Ronnefeldt: „Für uns steht der Genuss im Vordergrund“

Interview mit Jan-Berend Holzapfel, geschäftsführender Inhaber, J.T. Ronnefeldt KG

Der Inhaber Jan-Berend Holzapfel des Teehauses Ronnefeldt setzt auf den strategischen Ausbau der Kernmärkte und neuer internationaler Märkte.
Foto: © J.T. Ronnefeldt KG

Das Teehaus Ronnefeldt feierte im vergangenen Jahr sein 200-jähriges Jubiläum. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Frankfurt/Main vertreibt mit 150 Mitarbeitern 350 verschiedene Teesorten im Highend-Segment der Vier- und Fünf-Sterne-Hotels in 80 Ländern weltweit. 700 Tonnen Tee werden hier jährlich am Produktionsstandort in Worpswede verarbeitet. Wir sprachen mit dem Inhaber Jan-Berend Holzapfel, der auf den strategischen Ausbau der Kernmärkte und neuer internationaler Märkte setzt. 

Unternehmeredition: Herr Holzapfel, Sie leiten das Ronnefeldt-Imperium seit 20 Jahren in der neunten Generation, wenn man das so sagen darf.

Wir haben in unserem Jubiläumsbuch jetzt sogar zehn Generationen ausgewiesen. Aber es ist alles ein bisschen schwierig, über die lange Zeit so etwas genau festzumachen. Also es sind mehrere Generationen, insgesamt zwei Familien und 200 Jahre dokumentierte Geschichte.

Die Nachfolge ist bekanntlich keine einfache Entscheidung, gerade wenn man Geschwister oder auch andere Ziele im Leben hat. Wie haben Sie die Übergabe damals erlebt?

Mein Vater hat mich und meinen Bruder gefragt, wer denn das Unternehmen übernehmen möchte. Da waren wir relativ jung: ich war 16 und mein Bruder 14. Die Antwort war eindeutig. Ich fand alles, was mit dem Unternehmen zusammenhing, hochspannend und hochinteressant, wohingegen mein Bruder sich zum damaligen Zeitpunkt für eine ganz andere Branche interessiert hat. Insofern war die Entscheidung eine klare Angelegenheit.

Sie waren der ältere Bruder, war es damit nicht ohnehin traditionell vorgegeben, dass Sie das Unternehmen übernehmen, und wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Na ja, die Tradition. Ich glaube, in dem Punkt hätten sich meine Eltern nicht darangehalten, also egal ob Schwester oder Bruder, sie waren modern und aufgeschlossen. Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung habe ich meine Ausbildung bereits in diese Richtung gelenkt. Ich habe in der Schule den Leistungskurs Wirtschaft/Recht belegt und das mit Englisch kombiniert. Das war schon mal eine gute Marschrichtung. Dann habe ich auf Anraten meines Vaters eine Banklehre absolviert. Er führte damals schwierige Gespräche mit Banken und war der Ansicht, dass es gut wäre, die andere Seite kennenzulernen. Dann habe ich an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert, weil das die größte deutschsprachige Wirtschaftsfakultät in Europa ist. Es gab dort auch spezielle Institute für kleine und mittelständische Betriebe. Da habe ich mein Studium hauptsächlich absolviert und mich nebenbei mit Unternehmensethik befasst. Insofern habe ich alles bereits in die richtige Richtung gelenkt.

Auslandserfahrung haben Sie auch vorab gesammelt, richtig?

Ja, ich habe ein Semester an der University of Illinois studiert. 1999 bin ich dann noch während des Studiums nach Dubai gegangen, habe dort meine eigene Firma gegründet und angefangen, Ronnefeldt zu verkaufen. Wir haben damals gerade mit dem Export angefangen und ich wollte das gerne an einem Markt mal selbst ausprobieren und habe das drei, vier Jahre lang gemacht. Das war eine spannende Zeit. Morgens habe ich Ware ausgeliefert, mittags verkauft, nachmittags Schulungen gemacht und abends für die Uni studiert. Am Ende hatten wir dort rund 18 Mitarbeiter vor Ort.

2002 erfolgte dann der offizielle Start im Mutterhaus.

