Pre-pack-Verfahren − Erleichterung für Distressed M&A?

Risiken und Gefahren sollten gegenüber den Vorteilen sorgfältig abgewogen werden

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Im M&A-Geschäft sorgt ein neuer Ansatz zur Bewältigung von Unternehmenskrisen und -insolvenzen für Diskussionen: das Pre-pack-Verfahren. Handelt es sich hierbei um eine Erleichterung für das Distressed-M&A-Geschäft – oder birgt es möglicherweise mehr Risiken und Gefahren, die die Vorteile überwiegen?

Ende 2022 hat die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf zur Harmonisierung des Insolvenzrechts veröffentlicht. Damit soll insbesondere der Unternehmenserwerb aus der Insolvenz (Distressed M&A) erleichtert werden, indem Rechtsunsicherheiten bei grenzüberschreitenden Transaktionen vermindert werden. Unter anderem beinhaltet der Vorstoß die verpflichtende Aufnahme eines „Pre-pack-Verfahrens“, kurz für „pre-packaged insolvency proceedings“, in die nationalen Insolvenzgesetze.

Das Verfahren selbst ist ein rechtlicher Mechanismus und Rahmen, der es einem insolventen Unternehmen ermöglicht, bereits vor der offiziellen Insolvenzanmeldung einen Übernahmeprozess zu planen und vorzubereiten. Dies geschieht in enger Abstimmung mit dem potenziellen Erwerber, der bereits im Vorfeld ausgewählt wird. Der eigentliche Kaufvertrag wird dann unmittelbar nach der Insolvenzanmeldung (vorläufiges Insolvenzverfahren) abgeschlossen und der Erwerber tritt zeitgleich in die Fußstapfen des insolventen Unternehmens, um den Geschäftsbetrieb nahtlos fortzuführen.

Das Pre-pack-Verfahren besteht entsprechend aus zwei Phasen:

  1. In der „Vorbereitungsphase“ wird versucht, für das schuldnerische Unternehmen (oder eines Teils davon) einen geeigneten Käufer zu finden, der das Unternehmen grundsätzlich frei von Schulden und Verbindlichkeiten erwirbt (Asset Deal).
  2. In der „Liquidationsphase“ wird der Verkauf des schuldnerischen Unternehmens genehmigt und vollzogen sowie der Erlös an die Gläubiger verteilt (bestmögliche Gläubigerbefriedigung steht weiterhin im Vordergrund).

Vorteile des Pre-pack-Verfahrens

Das Pre-pack-Verfahren bietet eine Reihe von Vorteilen für das Distressed-M&A-Geschäft. Zunächst ermöglicht es eine schnellere und effizientere Abwicklung von Unternehmenstransaktionen in Krisensituationen. Da der Übernahmeprozess bereits im Vorfeld vorbereitet wird, kann die Umsetzung nach der Insolvenzanmeldung lösungsorientiert und reibungsloser verlaufen, wodurch wertvolle Zeit gespart wird. Dies ist besonders wichtig, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, die Arbeitsplätze zu sichern und den Wert des Unternehmens zu bewahren.

Ein weiterer Vorteil: Der Verkaufsprozess kann diskreter gestaltet werden. Durch die vertrauliche Natur des Pre-pack-Verfahrens kann der Ruf eines insolventen Unternehmens geschützt werden, da Informationen über den Insolvenzantrag nicht veröffentlichungspflichtig sind. Dies erleichtert es, das Interesse von potenziellen Erwerbern zu wecken, die sonst möglicherweise wegen der negativen öffentlichen Wahrnehmung abgeschreckt worden wären.

Darüber hinaus kann das Pre-pack-Verfahren den Interessenkonflikt zwischen den verschiedenen Gläubigergruppen minimieren. Da der Verkauf bereits vor der Insolvenzanmeldung vorbereitet wird, haben die Gläubiger die Möglichkeit, den Prozess aktiv zu begleiten und ihre Interessen angemessen einzubringen. Dies kann zu einer gerechteren Verteilung der Vermögenswerte führen und den Gläubigerschutz stärken.

