Vom Wissenschaftler zum Unternehmer bei Raab Vitalfood

Dr. Andreas Raab führt das Familienunternehmen in die digitale Zukunft

Die Gegensätze hätten kaum größer sein können: von Berlin in die oberbayerische Provinz, vom Wissenschaftler zum Unternehmer. Raab Vitalfood
Bio-Curcuma-Pulver für gesundes Essen: Die Nahrungsergänzungs- und Lebensmittel von Raab Vitalfood entsprechen höchsten ökologischen Ansprüchen. Foto: © Raab Vitalfood GmbH

Die Gegensätze hätten kaum größer sein können: von Berlin in die oberbayerische Provinz, vom Wissenschaftler zum Unternehmer. Dr. Andreas Raab ließ sich davon nicht abschrecken und übernahm 2015 das Unternehmen seines Onkels – mit Erfolg: Umsatz, Produktportfolio und Betriebsfläche haben sich seitdem verdreifacht. Raab Vitalfood macht Millionenumsätze mit pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln.

Die berufliche Chance seines Lebens kam für Dr. Andreas Raab völlig unerwartet bei einer Familienfeier: Sein Onkel Michael Raab wollte sein Lebenswerk in der Familie halten. Der Versuch, es an seinen Sohn weiterzugeben, war zehn Jahre zuvor gescheitert – die beiden harmonierten einfach nicht, es gab zu viele Differenzen. An seinem 60. Geburtstag startete Michael Raab einen neuen Versuch. Diesmal fragte er seinen Neffen, ob er die Unternehmensnachfolge antreten wolle. Der reagierte zurückhaltend: „So eine wichtige Entscheidung wollte ich nicht mal eben so fällen. Sie ist mit großer Verantwortung verbunden: für das Unternehmen mit allen Mitarbeitern und für das Lebenswerk meines Onkels. Ich wollte sicher sein.“ Ganz pragmatisch arbeitete sich der damals 34-Jährige ein. Er genehmigte sich zwei Probejahre, in denen Onkel und Neffe den Schritt sorgfältig vorbereiteten. 2013 brach Dr. Raab schließlich seine Zelte in Berlin ab. Er kündigte seine Stelle als Forschungsleiter in einem mittelständischen Biotechnologieunternehmen, pendelte alle zwei Wochen donnerstags nach Berlin zu seinem Sohn, der bei seiner ehemaligen Partnerin lebt. „Ohne die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hätte ich es nicht gemacht.“

Guter Wissenschaftler muss erst zum Unternehmer werden

Vom Forscher zum Unternehmenslenker: Der promovierte Molekularbiologe Dr. Andreas Raab musste sich erst in die Steuerung unternehmerischer Prozesse eingewöhnen. Foto: © Raab Vitalfood GmbH

„Als Wissenschaftler habe ich das Potenzial gesehen, das in pflanzlichen Vitalstoffen steckt. Ich habe mich schnell so tief in die Produkte eingearbeitet, aber das Unternehmerische war die größte Hürde“, sagt der promovierte Molekularbiologe. Er begriff: Aus einem Wissenschaftler wird nicht von heute auf morgen ein Unternehmer, selbst wenn er unternehmerisches Vorwissen mitbrachte. Als Abteilungsleiter hatte Dr. Raab betriebswirtschaftlich denken und kalkulieren müssen. Doch Unternehmer sein ist etwas anderes. „Die Handelsstrukturen kennenzulernen war etwas ganz Neues für mich. Im Forschungsbereich war ich ja eher am anderen Ende – der Grundlagenforschung – angesiedelt und hatte wenig mit dem finalen Produkt und dessen Vermarktung zu tun.“ Vor allem sein Onkel begleitete ihn bei der Einarbeitung, aber auch die Leitungen der jeweiligen internen Fachabteilungen – sowie externe Berater. „Das hat unglaublich viel gebracht. Externe Berater challengen einen. Ich musste immer wieder meinen inneren Schweinehund überwinden und mich dieser Herausforderung stellen. Dabei konnte ich nur gewinnen“, sagt der 47-Jährige. Für ihn als faktenbasierten Wissenschaftler hatte es besonders der Bereich Marketing in sich. „Zahlen und Handelsstruktur kann man sich draufschaffen, aber Marketing muss man fühlen lernen.“

Distanz − der Schlüssel zur Übergabe

Erfolgreiches Duo: Michael Raab und sein Neffe Dr. Andreas Raab. Foto: © Raab Vitalfood GmbH

Natürlich war auch die Übernahme selbst eine Herausforderung – auch wenn Onkel und Neffe von Anfang an perfekt harmonierten. „Aber das ist kein Verdienst, das ist Glück“, betont Dr. Raab. Trotzdem ist so ein Schritt mit Reibung verbunden – denn das Aufeinandertreffen zweier Generationen birgt von Natur aus ein Spannungsfeld. Dr. Raab beschreibt das so: „Der Nachfolger kommt mit seinem Wissen und mit neuen Ideen. Er will es anders machen. Auf der anderen Seite ist da jemand, der das Geschäft wie in unserem Fall seit 30 Jahren erfolgreich führt. Der hält es für riskant, sofort etwas zu ändern.“ Sein Onkel und er hätten sich zum Glück ruhig darüber austauschen können, die Dinge sachlich erarbeitet und so immer Lösungen gefunden. Ein wichtiges Learning aus dieser Zeit: „Gerade bei Familienunternehmen muss es menschlich passen, damit es mit der Nachfolge klappt, ganz unabhängig von der Blutlinie. Manchmal harmoniert es mit einem entfernteren Verwandten sogar besser, wegen der nötigen Distanz und des entsprechenden Respekts.“ Wenn der Geschäftsführer über seinen Onkel spricht, schwingt viel Vertrauen, Wertschätzung und Dankbarkeit mit. „Ich bin eher der nüchterne, pragmatische Typ. Mein Onkel hat mir gezeigt, wie wichtig neben der eigentlichen Arbeit kleine zwischenmenschliche Gesten sind. Für ihn ist es zum Beispiel bis heute ein festes Ritual, dass wir gemeinsam persönlich an jeden Mitarbeiter zu bestimmten Anlässen kleine Aufmerksamkeiten verteilen. So etwas hatte ich ehrlich gesagt gar nicht auf dem Schirm.

