„Raus aus dem Konzern, rein in die Verantwortung“

Interview mit Florian Schwarz, Geschäftsführer von Kagerer, zur Unternehmensnachfolge

Kagerer wurde von Florian Schwarz gemeinsam mit einem Partner das Augsburger Handelsunternehmen, ohne Konzernkapital übernommen.
Florian Schwarz (36) arbeitete zehn Jahre als Einkäufer bei Porsche und übernahm im Sommer 2023 zusammen mit seinem Partner Christian Weber (37) das Unternehmen Kagerer. Foto: © KAGERER

Florian Schwarz hat gemeinsam mit einem Partner Christian Weber das Augsburger Handelsunternehmen Kagerer übernommen – ohne Konzernkapital, aber mit klarem Plan. Im Interview berichtet er, wie die Nachfolge gelang, welche Rolle Fördermittel spielten und warum Digitalisierung und Pragmatismus den Unterschied machen.

Unternehmeredition: Herr Schwarz, Sie sind kein klassischer Gründer, sondern haben ein bestehendes Unternehmen übernommen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Florian Schwarz: Die Idee ist Anfang 2022 gereift. Ich war damals bei Porsche im Einkauf und in der Organisationsberatung tätig, mein Kollege ebenfalls im strategischen Einkauf. Nach zehn Jahren Konzernkarriere wollten wir unternehmerisch tätig werden – aber nicht mit einer klassischen Neugründung. Dafür war uns das Risiko schlicht zu hoch. Durch Zufall stieß ich auf einen Podcast, in dem jemand genau unseren Weg beschrieben hatte: eine Unternehmensübernahme durch Privatpersonen. Das war für uns der Aha-Moment. Uns wurde klar: Solche Transaktionen sind auch im kleineren Maßstab möglich und machbar.

Wie wurde die Übernahme finanziert?

Die Finanzierung beruhte auf drei Säulen: Erstens über die LFA Förderbank Bayern, die mit Ausfallbürgschaften die finanzierende Bank absichert. Zweitens kam die BayBG als stille Beteiligung an Bord. Drittens gewährte uns der Altinhaber ein Verkäuferdarlehen, sodass wir den Kaufpreis über die Zeit tilgen konnten. Ergänzt wurde das durch einen klassischen Bankkredit. So konnten wir als Privatpersonen – ohne Millionenvermögen – die Übernahme realisieren.

Was hat Sie persönlich an der Idee einer Unternehmensnachfolge gereizt?

Mich hat vor allem der unternehmerische Gestaltungsspielraum gereizt. In einem bestehenden Unternehmen kann man auf etwas aufbauen, das Substanz hat – mit Kunden, Mitarbeitern, Prozessen. Gleichzeitig eröffnet eine Nachfolge die Chance, Dinge neu zu denken und weiterzuentwickeln. Das ist für mich die ideale Kombination aus Sicherheit und Unternehmertum.

Gab es auch persönliche Hürden oder Zweifel in diesem Prozess?

Absolut. Vor allem zu Beginn, als wir noch nicht wussten, ob das alles wirklich realistisch ist. Wir hatten ja keinen reichen Onkel im Hintergrund. Die Frage war: Wie finanzieren wir das? Und: Können wir das überhaupt? Aber je tiefer wir in die Recherche eingestiegen sind, desto klarer wurde, dass es geht – wenn man strukturiert vorgeht, sich beraten lässt und einen realistischen Plan hat.

Wie lange hat der gesamte Nachfolgeprozess gedauert – von der ersten Idee bis zur Unterschrift?

Insgesamt etwa anderthalb Jahre. Die Suche nach dem passenden Unternehmen hat mehrere Monate gedauert, inklusive Gesprächen, Prüfungen und Besichtigungen. Dann kamen Verhandlungen, die Due Diligence, die Finanzierung und schließlich der Übergang selbst. Das war kein Sprint, sondern eher ein Marathon mit vielen Etappen.

Was würden Sie rückblickend anders machen?

Ich würde von Anfang an noch mehr Zeit in die Erwartungsklärung investieren – sowohl mit dem Verkäufer als auch intern im eigenen Team. Wer übernimmt welche Rolle? Wie sieht die Übergabe konkret aus? Welche Unterstützung wird wirklich gebraucht? Je klarer das früh definiert ist, desto reibungsloser läuft es später.

Welche Eigenschaften braucht ein guter Nachfolger?

Neugier, Mut und Demut. Man muss offen sein für das, was man vorfindet – und bereit, sich einzuarbeiten, statt alles sofort umkrempeln zu wollen. Gleichzeitig braucht es den Mut, Entscheidungen zu treffen und Dinge auch mal gegen Widerstände zu verändern. Und man sollte akzeptieren, dass man nicht alles sofort versteht – sondern erst mit der Zeit richtig durchblickt.

Warum, glauben Sie, entscheiden sich nicht mehr junge Menschen für diesen Weg?
Weil es zu wenig Sichtbarkeit für diesen Weg gibt. Viele denken bei Unternehmertum automatisch an Start-ups oder Tech-Gründung. Dabei gibt es im Mittelstand einen riesigen Schatz an Unternehmen, die einen Nachfolger suchen – mit gewachsenen Strukturen und echtem Potenzial. Das müsste stärker kommuniziert werden, auch an Hochschulen oder in der beruflichen Bildung.

Worauf kam es bei der Auswahl des Unternehmens an?