Genau. Dort habe ich als Assistent der Geschäftsführung angefangen, zunächst Projektarbeit geleistet und dann immer mehr Verantwortung übernommen. Mein Vater wollte damals unbedingt eine Übergangszeit von zehn Jahren. Das fand ich sehr viel, vielleicht sogar zu viel. Aber ich habe dem zugestimmt und wir haben dann noch einen Beirat einberufen, der diese Zeit begleitet hat. Also habe ich „in den sauren Apfel gebissen“ und zehn Jahre parallel mit meinem Vater gearbeitet. Aber dadurch, dass wir einen sehr guten Unternehmensbeirat hatten, war das sehr gut begleitet und funktionierte dadurch letztendlich auch. Mein Vater war 2012 auch sehr konsequent und hat seine Sachen gepackt, sein Büro aufgelöst und ist nicht mehr wieder in die Firma gekommen.

Sie sind aber nicht im Streit auseinandergegangen? Können Sie mir vielleicht trotzdem ein paar Beispiele nennen, wo es, zum Beispiel aufgrund des Generationenunterschiedes Meinungsverschiedenheiten gab?

Natürlich gab es auch unterschiedliche Sichtweisen, von der Organisation des Unternehmens bis hin zu modernen Vertriebswegen. Aber die Auseinandersetzung war immer konstruktiv. Bei Themen wie Internethandel oder wie man die jüngere Generation anspricht und zu Teetrinkern macht, da waren wir nicht immer einer Meinung, aber wir haben diese Konflikte nie am Konferenztisch ausgetragen, sondern im stillen Kämmerlein oder bei einem guten Glas Wein. Und ich glaube auch, dass das in der Belegschaft insgesamt gut angekommen ist, dass wir solche Dinge für uns behalten haben, und in den meisten Punkten waren wir sowieso einer Meinung.

Und wenn Sie jetzt zurückblicken, würden Sie den Weg, den Sie damals gegangen sind, weiterempfehlen?

Man muss sich die einzelnen Unternehmen, die Unternehmensgröße und die Branchen, schon genau anschauen. Aber ich würde sagen, dass zehn Jahre auf jeden Fall zu viel ist. Da verpufft auf der einen Seite jeder Elan der nachfolgenden Generation, und auf der anderen Seite tut sich durch dieses langsame Loslassen auch die ältere Generation keinen Gefallen.

Was würden Sie als ideale Zeitspanne sehen?

Ich kann mir gut vorstellen, dass zwei oder drei Jahre für viele Unternehmen richtig sind. Ein Unternehmen hängt ja nicht nur am Inhaber, sondern es gibt funktionierende Prozesse, Abteilungen, Management, Mitarbeiter. Insofern geht das Unternehmen nicht gleich unter, nur weil sich an der Inhaberschaft etwas ändert. Umgekehrt kann man einen großen Tanker auch nicht von jetzt auf gleich herumreißen.

Natürlich waren die patriarchalen Strukturen früher auch noch stärker verankert. Sie selbst haben Kinder im Teenageralter. Wie wollen Sie denn Ihre eigene Nachfolge handhaben?

Mit der patriarchal-archaischen Struktur sind wir in den 60er, 70er und 80er Jahren in Deutschland gut gefahren. Jedenfalls ist der Erfolg deutlich sichtbar. Und so etwas hängt natürlich immer auch von der Unternehmensgröße ab. In einem kleinen Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern lässt sich das vielleicht noch einfacher gestalten. Bei den modernen Anforderungen an Know-how, Prozesse etc. lässt sich ein Unternehmen mit einem Leader, der alles von oben bestimmt, gar nicht mehr kontrollieren. Das ist weder vom Management noch von den Mitarbeitern heute gewünscht, noch ist es erfolgreich.

Wie würden Sie Ihre Organisationsstruktur heute beschreiben?

Deutlich breiter. Wir haben in den letzten Jahren hervorragende Fachleute ins Unternehmen geholt, die von ihrem Fach Ahnung haben und ihre Bereiche als Team leiten. Und insofern funktionieren Kommunikation, Abstimmung und Strategieentwicklung heute anders als früher. Die Abstimmungsprozesse sind flacher und beruhen mehr auf gemeinsamem Verständnis als auf der Faust-auf-den-Tisch-Methode.

Kommen wir mal zu Ihrem Kernthema, dem Tee. Was macht für Sie den Reiz von Tee aus?

