StaRUG: Aktuelle Entwicklungen

Chancen und Risiken nach Leoni AG und Varta AG für Gesellschafter

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Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 Unternehmen die Möglichkeit gegeben, sich frühzeitig und außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren. Dies wurde öffentlichkeitswirksam von der Leoni AG und der Varta AG genutzt. Die Fälle zeigen, wie weitreichend die Eingriffsmöglichkeiten des StaRUG sind – und welche erheblichen Auswirkungen diese insbesondere für Gesellschafter haben können.

Im Fall der Leoni AG wurde das StaRUG erstmals von einem börsennotierten Unternehmen genutzt, um einen Restrukturierungsplan gegen den Widerstand einer Gruppe von Betroffenen durchzusetzen. Die Gesellschaft stand vor erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, die eine umfassende Restrukturierung der Kapitalstruktur erforderlich machten. Dazu wurde von der Gesellschaft ein Restrukturierungsplan vorgelegt, in dessen Mittelpunkt die Herabsetzung des Grundkapitals auf null, gefolgt von einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss der Bezugsrechte der Altaktionäre, stand. Das Ergebnis war der vollständige Verlust der bisherigen Aktionärsrechte und eine Übernahme der Gesellschaft durch einen neuen Investor. Die Altaktionäre wurden faktisch enteignet, ohne hierfür eine Kompensation zu erhalten – obwohl die Altaktionäre überwiegend gegen den Restrukturierungsplan stimmten.

Durchsetzung des Restrukturierungsplans gegen die Mehrheit der Aktionäre

Dieses auf den ersten Blick vielleicht überraschende Ergebnis steht jedoch im Einklang mit dem StaRUG: Denn für die Verabschiedung eines Restrukturierungsplans ist nicht die Zustimmung von 100% der Betroffenen erforderlich. Ausreichend ist, dass innerhalb der im Restrukturierungsplan gebildeten Gruppen (§ 9 StaRUG) jeweils eine Mehrheit von mindestens 75% dem Restrukturierungsplan zustimmt (§ 25 StaRUG). Wird dieses Quorum in einer Gruppe nicht erreicht, kann deren Zustimmung jedoch nach § 26 StaRUG fingiert werden (sogenannter Cross-class Cram-down). Voraussetzung für diesen Cross-class Cram-down ist insbesondere, dass die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden („Schlechterstellungsverbot“, § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG).

Der Restrukturierungsplan bei der Leoni AG sah drei Gruppen vor, wobei die ersten beiden Gruppen mit einer Mehrheit von über 75% ihre Zustimmung erteilten. Die dritte Gruppe, die aus den Kleinaktionären der Leoni AG bestand, stimmte dem Restrukturierungsplan nicht zu.

Gleichwohl bestätigten die Gerichte den Restrukturierungsplan unter Verweis auf § 26 StaRUG. Die Versuche einzelner Betroffener, gegen diese Bestätigung vorzugehen, scheiterten: Denn nach Einschätzung des Gerichts hatten diese nicht glaubhaft gemacht, dass sie durch den Plan wesentlich schlechter gestellt werden (§ 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG). Ein Alternativszenario, nach dem die Altaktionäre besser stünden als durch den Restrukturierungsplan, konnten sie nicht darlegen. Das nächstbeste Alternativszenario zu dem Restrukturierungsplan sei allein das Insolvenzverfahren gewesen. In der Insolvenz erhalten die Aktionäre jedoch erst nach vollständiger Befriedigung aller anderen (auch nachrangigen) Verbindlichkeiten einen Resterlös. Dieser Fall tritt in der Regel nicht ein.

Auch bei der Varta AG wurde das StaRUG genutzt, um die Passivseite umfassend zu restrukturieren, die Altaktionäre mittels eines Kapitalschnitts auszuschließen und lediglich bestimmte Investoren, die hierfür neue Finanzmittel bereitstellten, als Neuaktionäre zuzulassen. Die Versuche der Altaktionäre, sich gegen diese Maßnahmen gerichtlich zur Wehr zu setzen, scheiterten ebenso wie im Fall Leoni AG, da auch sie keine Schlechterstellung durch den Restrukturierungsplan aufzeigen konnten.

Drohende Zahlungsunfähigkeit ausreichend

Diese beiden Präzedenzfälle verdeutlichen, dass das StaRUG in der Praxis zu einer erheblichen Machtverschiebung zugunsten der Gläubiger führt. Der Erhalt des Unternehmens ist gegenüber den Rechten der Gesellschafter vorrangig, sobald das StaRUG zur Anwendung kommt. Für Unternehmer und Gesellschafter ist es deshalb wichtiger denn je, sich frühzeitig mit dem Anwendungsbereich und den Auswirkungen eines StaRUG-Verfahrens auseinanderzusetzen.

