicher Schutzschirm und die Möglichkeiten des StaRUG stehen der Geschäftsleitung nicht mehr zur Verfügung.
Prüfungsschritte – worauf kommt es an? Deckungsgrad, geringfügige Liquiditätslücke, kurzfristige Zahlungsstockung
In der Krise ist die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und des Zeitpunkts ihres akuten beziehungsweise planerischen Eintritts im 24- beziehungsweise im Zwölf-Monats-Zeitraum für die Bestimmung der rechtlichen Handlungsoptionen und -pflichten entscheidend.
Zur Feststellung bedarf es zunächst einer Zeitpunktbetrachtung mittels eines Liquiditätsstatus. Nach der gesetzlichen Vorgabe des § 17 InsO ist dabei für Zahlungsfähigkeit die vollständige Abdeckung der aktuell fälligen Verbindlichkeiten durch die zum Stichtag vorhandenen liquiden Mittel erforderlich („Deckungsgrad 100%“). Anderenfalls liegt grundsätzlich Zahlungsunfähigkeit vor.
Die Rechtsprechung des BGH zur Auslegung des § 17 InsO ist allerdings zu Recht sanierungsfreundlich, gerade auch im Interesse der Gläubiger. Unternehmen sollen bei valider Besserungsaussicht nicht wegen sehr geringfügiger beziehungsweise nur kurzfristiger Unterdeckungen in kostenträchtige Insolvenzverfahren gezwungen werden. Der Liquiditätsstatus zum Stichtag und eine Drei-Wochen-Prognose sind entscheidend. Eine Deckungslücke <10% oder kurzfristiger Natur (unter drei Wochen) gilt nicht als Zahlungsunfähigkeit.
Zeigt der stichtagsbezogene Liquiditätsstatus eine Deckungslücke, ist anhand eines Finanzplans für die folgenden drei Wochen zu prüfen, ob unter Einbeziehung der planerischen Einnahmen und der fällig werdenden Verbindlichkeiten der Deckungsgrad von 100% erreicht wird, sodass Zahlungsfähigkeit vorliegt. Ist dies nicht der Fall, liegt aber nur eine geringfügige, sich nicht vergrößernde, sondern demnächst wieder schließende Liquiditätslücke von weniger als 10% vor, so ist dennoch von Zahlungsfähigkeit auszugehen. Selbst bei größeren Lücken liegt eine bloße Zahlungsstockung und damit keine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn diese nur von kurzer Dauer sind. Toleriert werden insoweit regelmäßig allerdings nur bis zu drei Wochen. Einzelheiten zu den Vorgaben und Prüfungsschritten enthält etwa der IDW S11.
Faktische Stundungen
Die Liquiditätssituation lässt sich durch Maßnahmen wie Kreditaufnahme und Working Capital Management positiv beeinflussen. Kurzfristig können insbesondere Stundungen helfen. Selbst „faktische Stundungen“ ohne zivilrechtliche Wirksamkeit durch bloßes „Stillhalten“ beziehungsweise „nicht ernstliches Einfordern“ können die insolvenzrechtliche Fälligkeit von Verbindlichkeiten nach der auch insoweit sanierungsfreundlichen Rechtsprechung des BGH entfallen lassen. Eine besonders sorgfältige Dokumentation der entsprechenden Umstände ist dringend angeraten.
FAZIT
Für die Bewältigung unternehmerischer Krisen ist die Liquidität der zentrale Faktor. Geschäftsleitungen müssen deren Entwicklung laufend im Blick behalten, vorausschauend planen und bei Bedarf frühzeitig mit wirksamen Maßnahmen reagieren. Wer zu spät handelt, riskiert nicht nur den Fortbestand des Unternehmens, sondern auch persönliche zivil- und strafrechtliche Haftung. Entscheidend ist die Kenntnis der rechtlichen Schwellenwerte: Bei Liquiditätskrise bestehen Informations- und Reaktionspflichten (§ 1 StaRUG), innerhalb eines 24-Monats-Zeitraums eröffnet drohende Zahlungsunfähigkeit die Möglichkeit zur Nutzung von StaRUG oder Schutzschirmverfahren. Bei innerhalb von zwölf Monaten drohender Zahlungsunfähigkeit entfällt regelmäßig die Fortbestehensprognose, meist mit der Folge einer Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung gemäß § 19 InsO. Spätestens bei akuter Zahlungsunfähigkeit ist ein Insolvenzantrag zwingend. Geschäftsleiter sind daher gut beraten, rechtzeitig die bestehenden Handlungsoptionen zu prüfen und bei Bedarf kompetente Beratung einzuholen. Wer früh agiert, wahrt die Kontrolle – und eröffnet sich echte Chancen zur Sanierung.