Tee ist ein fantastisches Produkt. Es schmeckt lecker und es gibt eine wahnsinnige Vielfalt und immer etwas Neues zu entdecken. Die Kultur und die Traditionen, die damit verbunden sind, in die Moderne zu heben und zu erleben, ist einfach super. Mein Job ist relativ simpel: Ich brauche immer nur jemandem eine gute Tasse Tee hinzustellen, schon habe ich ihn überzeugt. Deswegen habe ich Hochachtung vor allen anderen Unternehmern oder Verkäufern, die sich mit weniger unmittelbar erlebbaren Produkten wie Schrauben oder Heizkörpern befassen. Das ist eher mühsam, aber bei Tee macht es richtig Spaß. Ich brauche gar nicht viel Worte. Und wir haben auch eine fantastische Kundschaft. Das sind feine Hotels oder schöne Teefachgeschäfte. Und insofern sind die Umgebung und die Menschen, mit denen man zu tun hat, sehr angenehm.

Wie würden Sie das Image von Tee in der heutigen Welt beschreiben. Wo muss man ansetzen, wenn es um Zielgruppen geht?

Foto: © J.T. Ronnefeldt KG

Ich bin sehr glücklich, dass der Tee sein Krankenhaus- und Jugendherbergsimage verloren hat. Und dass Tee heute einfach ein Genussmittel ist, das 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche getrunken wird und Menschen und Familien, aber auch Nationalitäten verbindet. Und wenn ich sehe, dass wir gerade bei der jungen Generation sehr viel neue Teetrinker haben, die sich damit beschäftigen und die auch wirklich Ahnung haben und das einfach als ein wohlschmeckendes und nebenbei auch noch gesundes Getränk empfinden, dann freut mich das sehr. Schön auch, dass Tee mit profitiert von den Trends dieser Zeit. Dazu zählen Themen wie eine vegetarische, vegane, naturnahe Ernährung, Alkoholverzicht und Gesundheit. Das macht eine Menge Spaß und ich bin überzeugt, dass der Teemarkt weiterwachsen wird.

Stehen Sie eigentlich in Konkurrenz zum Kaffee? Würden Sie das so sehen?

Dazu gibt es verschiedene Untersuchungen. Es gibt Menschen in Deutschland, die ausschließlich Kaffee trinken. Und es gibt ausschließliche Teetrinker. Aber die große Mehrheit genießt beides. Und das passt meines Erachtens zum liberalen Getränk Tee. Wir wissen, dass manche Menschen ihren starken Kaffee am Morgen brauchen. Ich trinke lieber einen Tee, weil die Wirkung hier viel länger anhält, aber ich sehe das als ein schönes Nebeneinander und nicht als Konkurrenz.

Wir betonen in unserer Kommunikation eigentlich nie die Gesundheitswirkungen oder die Frage, ob Bio oder nicht Bio, sondern für uns steht der Genuss im Vordergrund. Tee kann man wunderbar nicht nur zum Frühstück, sondern auch am Nachmittag oder am Abend genießen. Und das ist, worauf wir uns fokussieren.

Lag der Fokus schon immer auf der 4-bis-5-Sterne-Hotellerie?

Die Geschichte von Ronnefeldt über 200 Jahre ist wechselvoll. Aber was Ronnefeldt schon immer gemacht hat, war, die gehobene Hotellerie zu beliefern. Schon Johann Tobias Ronnefeldt begann 1823, in den Kurbädern Wiesbaden, Schlangenbad und Baden-Baden usw. Kunden in der Hotellerie zu gewinnen. Und schon immer gab es in Deutschland Fachgeschäfte, die wir beliefert haben. In den 70er und 80er Jahren, bevor mein Vater das Unternehmen übernommen hat, war das allerdings schon sehr breit gefächert, auch diverse Einrichtungen, von Kindergärten über Krankenhäuser bis hin zur Bundeswehr, hat Ronnefeldt beliefert. Und mein Vater fand, dass das ein zu großer Spagat sei und hat, dann die anderen Bereiche alle rausgeworfen. Seitdem konzentrieren wir uns ausschließlich auf die gehobene Hotellerie und hier haben wir auch unser langes Standbein drin und bieten unseren gesamten Service von Ausstattungsmaterialien bis hin zu Schulungen etc. Deswegen findet man unser Produkt auch kaum im Supermarkt.