Raab Vitalfood wird zur Digitalmarke

Die beiden begegnen sich auf Augenhöhe, jeder schätzt den anderen für seine Stärken. Dr. Raab kann sich bis heute auf seinen Onkel als Ratgeber verlassen, auch wenn er die Geschäfte längst wie verabredet allein führt: vollständige Übergabe und volle Entscheidungsgewalt. Dass es menschlich zwischen den beiden so gut passt, ja sie sich gar ergänzen, war dafür eine wichtige Voraussetzung; dass sie eine gemeinsame Vision teilen, die andere. Beide möchten die Kraft der Pflanzen für die Menschen erschließen. Dabei legen sie einen hohen Maßstab an. Ihre Nahrungsergänzungs- und Lebensmittel entsprechen höchsten Bioansprüchen – und zwar von Anfang an: Firmengründer Michael Raab gilt in Deutschland als einer der Pioniere im Biobereich. Der Markt wächst beständig: „Die Menschen merken, wie gut ihnen solche Produkte tun. Gleichzeitig wird die Studienlage immer breiter und immer mehr Naturwissenschaftler, Mediziner, Heilpraktiker und letztlich auch Konsumenten beschäftigen sich damit.“ Bei allem Erfolg: Man darf nie stehen bleiben und muss sich immer weiterentwickeln. Dr. Raab verstärkte daher die naturwissenschaftliche Komponente und holte wissenschaftlich hervorragend ausgebildete Leute für Produktentwicklung, Qualitätswesen und Produktion ins Unternehmen. Er professionalisierte das Marketing und hob es auf die nächste Stufe. Ab 2022 legte er den Fokus auf die Themen E-Commerce und Digitalisierung, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen (siehe Interview). Das Ergebnis: Umsatz, Produktportfolio und Betriebsfläche haben sich seit der Übernahme verdreifacht. „Wir wollen zum Marktführer im Biosegment werden“, hat Dr. Raab sein Ziel längst hochgesteckt.

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Kurzprofil

Raab Vitalfood GmbH

Geschäftsführung: Dr. Andreas Raab

Gründungsjahr: 1989

Branche: Entwicklung und Produktion hochwertiger Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel in Premium-Bioqualität

Firmensitz: Rohrbach an der Ilm

Mitarbeiter: 55

Umsatz 2023: 10,8 Mio. EUR

www.raabvitalfood.de

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„E-Commerce muss in die Gesamtorganisation eingebettet werden“

Interview mit Sebastian van Baal, Head of Digital Marketing, Raab Vitalfood GmbH

Foto: ©Raab Vitalfood

Unternehmeredition: Warum setzt Raab Vitalfood auf den Onlinemarkt?

Sebastian van Baal: Wir wollen wachsen und in 30 Jahren noch da sein. Daher dürfen wir mit unseren Produkten nicht mehr nur in Reformhäusern vertreten sein, sondern brauchen auch eine starke Onlinemarke. Die Kaufgewohnheiten haben sich verändert. Wenn wir online nicht da sind, werden wir langfristig abgehängt. Das klingt logisch, aber nur wenige schaffen diesen Wandel.

Was ist der größte Unterschied zwischen stationärem und Onlinehandel?

Die große Konkurrenz und die daher notwendige klare Markenpositionierung. Stationär gibt es eine oder zwei andere Marken im Geschäft. Kunden können nachfragen, wo Unterschiede liegen – und sie wissen, dass wir hohe Standards erfüllen müssen, um im Reformhaus präsent zu sein. Das macht es einfacher.

Online dagegen müssen wir dem Kunden einfach und schnell erklären, warum er sich bei der Masse an Angeboten für uns entscheiden sollte. Da braucht es eine komplett andere Ansprache. Kunden lernen online unsere Marke anders kennen und wir müssen mit ihnen eine andere Beziehung aufbauen.

Wie haben Sie die Digitalisierung gemeistert?

Wir haben uns externe Partner ins Boot geholt, die uns bei Kundeninterviews, Marke und Onlineshop geholfen haben. Das war ein langer Prozess und ohne externe Expertise für ein kleines Team nicht zu schaffen.

Welche Learnings würden Sie an andere Mittelständler weitergeben, die vor dem gleichen Prozess stehen?

E-Commerce ist kein eigenständiger Teilbereich – er muss in die Gesamtorganisation eingebettet werden. Dafür muss wirklich jeder Teilbereich beleuchtet werden: IT-Systeme, interne Prozesse wie Logistik und Lagerhaltung, Finanzen und die Marke. Wer hier seine Hausaufgaben macht, wird auch Erfolg haben.

Lieber Herr van Baal, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Autorenprofil
Kristof Albrink
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