Stefan Messer, Messer Group GmbH: Die Identität bewahren – dank oder trotz Private Equity (Ausgabe 3/2007)

Finanzinvestoren sind gute Sanierer in schwierigen Situationen, doch bereits bei der Übernahme sind die Szenarien des Exits meist konkret und unemotional formuliert. Wenn es aber darum geht, ein Unternehmen langfristig zu entwickeln, sind sie völlig fehl am Platz.
Von Stefan Messer, Eigentümer und Gesellschafter der Messer Group GmbH
Finanzinvestoren sind gute Sanierer in schwierigen Situationen, doch bereits bei der Übernahme sind die Szenarien des Exits meist konkret und unemotional formuliert. Wenn es aber darum geht, ein Unternehmen langfristig zu entwickeln, sind sie völlig fehl am Platz.

Nicht ganz freiwillig wurden im Jahr 2001 die Geschicke der traditionsreichen Messer Griesheim Gruppe in die Hände von Finanzinvestoren gelegt. Im April 2001 erwarben Allianz Capital Partners (ACP) und die Fonds von Goldman Sachs (GS) im Rahmen des zum damaligen Zeitpunkt größten Leveraged Buyouts in Europa eine Beteiligung von 67% an dem Frankfurter Industriegasespezialisten. Der für drei Jahre geplante Sanierungskurs mit dem Ziel, 100 Mio. Euro im Jahr an Einsparungen durch Restrukturierung und einmalig 400 Mio. Euro durch Fokussierung auf Kernregionen zu erzielen, war allerdings die sprichwörtliche Rettung in letzter Sekunde.

Der Übernahme ging jahrelanges Missmanagement seitens des Hauptanteileigners, der damaligen Hoechst AG, voraus, der seine kerngesunde Gasesparte durch eine massive Globalisierungsstrategie schließlich an den Rand des Ruins trieb. Hoechst hielt seit einer Fusion im Jahr 1965 zwei Drittel an unserem 1898 von meinem Großvater Adolf Messer gegründeten Unternehmen. Viele Jahre lang war das eine harmonische und sehr erfolgreiche Symbiose. Nach dem Übergang zur Aventis S.A. durch die Fusion mit dem französischen Pharmahersteller Rhône Poulenc passte die Messer Griesheim Gruppe dann nicht mehr ins gewünschte Portfolio. Da hatten aber unbedachte und riesige Investitionen schon längst dafür gesorgt, dass Messer, einst einer der Top-Player am Industriegasemarkt, mit einer weit überhöhten Finanzschuldenlast zu kämpfen hatte. Jahrelange, schwierige Verhandlungen mit mehreren Interessenten an dem Unternehmen endeten schließlich mit der Übernahme durch Finanzinvestoren.

Nach längeren Verhandlungen übernahmen schließlich ACP und GS je die Hälfte der Aventis-Anteile sowie zwei Drittel der Nettoschulden von immerhin 1,72 Mrd. Euro. Die Möglichkeit, die Beteiligung der Gesellschafterfamilie langfristig zu sichern, die weiterhin ein Drittel an der Messer Griesheim Gruppe hielt, wahrten wir durch die Vereinbarung einer Call-Option, die in dem Vertragskonvolut einen vergleichsweise kleinen Passus ausmachte. Dafür wurde den Investoren zugestanden, das gesamte Unternehmen einschließlich unserer Anteile zu veräußern, sollten wir die Call-Option nicht in dem äußerst kurzen Zeitfenster von nur sechs Monaten ziehen. Wir haben es dennoch realisiert, mit vereinten Kräften von Investoren, Familie und Rat- und Kapitalgebern – aber getrieben von dem Wunsch, die Identität des Unternehmens trotz Neustrukturierung zu wahren und es für kommende Generationen zu erhalten. In allen Verhandlungen habe ich diesen Wunsch immer zum Ausdruck gebracht. Das hat überzeugt.

Drei Jahre später ist Messer 2004 in den einhundertprozentigen Besitz der Gründerfamilie zurückgekehrt. Vor allem das originäre und langfristige Interesse am Geschäft, die Verantwortung für die Mitarbeiter und Partner und das Vertrauen der Kunden und Kapitalgeber haben mir die Zielstrebigkeit und Kraft verliehen, die Messer Gruppe zurück in die Selbstständigkeit zu führen. Im Jahr 2004 konnten wir von der drei Jahre zuvor eingeleiteten Restrukturierung und Fokussierung profitieren und einen profitablen Neustart beginnen. Am 6. Mai übernahm die Holding der Familie Messer sämtliche Anteile am Unternehmen und veräußerte zugleich zur Finanzierung dieses Erwerbs einen Teil des Geschäfts für fast 2,7 Mrd. Euro an einen Wettbewerber. Darunter schweren Herzens auch das Geschäft im Heimatmarkt Deutschland. Doch auch die Investoren haben profitiert: Sie erzielten für ihre Anteile eine überdurchschnittliche Rendite.

Die darauf begründete Etablierung der Messer Group GmbH als Holdinggesellschaft aller ausländischen Tochterunternehmen der Messer Gruppe am 7. Mai 2007 war der erfolgreiche Neustart als größter eigentümergeführter Industriegasespezialist. Auf eine ähnliche Weise gelang es mir und meiner Familie, im Januar 2005 das Schwesterunternehmen Messer Eutectic Castolin vom Mehrheitsaktionär Carlyle zurück zu erwerben. In allen Verhandlungen habe ich diesen Wunsch immer zum Ausdruck gebracht. Gemeinsam haben wir eine Basis zur wertsteigernden Weiterentwicklung geschaffen.

 

Autorenprofil

Stefan Messer ist Chief Executive Officer der Messer Group GmbH mit Hauptsitz in Sulzbach am Taunus. Mit über 4.200 Mitarbeitern und einem konsolidierten Umsatz von 630 Mio. Euro im Jahr 2006 ist die 1898 gegründete Messer Group das weltweit größte eigentümergeführte Industriegasunternehmen.
www.messergroup.com

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