Und wohin geht bei Ihnen jetzt das Wachstum? Liegt der Fokus auf regionaler Expansion oder gibt es noch andere Segmente oder Märkte, die Sie für Ihre Expansion im Blick haben?

Die Hotellerie ist ein internationales Geschäft. Wir bedienen heute ungefähr 70 Länder in der Welt und bei der UNO sind etwa 200 registriert. Also haben wir noch ein bisschen was vor uns. Ich glaube auch, dass der Tourismus generell wächst, und insofern bieten sich da für uns Chancen, die wir gerne nutzen wollen. Auch der Internethandel wächst nach wie vor. Auch da sehe ich noch Perspektiven.

Überraschenderweise gibt es immer wieder noch junge Menschen, die ein Teefachgeschäft oder ein Schokoladenfachgeschäft eröffnen und Tee gerne als Angebot mit reinnehmen, weil das regelmäßig für wiederkehrende Kunden sorgt. Zufällig hat in meinem Heimatdorf gerade eine junge Dame ein Teefachgeschäft eröffnet und möchte dort mit Tee und ein bisschen Küchenzubehör ihre Kundschaft erreichen. Und das macht sie, weil es ein Produkt ist, das man am besten hautnah erlebt, wo man mal dran riechen kann und eine Beratung bekommt oder wo man vielleicht auch einfach nur mal eine 20-Gramm-Probe mit nach Hause nimmt und schaut, ob sie einem schmeckt. Nach der Coronazeit sehen wir, dass die Kunden diese Art von hautnahem Erlebnis gerne wieder haben möchten.

Ein gutes Stichwort: Corona war sicherlich eine krasse Zäsur für alle. Wie groß waren Ihre Einschnitte?

Dadurch, dass unser Hauptgeschäft in Hotellerie und Gastronomie liegt und das auch international, sind wir sehr stark betroffen gewesen. Von einem Tag auf den nächsten ist dieses Geschäftsfeld komplett zusammengebrochen. Sie wissen, die Hotels waren geschlossen, die Restaurants geschlossen, Reisen war schwierig und Grenzübertritte teilweise verboten.

Und da wurde dann der Onlinehandel hochgefahren.

Der hat sich mehr als verdoppelt. Aber das war kein Ausgleich für die Hotellerie und Gastronomie. Das war schon eine harte Zeit. Aber ich glaube, in einem Familienunternehmen kann man solche Krisen ein bisschen besser durchstehen. Zum einen, weil wir keine Quartalsberichte veröffentlichen müssen, sondern auch mal rote Zahlen aushalten können und zum anderen, weil die Mitarbeiter viel enger mit dem Unternehmen verbunden sind und es auch verstehen, dass das jetzt einfach eine schwierige Zeit ist. Mit Kurzarbeit haben wir es zusammen durchgestanden. Wir sind sehr froh darüber, dass wir niemanden in dieser schwierigen Zeit entlassen mussten.

Haben Sie staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen müssen?

Einerseits haben wir vom Kurzarbeitergeld profitiert, auf der anderen Seite gab es ja Überbrückungshilfen − auch das kam uns zugute, war aber insgesamt natürlich kein Ausgleich für die für die roten Zahlen in diesen Jahren.

Wie haben sich denn Ihre Geschäftszahlen entwickelt?

Wir sind mittlerweile wieder auf Wachstumskurs. 2020 und 2021 gingen die Zahlen runter. Aber seit 2022 geht es wieder aufwärts, und wir haben wieder unser Vor-Corona-Niveau erreicht, was glaube ich schon sensationell ist, wenn wir daran denken, dass in China nach wie vor sehr wenig funktioniert, Russland und Belarus komplett weggefallen sind und auch die Ukraine nur noch den halben Umsatz macht. Unsere Ansprüche liegen dennoch höher, wir wollen auf jeden Fall noch weiterwachsen. Genaue Zahlen geben wir diesbezüglich allerdings nicht bekannt. Denn wir sind ja keine AG, sondern eine KG mit persönlich haftendem Gesellschafter.

Bleiben wir mal beim internationalen Geschäft. Vielleicht können Sie uns die Entwicklung aufzeigen, wie sie ins Ausland expandiert sind und welche Märkte für Sie die wichtigste Bedeutung haben.

