Beim Verkauf eines Unternehmens muss entschieden werden, ob dieser mittels eines strukturierten Bieterverfahrens erfolgen soll oder ob lediglich bilaterale Verhandlungen mit einem einzelnen Bieter geführt werden. Beide Ansätze haben für den Verkäufer Vor- beziehungsweise Nachteile, die im Folgenden aufgezeigt werden sollen.
Wenn der Verkauf eines Unternehmens ansteht, stellen sich dem Verkäufer eine Vielzahl von Fragen zu dessen konkreten Umsetzung. Eine ganz wesentliche Entscheidung, die sinnvollerweise gleich zu Beginn des Verkaufsprozesses getroffen werden sollte, ist die Frage, ob ein strukturiertes Bieterverfahren durchgeführt wird oder ob bilaterale Verhandlungen mit einem einzelnen Interessenten geführt werden sollen.
Ablauf eines Bieterverfahrens
Der typische Ablauf eines strukturellen Bieterverfahrens gestaltet sich wie folgt: Der Verkäufer beauftragt eine Investmentbank beziehungsweise einen M&A-Berater damit, eine Vielzahl potenzieller Käufer zu identifizieren. Aus der sogenannten Longlist werden dann vom Verkäufer mit Unterstützung seiner Berater diejenigen Interessenten auf die Shortlist gesetzt, bei denen eine gute Chance für eine erfolgreiche Transaktion zu den vom Verkäufer erwarteten Bedingungen besteht. Die ausgewählten Bieter werden dann durch einen mehrstufigen Prozess geführt, der mit einem indikativen Angebot startet und nach Durchführung der Due Diligence und den Vertragsverhandlungen mit der finalen Auswahl desjenigen Bieters endet, an den der Verkäufer das Unternehmen schlussendlich verkauft. In letzter Zeit wird immer öfter noch bis wenige Stunden vor Abschluss des Kaufvertrags mit mehreren Bietern parallel verhandelt. Die bis zuletzt bestehende Wettbewerbssituation zwischen den Bietern dient dazu, das für den Verkäufer tatsächlich beste Angebot herauszukitzeln.
Gegenmodell: Bilaterale Verhandlungen
Im Gegenmodell der bilateralen Verhandlung entscheidet sich der Verkäufer frühzeitig im Verkaufsprozess für einen bestimmten Interessenten, mit dem dann bilateral – und in der Regel exklusiv – Verhandlungen geführt werden, die idealerweise zu einem erfolgreichen Verkauf des Unternehmens an diesen Bieter führen. Der Zeitpunkt, zu dem sich der Verkäufer für einen bestimmten Kaufinteressenten entscheidet, variiert dabei von Fall zu Fall. Manchmal steht für den Verkäufer von Anfang an fest, dass er an einen bestimmten Interessenten verkaufen möchte, zum Beispiel, weil sich die Beteiligten aus der Zusammenarbeit kennen oder der betreffende Interessent aus anderen Gründen als der ideale Käufer erscheint. In anderen Fällen erfolgt die Auswahl des bevorzugten Bieters erst auf Grundlage der Longlist beziehungsweise Shortlist des M&A-Beraters. Für die Abgrenzung zum strukturierten Bieterverfahren ist entscheidend, dass sich der Verkäufer jedenfalls vor Beginn der Due Diligence und der Vertragsverhandlungen auf einen potenziellen Käufer fokussiert.
In der Praxis gibt es auch Mischformen. Beispielsweise wird zunächst ein strukturierter Bieterprozess gestartet, der jedoch zu einem späteren Zeitpunkt – etwa nach einer ersten Due-Diligence-Phase und Abgabe von bestätigenden Angeboten durch die bis dahin beteiligten Bieter – gestoppt wird, sodass das weitere Verfahren nur noch mit einem einzigen Bieter fortgeführt wird. Auf diese Mischformen wird in diesem Beitrag nicht im Detail eingegangen; jedoch lassen sich die nachfolgend genannten Vor- und Nachteile insoweit übertragen, als das gewählte Vorgehen eher dem einen oder dem anderen Modell angenähert ist.
Vorteile eines Bieterverfahrens
Der offenkundigste Vorteil eines Bieterverfahrens besteht darin, dass durch den Wettbewerb zwischen mehreren Bietern regelmäßig der Kaufpreis in die Höhe getrieben werden kann. Jeder interessierte Bieter wird versuchen, einen möglichst hohen Kaufpreis zu bieten, um den Zuschlag zu erhalten. In der Praxis bestätigt sich diese Annahme vielfach durch sich wechselseitig überbietende Kaufinteressenten. Ähnliches gilt typischerweise auch für andere Komponenten des Angebots wie den Kaufvertrag und die darin enthaltenen Bestimmungen zu Verkäufergarantien, Zahlungsmodalitäten und Vollzugsbedingungen. Die untereinander im Wettbewerb stehenden Bieter werden bei den Verhandlungen eher Rücksicht auf die Belange des Verkäufers nehmen und sind typischerweise zu mehr Zugeständnissen bereit.
Der Wettbewerb unter den Bietern kann bei einer entsprechend guten Vorbereitung helfen, die heiße Phase des Verkaufsprozesses kurz zu halten. Ein strukturierter Prozess mit mehreren Bietern erzeugt automatisch Druck auf alle Teilnehmer, schnelle Entscheidungen zu treffen. Auch die Entscheidungsfindung des Verkäufers kann erleichtert werden. Dieser erhält durch die verschiedenen Angebote ein objektives Bild vom Wert seines Unternehmens.