Die Geschäftsleitung eines Unternehmens kann bereits bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit – und damit schon deutlich vor der eigentlichen Insolvenzreife einen Restrukturierungsplan aufstellen und zur Abstimmung bringen. Der Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit beträgt regelmäßig 24 Monate (§ 18 Abs. 2 InsO). Für die Prognoseentscheidung kommt es ausschließlich auf die Bewertung des Managements an. Je nachdem, welche Annahmen der Zahlungsfähigkeitsprüfung zugrunde gelegt werden, kann die Prognose sowohl in die eine als auch in die andere Richtung ausschlagen. Für Gesellschafter ist es deshalb unerlässlich, die wirtschaftliche Lage des eigenen Unternehmens kontinuierlich zu überwachen und restrukturierungsrechtlich einzuordnen. Wer Warnsignale für eine drohende Zahlungsunfähigkeit ignoriert, riskiert, von Restrukturierungsmaßnahmen überrascht zu werden, die auch zum vollständigen Verlust der Vermögenswerte führen können. Frühzeitige Kommunikation mit der Geschäftsleitung und die Einbindung in Sanierungsüberlegungen sind daher essenziell.

Zudem sollten Gesellschafter darauf achten, dass alternative Sanierungsoptionen – etwa Eigenkapitalmaßnahmen außerhalb des StaRUG oder Verhandlungen mit Gläubigern – rechtzeitig geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden. Inwiefern die Gesellschafter die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens aufgrund einer von der Geschäftsleitung angenommenen drohenden Zahlungsunfähigkeit verhindern können, ist in der Rechtspraxis umstritten. Die Rechtsprechung hat sich hier zuletzt nicht zugunsten der Gesellschafter entwickelt. Ein Gesellschafterbeschluss ist für die Einleitung des StaRUG-Verfahrens nicht erforderlich, wenn das Restrukturierungsvorhaben die einzig erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren darstellt.

Wird eine drohende Zahlungsunfähigkeit frühzeitig erkannt, sollten Gesellschafter unmittelbar aktiv werden. In diesem Stadium bestehen zum einen erhebliche Risiken für die Gesellschafter bis hin zum vollständigen Verlust der Gesellschaftsanteile, zum anderen liegt darin auch eine Chance zur Sanierung des Unternehmens mit einer neuen Kapitalstruktur, zum Beispiel durch den Ausschluss obstruierender Gesellschafter und die faktische Übernahme der Gesellschaft durch sanierungswillige Gesellschafter. Auch hierfür gab es zuletzt Präzedenzfälle, wie den Fall der Softline AG aus Leipzig, bei der ein Großaktionär im Zuge eines StaRUG-Verfahrens sämtliche Anteile an dem Unternehmen übernommen hat.

Prüfung der Alternativszenarien

Rechtlich ist zu beachten, dass die Anfechtung eines bestätigten Restrukturierungsplans hohe Hürden aufweist. Die Gesellschafter müssen glaubhaft machen, dass sie durch den Restrukturierungsplan wesentlich schlechter gestellt werden als im Alternativszenario. In der Praxis gelingt dieser Nachweis nur selten, da die Gerichte regelmäßig davon ausgehen, dass die Anteile im Insolvenzfall als Alternativszenario ohnehin wertlos wären. Umso wichtiger ist es, im Vorfeld eines StaRUG-Verfahrens auf die Erstellung und Offenlegung von Alternativszenarien zu dringen und diese kritisch zu hinterfragen. Wie bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit sollten insbesondere die zugrunde liegenden Annahmen überprüft werden. Wie stets bei Restrukturierungen gilt auch hier der Grundsatz, dass eine frühe und umsichtige Planung die Restrukturierungschancen – gegebenenfalls unter Mitwirkung der Gesellschafter – massiv erhöht, da zu diesem Zeitpunkt idealerweise noch ausreichend Liquidität bereitsteht, um Restrukturierungsmaßnahmen anzustoßen.

FAZIT

Das StaRUG ist nicht mehr bloß ein Drohmittel bei stockenden Verhandlungen, sondern kann und wird nun auch tatsächlich eingesetzt, um obstruierende Gesellschafter auszuschließen. Nur wer die eigenen Rechte und Risiken kennt und sich rechtzeitig aktiv in den Restrukturierungsprozess einbringt, kann verhindern, dass er im Ernstfall zum bloßen Zuschauer wird. Leoni AG und Varta AG sind dabei Mahnung und Wegweiser zugleich.

👉 Dieser Beitrag ist auch in unserer Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2025 erschienen.

Autorenprofil
Dr. Robert Brahmstaedt
Partner at GÖRG | Website

Dr. Robert Brahmstaedt ist Partner bei der GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Hamburg, mit dem Fokus auf Restrukturierungen und auf insolvenznahe Sachverhalte sowie der Beratung von Geschäftsleitern, Gesellschaftern sowie Gläubigern

Autorenprofil
Wanja Postel
assoziierter Partner at GÖRG | Website

Wanja Postel ist assoziierter Partner bei der GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Hamburg, mit dem Fokus auf Restrukturierungen und auf insolvenznahe Sachverhalte sowie der Beratung von Geschäftsleitern, Gesellschaftern sowie Gläubigern.

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