Seit 25 Jahren sind wir im Export und sind besonders erfolgreich in Osteuropa, im Mittleren Osten und in Asien, aber auch in Südafrika. Eher schwer tun wir uns in Frankreich, Portugal und Spanien, denn das sind wirklich Kaffeetrinker.

Nun sind gerade jetzt die Märkte, in denen sie besonders erfolgreich sind, wie China und Osteuropa, zuletzt stark von diversen Krisen betroffen.

Osteuropa mit Ausnahme von Russland, Belarus und der Ukraine funktionieren sehr gut. Da haben wir auch ein gutes Management in der Coronakrise gehabt. Also die Gastronomie war da deutlich länger offen und der Mittlere Osten boomt sowieso, Dubai vorneweg, aber natürlich auch Katar, Saudi Arabien etc., und Asien mit Ausnahme von China funktioniert auch gut.

Und wie ist Ihre künftige Strategie besonders auch mit Blick auf die geopolitischen Entwicklungen?

Wir können und wollen sicher nichts dagegen machen, dass unser Produkt in Asien angebaut wird, also sowohl in China als auch in Indien, Indonesien und Thailand usw. Dort haben wir seit Jahrzehnten, teilweise sogar seit Generationen, unsere Partner, die für uns produzieren. Da sehe ich erst mal keinen unmittelbaren Änderungsbedarf. Und der Export von Lebensmitteln war schon immer schwierig, insofern sind wir es ein bisschen gewohnt, die wechselhaften Anforderungen der Zoll- und Lebensmittelbehörden der jeweiligen Länder immer zur vollsten Zufriedenheit beantworten zu können.

Und wie sieht es mit der Lieferkettenproblematik und anderen weltweiten Bedrohungen aus? Sind und waren Sie davon betroffen?

Die Lieferkette gilt mehr für die Schifffahrt, da hatten wir natürlich alle Themen, aber wir haben immer eine ganz gute Bevorratung, insofern können wir das ausgleichen. Tee wächst und wird jeden Tag geerntet. Da hatten wir jetzt nicht so das Thema damit.

Was uns natürlich betrifft, ist der Klimawandel. Und das ist einerseits negativ, weil in manchen Gebieten einfach zu viel Regen in zu kurzer Zeit fällt und andererseits positiv, weil durch den Klimawandel auch neue Anbaugebiete entstehen. Und mit diesem Spagat leben wir und das ist eigentlich ganz faszinierend, weil wir jetzt beispielsweise aus Neuseeland oder aus Kolumbien wunderbare Tees neu beziehen.

Wie schaffen Sie es, auf solche regionalen Verschiebungen zu reagieren?

Ich demonstriere Ihnen das mal an einem Beispiel. Wir können Kamille in Ägypten, in Albanien, in Ungarn oder in Thüringen kaufen. Insofern sind wir bei einem solchen Produkt flexibel und auch nicht ganz so wetterabhängig. Und das gilt letztendlich für sehr viele Sorten. Genauso kann man Pfefferminze in Deutschland, aber auch in den USA kaufen. Ebenso sind Tschechien und Slowenien gute Anbauländer für Pfefferminze. Da sind wir also flexibel, und wir sind ein kleiner Teehersteller. Wir brauchen jetzt nicht ganze Lkw-Ladungen voller Pfefferminze.

Sie haben den Anspruch, mit Ihrem Tee gehobene Bedürfnisse zu befriedigen. Was macht eigentlich einen Luxustee aus?

Der Tee muss dem jeweiligen Gast schmecken. Das kann teurer sein, das kann billiger sein, das kann einer sein, der aus den fernsten Ecken der Welt stammt oder der Kräutertee aus dem Garten der Oma. Ich glaube, wir haben durch unsere Tradition und unsere guten Kontakte in die Ursprungsländer, aber vor allem durch unsere traditionelle orthodoxe Verarbeitungsmethode, wirklich einen Qualitätsbenefit, den man auch in der Tasse sieht und schmeckt. Und das kombiniert mit einem guten Service, mit ausführlichen Schulungsprogrammen und der persönlichen Betreuung vor Ort überzeugt nach wie vor viele Häuser.

Was verbirgt sich genau hinter Ihrer orthodoxen Verarbeitungsmethode?