Ein weiterer wichtiger Vorteil des Bieterverfahrens ist die üblicherweise höhere Transaktionssicherheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Verkäufer am Ende mit einem der beteiligten Bieter einig wird und der Verkauf vollzogen werden kann, ist höher, wenn bis zum Schluss mehrere Bieter im Rennen bleiben. Hat sich der Verkäufer früh auf einen Interessenten festgelegt und bricht dieser die Transaktion ab, muss der Verkaufsprozess quasi von vorn begonnen werden. Der Vorteil des Bieterverfahrens kann jedoch ins Gegenteil umschlagen, wenn der Prozess insgesamt zu lange dauert und dann aufgrund aktueller Entwicklungen im Unternehmen oder im Markt das Interesse der Bieter entfällt. Insofern ist es wichtig, dass Bieterverfahren gut vorbereitet und straff geführt und unnötige Zeitverluste vermieden werden.
Vorteile von bilateralen Verhandlungen
Ein eindeutiger Vorteil einer frühen Beschränkung auf bilaterale Verhandlungen mit nur einem Bieter ist die geringere Komplexität und damit einhergehend die in der Regel kürzere Prozessdauer. Ein Bieterverfahren ist oft aufwendig und komplex. Es erfordert eine sorgfältige Vorbereitung, damit das eigentliche Bieterverfahren streng nach Fahrplan durchgeführt werden kann. Darüber hinaus binden parallel geführte Due-Diligence-Prüfungen, Managementpräsentationen und Vertragsverhandlungen mit mehreren Bietern erhebliche Ressourcen beim Verkäufer und auch beim Management des zu verkaufenden Unternehmens. Bei bilateralen Verhandlungen ist der zeitliche Aufwand geringer und zudem die Flexibilität größer.
Ein weiterer relevanter Vorteil ist das geringere Risiko, dass vertrauliche Informationen nach außen dringen. Bei einem Bieterverfahren sind nicht nur mehrere Bieter über den laufenden Verkaufsprozess informiert und erhalten im Rahmen der Due Diligence Zugang zu vertraulichen Informationen über das Unternehmen, sondern auch jeweils deren Rechtsanwälte und Due-Diligence-Berater. Die Praxis zeigt, dass bei Bieterverfahren gelegentlich Informationen durchsickern und sich zumeist der Verantwortliche nicht feststellen lässt. Dies ist bei einem Verfahren mit nur einem Bieter naturgemäß anders.
Ein weiteres Argument für bilaterale Verhandlungen können die Transaktionskosten sein. Da der Prozess weniger formell und strukturierter abläuft, sind die Transaktionskosten in der Regel geringer. Es werden weniger Berater und weniger administrative Vorbereitungen benötigt. Die Kostenersparnis ist jedoch in der Regel nicht so groß und wird zudem meistens durch die bessere Position bei Kaufpreisverhandlungen überkompensiert. Dringend abzuraten ist zudem davon, bei bilateralen Verhandlungen auf die Einbindung eines M&A-Beraters beziehungsweise einer Investmentbank zu verzichten. Viele Verkäufer meinen, den idealen Käufer bereits ausfindig gemacht zu haben, und wollen dann oftmals den Prozess ohne M&A-Berater durchführen, um Kosten zu sparen. Dabei ist ein M&A-Berater gerade auch bei bilateralen Verhandlungen sinnvoll, um den Verkäufer bei der Ausgestaltung des Prozesses und insbesondere bei den kommerziellen Verhandlungen zu unterstützen. Zudem zeigt die Einbindung eines M&A-Beraters dem ausgewählten Bieter, dass im Zweifel schnell ein Bieterverfahren gestartet werden kann, falls der Bieter den fehlenden Wettbewerb zu sehr zur Optimierung seiner Verhandlungsposition auszunutzen versucht. Außerdem kann und sollte der Verkäufer seine Entscheidung, sich früh auf einen Kaufinteressenten festzulegen, mit dem M&A-Berater nochmals verproben.
Direkte Verhandlungen fördern oft eine engere Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer. Dies kann besonders wichtig sein, wenn der Verkäufer auch nach dem Verkauf eine Rolle im Unternehmen spielen möchte.
FAZIT
Das Bieterverfahren eignet sich besonders dann, wenn der Verkäufer möglichst optimale Konditionen und insbesondere einen möglichst hohen Preis erzielen möchte. Voraussetzung für ein Bieterverfahren ist aber, dass sich genügend stark interessierte Bieter finden lassen. Zu bedenken ist weiter, dass der Verkäufer und das Management des Unternehmens einen komplexeren und zeitintensiveren Prozess in Kauf nehmen müssen. Bilaterale Verhandlungen bieten demgegenüber mehr Vertraulichkeit, geringere Komplexität und auch etwas geringere Kosten, sind jedoch mit dem Risiko verbunden, dass der bestmögliche Preis und optimale Vertragsbedingungen nicht erreicht werden. Zudem besteht das Risiko, dass der potenzielle Käufer plötzlich aussteigt oder die von ihm gebotenen Konditionen für den Verkäufer inakzeptabel sind – mit der Folge, dass der Verkaufsprozess neu gestartet werden muss.
👉 Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024.
Boris Dürr
Boris Dürr ist Managing Partner bei Heuking. Seine Beratungsschwerpunkte sind unter anderem Mergers and Acquisitions (M&A), Private Equity, Gesellschaftsrecht sowie Aktien- und Kapitalmarktrecht.