„Man steht unter erheblichem Zeitdruck“
Interview mit Stephan Götschel, Sanierungsgeschäftsführer und Eigenverwalter, GIW-Gruppe
Unternehmeredition: Worin sehen Sie die wesentlichen Vorteile einer Insolvenz in Eigenverantwortung?
Götschel: Bei mittelständischen Unternehmen sind die Geschäftsführer wichtige Ansprechpartner für die Kunden. Es ist also ein erheblicher Vorteil, wenn sie auch nach dem Insolvenzantrag weiter über Projekte verhandeln. Ein fremder Geschäftsführer dagegen kann so schnell gar nichts Vergleichbares leisten, weil ihm die langjährige Erfahrung im Unternehmen fehlt. Im Falle von GIW war es zudem wichtig, dass die ausländischen Investoren im Rahmen des M&A-Prozesses weiter auf die vertrauten Ansprechpartner gestoßen sind. Nicht zuletzt winken bei der Eigenverwaltung im sogenannten. Eröffnungsverfahren umsatzsteuerliche Vorteile, die im Falle der Regelinsolvenz üblicherweise nicht zum Tragen kommen.
Unternehmeredition: Was waren bei GIW die größten Herausforderungen?
Götschel: Eine Insolvenz im Projektgeschäft ist kein Wunschkonzert, sondern man steht mit Blick auf die Umsetzung der Sanierung unter erheblichem Zeitdruck. Schon vor dem Insolvenzantrag müssen Sofortmaßnahmen getroffen werden, um die noch vorhandene Liquidität möglichst sinnvoll und gezielt einzusetzen. Gerade im Automotive-Bereich bleibt es auch danach extrem anspruchsvoll. Man muss vor allem die Lieferfähigkeit aufrechterhalten, um die Anlaufzeiten neuer Fahrzeuge nicht zu gefährden.
Unternehmeredition: Welchen Rat würden Sie generell geben, wenn sich bei einem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit abzeichnet?
Götschel: Gerade aufgrund der Reform des Insolvenzrechts empfiehlt es sich, frühzeitig fachlichen Rat einzuholen. Denn der Unternehmer vergibt andernfalls schnell die Chance, Gestaltungsmöglichkeiten, die das neue Insolvenzrecht bietet, zu nutzen. Auch der Antrag auf einen Schutzschirm gegen Vollstreckungen benötigt hinsichtlich der dafür notwendigen Prüfungsmaßnahmen einen gewissen zeitlichen Vorlauf. Wer rechtzeitig
handelt, kann als Unternehmer seine Firma durch die Insolvenz steuern und im Anschluss auch selbst weiterführen.
Unternehmeredition: Herr Götschel, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Norbert Hofmann.
Redaktion@unternehmeredition.de