Das heißt, dass der Tee handgepflückt wird und dann Step by Step durch den ganzen Verarbeitungsprozess geführt wird. Im Vergleich dazu CTC-Tee, der den größten Anteil in der Welt hat, der wird mehr oder weniger vorne in die Maschine reingekippt und hinten kommt kleiner Krümelkram raus. Und das ist nicht der Anspruch, den ein Fünf-Sterne-Gast an seinen Tee hat. Und diesen Unterschied schmeckt man auch. Das ist wirklich nicht austauschbar.

Trotz allem gibt es moderne Trends, wie zum Beispiel die Entwicklung hin zu biologischem Anbau. Wie sieht es diesbezüglich bei Ihnen aus? Welchen Anteil hat Biotee an Ihrem Sortiment?

Wir haben seit über 20 Jahren biologisch zertifizierte Tees im Sortiment. Es werden auch immer mehr. Wir sind aber einfach kein Biounternehmen. Weil bei uns der Genuss im Vordergrund steht, achten wir zunächst einmal auf den Geschmack und das Aussehen des Tees und versuchen dem Kunden dort das Beste zu bringen. Tee ist eines der natürlichsten und am wenigsten verarbeiteten Lebensmittel und ist dadurch per se gesund. Es gibt auch genug Studien dazu. Bio ist dann noch mal ein i-Tüpfelchen obendrauf, was aber noch nicht für alle Teesorten und für alle Provenienzen und Ursprungsorte verfügbar ist. Wir unterstützen unsere Partner dabei, dort weiter voranzugehen. Und ich bin der festen Überzeugung, bald werden wir nur noch Biotees haben. Aber wann das genau sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen.

Was genau bedeutet dieses i-Tüpfelchen, das den Tee zu einem biologischen Produkt macht? Geht es hier um den Verzicht auf chemische Zusätze und künstliche Aromastoffe?

Es geht um den Verzicht auf Herbizide aller Art. Wir erfüllen nicht nur die Richtlinien der EU-Bioverordnung, sondern auch der US-Bioverordnung und der japanischen Bioverordnung JAS. Das heißt also, unsere Biotees sind dreimal biologisch und schmecken ganz fantastisch.

Sie sagten, dass man Biotees noch nicht für alle Teesorten umsetzen kann. Wollen oder können Sie das nicht?

Wir wollen auf jeden Fall immer, dass Biotees verfügbar sind und geschmacklich unseren Anforderungen entsprechen. Aber das gibt es noch nicht aus unserer Sicht.

Wo geht es zum Beispiel noch nicht?

Biokamille schmeckt furchtbar. Deswegen machen wir es nicht. Aber abgesehen davon sind ja auch unsere nicht biologisch zertifizierten Tees keine Umweltsünden. Sobald der Monsun da ist und die Sonne scheint, wächst er und wird wöchentlich geerntet am selben Busch. Dadurch, dass er sehr schön verarbeitet wird, handelt es sich um ein sehr gesundes und naturnahes Produkt.

Nun hat sich in letzter Zeit sehr viel getan im Bereich Nachhaltigkeit, z.B. wurde das Lieferkettensorgfaltsgesetz ins Leben gerufen und es wurden die CSRD-Richtlinien ins Leben gerufen. Mussten Sie in den letzten Jahren viel tun, um da mitzuhalten?

Wir sind seit über zehn Jahren Partner der Childaid Network Stiftung. Das ist eine Stiftung, die sich um Bildung in den Teeanbaugebieten kümmert. Wir sind seit über zehn Jahren Mitglied bei ETP-Ethical Tea Partnership, das ist eine Organisation, die sich explizit im Teeanbau um soziale Standards bemüht. Das ist die formale Seite. Natürlich halten wir alle Vorschriften gemäß Lieferkettensorgfaltsgesetz etc. ein. Aber was mir viel wichtiger ist, sind unsere Partnerschaften. Diese bestehen in den Teeanbauländern teilweise seit Jahrzehnten. Schon die Generation vor meinem Vater hat in diesen Teegärten eingekauft. Deshalb kennen wir unsere Partner dort gerade im asiatischen Bereich und das sind häufig Familien, die in den Teegärten leben und auch schon seit Generationen dort arbeiten. Und insofern hinkt der Vergleich zu Kaffee oder Kakao oder seltenen Erden, wo es bestimmt immer Schwierigkeiten gibt, weil die Beziehungen dort zwischen den Menschen, die den Tee pflücken und den Teegärten sehr viel enger sind und über Generationen bestehen.

