Unternehmer-Töchter

„Nur so konnte ich schrittweise Kontakt zur gesamten Belegschaft aufbauen und Vertrauen herstellen“, erzählt Ostermann. Das war wichtig, denn ängstliche Fragen, ob sie denn „den ganzen Laden umkrempeln würde“ blieben nicht aus. Auch eine dumme Bemerkung frei nach dem Motto: „Ich war schon hier, bevor du auf der Welt warst, und du willst mir jetzt sagen, was ich zu tun habe“ ließ nicht auf sich warten. „Aber mein Vater wollte, dass ich sofort Geschäftsführerin wurde, um klare Verhältnisse zu schaffen“, sagt die Unternehmerin. Erst Kollegin, später Chefin, davon hielt Carl-Dieter Ostermann nichts. Inzwischen ist seine Tochter bei allen Mitarbeitern voll akzeptiert.

Mit weiblicher Intuition und Feingefühl

Und wie läuft das Tandem? „Ich kann meinen Vater immer alles fragen und seine Expertise ist für mich ungeheuer wichtig“, sagt die Junior-Chefin. „Zuweilen kann es aber auch mal schwierig sein.“ Einmal habe sie ihm noch vor dem Frühstück eine E-Mail mit vielen Ideen für Veränderungen geschickt. „Das kam, sagen wir mal, nicht ganz so gut an“, beschreibt die Tochter vorsichtig. Seitdem versuche sie immer, den richtigen Zeitpunkt für innovative Vorschläge abzuwarten – und dranzubleiben.

Zeitlich begrenzt ist das Vater-Tochter-Tandem bei den Ostermanns nicht. „Mein Vater hängt am Unternehmen und wir sind beide sehr glücklich mit der Situation“, sagt die Tochter. Sie wolle ihn momentan nicht fragen: „Papa, wann gedenkst du denn zu gehen?“ Da Carl-Dieter Ostermann 67% der Anteile am Unternehmen hält, hat er natürlich in allem das letzte Wort. Irgendwann einmal möchte es Marie-Christine haben und selbst die Mehrheit halten. „Aber jetzt noch nicht“, sagt sie. „Ich werde sehen, wie es weitergeht.“ Erst einmal wünscht sie sich auch noch ein Kind.

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Quelle: generation töchter, Dr. Daniela Jäkel-Wurzer & Kerstin Ott

Im Einzelfall kann ein Vater-Tochter-Tandem durchaus erfolgreich sein, auch wenn die Partner nicht festgelegt haben, wie lange sie gemeinsam fahren wollen. Besser ist es jedoch, wenn sie von vornherein vereinbaren, zu welchem Zeitpunkt der Vater die Geschäftsführung ganz an die Tochter übergeben wird. „Den Töchtern fällt es oft schwer, sich aus der Zweierkonstellation zu lösen“, warnt Nachfolge-Expertin Jäkel-Wurzer. Trotz aller fachlichen Kompetenz haben sie zuweilen Angst davor, plötzlich ganz alleine an der Spitze des Unternehmens zu stehen. Die Väter wiederum können sich von ihrem Unternehmen nicht so leicht trennen. Das gilt umso mehr für Firmengründer, die sich mit ihrem Lebenswerk sehr stark identifi zieren. „So hält sich oft über Jahre hinweg ein Tandem, das eventuell notwendige Innovationen, Investitionen oder wichtige Änderungen in der Unternehmenskultur verhindert“, sagt Jäkel-Wurzer.

Nicht ohne meine Schwestern

Nicht alle Unternehmer-Töchter bilden ein Tandem mit ihren Vätern. Anika Wuttke fährt mit ihren drei Schwestern. „Wir haben das nie geplant“, erzählt die Geschäftsführern von cre art in Fulda. Cre art ist eine Kombination aus Werbeagentur und -produktion. „Mein Vater hat das Unternehmen 1970 mit einem Partner gegründet“, sagt Wuttke. 1996 kam dann die COM.POSiTUM Multimedia-Agentur GmbH hinzu, die inzwischen eine hundertprozentige Tochter ist. Beide Unternehmen zusammen beschäftigen heute 45 Mitarbeiter.

Firmengründer Ernst Neidhardt hatte seinen vier Mädels immer eingeschärft, sie sollten beruflich das machen, was sie wirklich wollten. „Und genauso war es auch“, sagt die zweite Tochter Anika. Alle vier Töchter schwärmten zunächst aus. Jennifer Neidhardt, die älteste, lernte Schriftsetzerin, studierte Druck und Medientechnik und wurde Diplomingenieurin. Anika Wuttke studierte BWL mit Schwerpunkt Werbung, Sonja Neidhardt widmete sich der Medien- und Kommunikationswirtschaft, machte später noch ihren Master in Medienrecht. Und die Jüngste, Kathinka Gröger, lernte Fotografin und studierte Mediendesign.

Nach und nach kehrten alle vier ins väterliche Unternehmen zurück, zumal die Berufe, die sie sich ausgesucht hatten, perfekt passten. „Jennifer führte die Geschäfte von cre art zusammen mit meinem Vater bis zu seinem 65. Geburtstag am 17. Juni 2010“, erzählt Wuttke. An diesem Tag übergab er seinen Teil der Geschäftsführung an seine Tochter Anika. Sonja Neidhardt leitet die Geschicke der Multimedia-Tochter, Kathinka Gröger steht an der Spitze der Kreativmannschaft. „Mein Vater ist immer noch Inhaber, er ist jeden Tag im Unternehmen und uns ein guter Ratgeber“, sagt Wuttke. Er lasse die Töchter aber machen.

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