Uns war wichtig, dass das Unternehmen wirtschaftlich gesund ist, eine gewisse Umsatzgröße hat und in einem für uns nachvollziehbaren Markt tätig ist. Kagerer beliefert die metallverarbeitende Industrie mit einem breiten Sortiment an Industriebedarf – von Werkzeugen bis zur Betriebseinrichtung. Die Kundenstruktur war dabei besonders attraktiv: ein gesunder Mix aus Konzernen, Mittelständlern und kleinen Betrieben. Dazu kamen funktionierende Prozesse, ein gutes ERP-System und ein motiviertes Team. Das war eine solide Basis, auf der wir aufbauen konnten.

Wie sah die Zusammenarbeit mit dem Altinhaber konkret aus?

Kagerer wurde von Florian Schwarz gemeinsam mit einem Partner das Augsburger Handelsunternehmen, ohne Konzernkapital übernommen.
Foto: © KAGERER

Wir haben eine Übergangsphase von 18 Monaten vereinbart. Anfangs war der ehemalige Inhaber drei Tage pro Woche beratend tätig. Später hat er einzelne langjährige Kunden betreut. Diese Begleitung war für uns sehr wertvoll. Natürlich mussten wir uns in der Zusammenarbeit einspielen – insbesondere was das Verhältnis zwischen Einarbeitung und Vertriebsaktivität betrifft. Aber durch offene Kommunikation konnten wir Missverständnisse vermeiden. Bis heute ist er als Ratgeber in das Unternehmen eingebunden.

Welche Veränderungen konnten Sie seither umsetzen?

Vor allem kulturell und digital haben wir viele Impulse gesetzt. Wir arbeiten heute cloudbasiert mit modernen Tools, ermöglichen Remote-Zugänge und bauen Automatisierung sukzessive aus – etwa bei der Verarbeitung von Bestellungen per E-Mail. Auch im Geschäftsmodell haben wir uns weiterentwickelt: Mit unserem Konzept „C-Artikel-as-a-Service“ übernehmen wir für unsere Kunden die komplette Kleinteilebeschaffung. So können sich deren Einkäufer auf strategisch relevante Aufgaben konzentrieren.

Welche Rolle spielt dabei der Onlinehandel?

Unser Onlineshop ist inzwischen professionell aufgestellt und ein wichtiger Wachstumstreiber. Während wir online deutschlandweit aktiv sind, fokussieren wir uns im Direktvertrieb aktuell auf die Region Schwaben. Ziel ist es, hier als erste Adresse für Industriebedarf wahrgenommen zu werden. Langfristig denken wir aber auch überregional – sowohl digital als auch vertrieblich.

Wie hebt sich Kagerer von größeren Wettbewerbern ab?

Wir sind extrem reaktionsfähig. Während große Anbieter eher schwerfällig agieren, sind wir ein Schnellboot. Wenn ein Kunde eine Sonderanfrage hat oder kurzfristig einen bestimmten Artikel benötigt – sei es Werkzeug oder Kaffee für die Kaffeeküche –, dann handeln wir sofort. Diese Flexibilität macht den Unterschied. Wir arbeiten dabei eng mit rund 800 Lieferanten zusammen und können individuelle Kundenpräferenzen optimal bedienen.

Wie gelingt der Umgang mit dieser Komplexität?

Standardisierung findet bei uns dort statt, wo der Kunde sie nicht merkt – z. B. in der Lieferantensteuerung oder bei internen Prozessen. Auf Kundenseite setzen wir auf maximale Individualisierung. Technisch arbeiten wir mit eigens entwickelten Tools und Makros, die uns bei der Verwaltung und Preisfindung unterstützen. Es ist kein Hochglanzsystem, aber es funktioniert gut – und wird laufend weiterentwickelt.

Was sind Ihre Wachstumsziele?

Wir wollen mittelfristig wachsen. Das bringt auch konkrete Vorteile bei Einkaufskonditionen und Skaleneffekten. Dabei setzen wir auf nachhaltiges Wachstum, schaffen neue Arbeitsplätze und bauen die regionale Markenbekanntheit weiter aus. Der Onlineshop ergänzt dieses Ziel perfekt, indem er neue Kundengruppen erschließt.

Zum Abschluss: Was sind Ihre wichtigsten Learnings aus dem Nachfolgeprozess?

Erstens: Klare Kommunikation. Erwartungen zwischen Käufer und Verkäufer müssen früh und offen abgestimmt werden. Zweitens: Professionelle Beratung – juristisch und steuerlich – ist unerlässlich. Drittens: Man muss sich der Informationsasymmetrie bewusst sein. Der Käufer kennt das Unternehmen nie so gut wie der Verkäufer. Und viertens: Die Übergabephase ist entscheidend – organisatorisch wie menschlich. Sie ist Chance und Risiko zugleich. Wer sie gut gestaltet, legt den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Eva Rathgeber.

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ZUM INTERVIEWPARTNER

Foto: © KAGERER

Florian Schwarz (36) arbeitete zehn Jahre als Einkäufer bei Porsche und übernahm im Sommer 2023 zusammen mit seinem Partner Christian Weber (37) das Unternehmen Kagerer. Als mittelständisches und inhabergeführtes Familienunternehmen begleitet Kagerer Unternehmen aus der metallverarbeitenden Industrie mit einem breiten Sortiment an Werkzeugen, Maschinen und Dienstleistungen.

www.kagerer-online.de

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

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