Laut Medienberichten freuen Sie sich über die Eistee-Werbung von Influencern wie Capital Bra, weil auch Sie davon profitieren. Ist das hilfreich für Sie?

Ich freue mich darüber, weil sie ja letztendlich Werbung für Tee machen. Sie machen dieses Produkt jung und frisch und es ist mir eigentlich völlig egal, ob mit Eistee oder Tee. Früher oder später lernen sie die guten Qualitäten von Tee kennen.

Aber Eistee haben Sie ja nicht in ihrem Sortiment, oder?

Nein, aber man kann den schon richtig zubereiten. Unsere Partner in der Gastronomie und in den Hotels machen das, wo man wunderbare, handgemachte Eistees trinken kann. Das ist hip. Und wir sehen ja einfach, wer bei uns im Onlineshop bestellt oder wer zu unseren Teefachgeschäften hingeht. Und das sind eben nicht nur die alten Omis, sondern auch gerade die junge Generation, die ja alle auf ihren Body achten und auf ihre vegane Ernährung und ihr Aussehen. Und vor kurzem gab es eine Studie in England, dass die junge Generation dort lieber Tee trinkt statt Alkohol. Das finde ich schon sensationell. Aber das ist auch logisch, wenn ich jeden Tag ins Gym renne, werde ich mir danach kein Weizenbier bestellen.

Was tut sich denn bei den Teesorten? Gibt es hier aktuell besondere Trends?

Das Teehaus Ronnefeldt setzt auf den strategischen Ausbau der Kernmärkte und neuer internationaler Märkte.
Foto: © J.T. Ronnefeldt KG

Die Saisonalität beim Tee gibt es immer noch, aber die wird bei uns immer geringer. Also die Teetrinker trinken im Sommer und im Winter ihren Tee. Aber der Herbst und die Winterzeit sind ja für viele ein Anlass, ihre Vorräte nochmal aufzustocken. Und wir sehen nach wie vor, dass jedes Jahr neue Wintersorten auf den Markt kommen. Und das sind einfach die klassischen Tees, schwarzer Tee mit Lebkuchenaroma und Zimtgeschmack. Solche Sachen funktionieren nach wie vor sehr gut.

Wir sehen gerade durch die junge Generation getrieben einen starken Boom der Kräutertees, Yogitees und Wellnesstees. Das können Sie nennen, wie sie mögen, aber da gibt es eine wahnsinnige Vielfalt und die Zutaten sind genauso spannend. In den Hotels gibt es wieder mehr und mehr den klassischen Afternoon-Tee. Und da kommen die alten feinen Damen hin, aber auch die jungen Leute und gönnen sich für beispielsweise 69 EUR eine Teatime im feinen Hotel.

Ich glaube, je hektischer und unsicherer die Zeiten werden, desto mehr tun uns solche Rituale einfach gut. Ob ich mir morgens meinen Teebeutel in meinen Henkelbecher reinhänge oder am Sonntag dann Omas Teekanne nehme und mit Stövchen den losen Tee aufbrühe, das strahlt alles aus. Das ist ein Event oder ich sage mal eine Zeremonie, die weit darüber hinausgeht, irgendetwas zu trinken.

Grüner Tee zum Abnehmen – das ist auch so ein gesellschaftlicher Hype. Ist das auch ein Thema für Sie?

Das ist nicht unser Steckenpferd. Aber ich sage es mal so: Wenn sie nur Ronnefeldt Tee trinken würden, dann könnten ganz viele Leute abnehmen.

Ich würde noch mal gerne auf ihre wirtschaftlichen Strategien und Ziele zu sprechen kommen. Also auch noch einmal rückblickend: Welche Rolle hat denn M&A bei Ihnen gespielt? Firmenübernahmen oder Teilverkäufe – gab es das in der Vergangenheit?

Mein Vater hat 1992 noch eine weitere Firma dazu übernommen, das Tee-Handelskontor Bremen. Die haben wir dann aber wieder aus dem Ronnefeldt-Unternehmen rausgenommen. Und heute macht das mein Bruder separat. Das war ein wunderbar strategischer Gedanke meines Vaters. Aber jetzt konzentrieren wir uns auf Ronnefeldt. Mein Bruder und ich sind beide glücklich damit, aber es sind wirklich zwei komplett getrennte Einheiten.