Nachteile und Herausforderungen des Pre-pack-Verfahrens

Trotz diverser Vorteile birgt das Pre-pack-Verfahren auch einige Nachteile und Herausforderungen. Ein zentraler Kritikpunkt ist die mangelnde Transparenz. Da der Verkaufsprozess größtenteils hinter verschlossenen Türen abläuft, können Bedenken hinsichtlich der Fairness und Gerechtigkeit des Verfahrens aufkommen. Dies betrifft insbesondere Kleingläubiger, die möglicherweise benachteiligt werden könnten.

Ein weiteres Problem ist die Auswahl des potenziellen Erwerbers im Vorfeld. Wenn nur ein einzelner Käufer frühzeitig ausgewählt wird, besteht die Gefahr, dass der Verkaufspreis nicht das optimale Niveau erreicht, da es an Wettbewerb mangelt. Dies könnte zu einem „finanziellen“ Verlust für die Gläubiger führen.

Zudem könnte das Pre-pack-Verfahren die Verhandlungsposition der insolventen Unternehmen gegenüber potenziellen Erwerbern schwächen. Da der Käufer bereits im Vorfeld feststeht, könnte dieser einen günstigeren Preis durchsetzen, da er sich bewusst ist, dass es wenige Alternativen gibt – was wiederum zu einer Unterbewertung des Unternehmens führen und langfristig den Wert für die Gläubiger mindern kann.

Rechtliche und regulatorische Aspekte

Das Pre-pack-Verfahren ist in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt. In einigen Ländern existiert im aktuellen Insolvenzrecht schon eine Art Pre-pack Verfahren, darunter Deutschland, Frankreich, Polen und UK. Im Vereinigten Königreich beispielsweise ist es bereits fest etabliert und hat sich als effektives Instrument erwiesen. Durch den Richtlinienentwurf will die EU für ein einheitliches Insolvenzrecht sorgen – vor allem in den Ländern, die noch keine Form der Vorverkaufstransaktion haben und in denen noch Unsicherheiten und rechtliche Hürden existieren, die einer breiteren Anwendung im Wege stehen.

Die rechtlichen und regulatorischen Aspekte des Pre-pack-Verfahrens sind entscheidend für seinen Erfolg und seine Wirksamkeit. Es bedarf klarer Richtlinien und Vorschriften, um Missbrauch und Intransparenz zu verhindern. Zudem sollte eine angemessene Kontrolle und Überwachung gewährleistet sein, um sicherzustellen, dass die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.

FAZIT

Das Pre-pack-Verfahren hat zweifellos das Potenzial, das Distressed-M&A-Geschäft zu erleichtern und zu verbessern. Es ermöglicht eine schnellere Abwicklung, schützt den Ruf des insolventen Unternehmens und kann den Interessenkonflikt zwischen den Gläubigergruppen minimieren. Dennoch sollten die potenziellen Risiken und Herausforderungen nicht übersehen werden. Eine mangelnde Transparenz, die Gefahr der Unterbewertung und die Schwächung der Verhandlungsposition sind wichtige Faktoren, die sorgfältig abgewogen werden müssen.

Um das Pre-pack-Verfahren erfolgreich in das Distressed-M&A-Geschäft zu integrieren, bedarf es klarer rechtlicher Rahmenbedingungen, effektiver Überwachung und angemessener Kontrolle. Nur wenn diese Aspekte gewährleistet sind, kann das Verfahren seine positiven Potenziale entfalten und dazu beitragen, insolventen Unternehmen eine bessere Perspektive zu bieten. Es liegt in der Verantwortung der Gesetzgeber, regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das Pre-pack-Verfahren sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen des Distressed-M&A-Geschäfts angemessen berücksichtigt.

Autorenprofil
Jörg Balz

Jörg Balz ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner im Bereich Restructuring & Corporate Finance. Finanzielle Restrukturierung und deren Umsetzung sowie Distressed M&A sind seine Schwerpunkte.

www.wieselhuber.de

Autorenprofil
Philippe Piscol

Philippe Piscol ist Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und verantwortet deutschlandweit den Bereich M&A. Seine Schwerpunkte liegen in der Restrukturierung und Sanierung von mittelständischen Unternehmen sowie im Corporate Finance Consulting mit Schwerpunkt Distressed M&A.

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