Wie stehen Sie denn am internationalen Markt da? Welche Marktanteile haben Sie hier als Premiumanbieter?

Marken wie Teekanne, Meßmer oder Milford − das sind sehr große Teehersteller, die im Einzelhandel ganz enorme Positionen haben und dort gigantische Mengen umschlagen. Aber wir machen das nicht, das ist der große Unterschied. Davon sind wir meilenweit entfernt. Aber in unserer Nische der gehobenen Hotellerie sind wir in vielen Ländern der Marktführer.

Gibt es einen Markt, der sie noch besonders kickt und reizt, wo Sie demnächst aufschlagen wollen?

Also, wir haben jetzt mit Tansania angefangen. Das ist ein spannender Hotel- und Gastronomiemarkt und ich freue mich sehr darüber. Ich glaube, das sind gute Teetrinker, Einheimische wie Touristen. Afrika ist auch eine gute Anbauregion. Wir sind da sowohl in Kenia als auch in Simbabwe und Mosambik. Dort gibt es fantastische Teegärten.

Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?

Zunächst mal wollen wir wieder auf den Wachstumspfad kommen. Wir planen gerade eine Erweiterung unserer Produktion in Worpswede, damit wir dort auch das Wachstum der nächsten Zeit abbilden können. Das wird eine spannende Sache. Und wir müssen jetzt unser Jubiläumsjahr, das wir 2023 mit viel Tamtam gefeiert haben, hinter uns lassen und den Honig daraus ernten.

Natürlich freue ich mich, wenn Ronnefeldt unter den Familienunternehmen bleibt. Ich habe versucht, dafür die Voraussetzungen zu schaffen mit drei Kindern. Die sind 20, 16 und zwölf Jahre alt und trinken schon eifrig Tee.

Das ist schon ein Muss, wenn man bei Ihnen arbeiten will, oder?

Von Müssen ist gar nicht die Rede. Für mich ist es das Schönste. Ich fange morgens mit Tee an und trinke den ganzen Tag über im Büro ständig Tee. Und wenn ich mal bei unserer Teeverkostung mit dabei sein kann und die dort gerade mal wieder 40 oder 50 Tees verkosten und ich da mitmachen kann, dann freue ich mich riesig.

Was müsste eines Ihrer Kinder oder auch der potenziellen Nachfolger für Eigenschaften mitbringen, um das Unternehmen in die Zukunft zu führen?

Das Allerwichtigste ist die Leidenschaft für den Tee, ohne die geht das gar nicht. Aber ich sage es mal so: Wir haben bisher immer hervorragende Kolleginnen und Kollegen für den operativen und strategischen Bereich gefunden. Und insofern bin ich hoffnungsfroh, dass uns das auch bei der Familiennachfolge gelingen wird.

Und noch mal ganz konkret: Wo sehen Sie das Unternehmen in 20 Jahren?

Mit so einer Prognose habe ich immer ein bisschen Schwierigkeiten, weil ich geprägt bin von meinem Studium in den USA, wo an jeder Tankstelle dran stand: „Wir wollen die beste Tankstelle in ganz Amerika sein“. Bei aller Liebe – nein! Wenn wir auch noch in 20 Jahren ganz viele Menschen glücklich mit dem Thema machen, dann finde ich das schon mal ganz wunderbar.

Und was zukünftige Krisen angeht: Da sehen Sie zurzeit nicht, dass Sie da so massiv betroffen sein könnten wie bei Corona?

Dieses Unternehmen hat drei Kriege überstanden und eine Pandemie. Jetzt reicht es erstmal.

Okay, in dem Sinne, Tausend Dank für das gute Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.


ZUR PERSON

Der Inhaber Jan-Berend Holzapfel des Teehauses Ronnefeldt setzt auf den strategischen Ausbau der Kernmärkte und neuer internationaler Märkte.
Foto: © J.T. Ronnefeldt KG

Jan-Berend Holzapfel ist der Inhaber des Teehauses Ronnefeldt.

 

 

 

 

 

 


KURZPROFIL

J. T. Ronnefeldt KG

Firmensitz: Frankfurt/Main

Produktionsstandort: Worpswede

Gegründet: 1823

Branche: Tee

Mitarbeiter: ca. 150

Umsatz: Mehr als 20 Mio. EUR

www.ronnefeldt.de

 

Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 1-2024 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge”.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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