Pfisterer: Ein Börsengang aus dem Bilderbuch

Am 14. Mai 2025 ging Pfisterer an die Börse − seither hat sich der Kurs fast verdreifacht

Unternehmenszentrale in Winterbach; Foto: Pfisterer

Die Zutaten für einen erfolgreichen Börsengang sind im Grunde einfach: Ein gut positioniertes Familienunternehmen in attraktiven Märkten, klare Wachstumsperspektiven und eine plausible Verwendung der IPO-Erlöse. Und entscheidend: Vertrauen des Kapitalmarkts in das Management. Wenn dann noch wie im Fall der Pfisterer Holding SE die Bewertung und das Zeitfenster passen, profitieren alle.

1921 gegründet, ist Pfisterer der Prototyp des technologiegetriebenen industriellen Champions. Das Unternehmen ist heute fokussiert auf Produkte zur Verbindung und Isolation elektrischer Leiter für Schnittstellen in Stromnetzen. Kontinuierlich hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sichern den technologischen Vorsprung. Die relevanten Märkte versprechen in den nächsten Jahren zweistelliges Wachstum. Vom Ausbau der erneuerbaren Energien bis zum Energiehunger neuer Rechenzentren: Die Energieinfrastruktur wird erneuert und ausgebaut, der Bedarf an Pfisterer-Produkten wächst stetig.

Erfolgreicher Schritt aufs Parkett

Foto: © GoingPublic Media AG

Am 14. Mai erfolgte der Börsengang mit einem Ausgabepreis von 27 EUR, der erste Kurs lag bei 30 EUR. Brutto sind der Gesellschaft rund 95 Mio. EUR zugeflossen, die nun für die Finanzierung weiteren Wachstums verwendet werden. Schwerpunkte bilden der Ausbau der Fertigungskapazitäten sowie neue Technologien und Produkte, insbesondere in der Hochspannungsgleichstromtechnik. Gelistet ist Pfisterer im Scale-Segment, dem KMU-Wachstumsmarkt der Frankfurter Wertpapierbörse. Dabei bilanziert das Unternehmen nach IFRS, veröffentlicht Quartalsmitteilungen und stellt alle Informationen auch auf Englisch zur Verfügung – der Prime Standard ist in Reichweite. Deshalb gilt Pfisterer bereits jetzt als deutscher Börsengang des Jahres. Seit dem IPO hat sich der Kurs fast verdreifacht, die Marktkapitalisierung liegt inzwischen bei rund 1,3 Mrd. EUR.

Geschäftsjahr 2025: starke Nachfragedynamik

Foto: © Pfisterer

Den Wachstumserwartungen wird Pfisterer im laufenden Geschäftsjahr mehr als gerecht. Im Neumonatszeitraum stiegen der Auftragseingang um 34 %, der Umsatz um 15 % und das EBIT um 34 %. Die Book-to-Bill-Ratio von 1,3 und der Rekordauftragsbestand von 339 Mio. EUR signalisieren weiteres Wachstum. Mittelfristig peilt der Vorstand Erlöse von 665 Mio. bis 735 Mio. EUR bei steigenden Margen an.

Nachfolge gelöst

Zugleich bildet das Beispiel Pfisterer eine Blaupause für die Lösung der Nachfolgefrage eines ambitionierten, größeren Mittelständlers. Karl-Heinz Pfisterer, Enkel des Firmengründers, wurde 2023 zum Ehrenvorsitzenden des Aufsichtsrats der seinerzeitigen AG ernannt. Mit der Umwandlung in eine SE und der entsprechenden Besetzung der Organe war die Trennung von Unternehmen und Familie abgeschlossen. Perspektivisch ist vorgesehen, die Anteile von Karl-Heinz Pfisterer in eine Stiftung einzubringen.

FAZIT

Das IPO von Pfisterer ist in mehrerlei Hinsicht vorbildlich. Das Unternehmen hat einen rundum gelungenen Börsengang absolviert und bereichert seither den Kurszettel. Zugleich hat die Gründerfamilie ihre Nachfolge langfristig gelöst. Und die Aktionäre, die im Mai bei 27 EUR gezeichnet haben, können sich über eine Kurssteigerung auf aktuell gut 70 EUR freuen. Alles in allem handelt es sich um ein Bilderbuch-IPO. Bleibt zu hoffen, dass nun auch wieder mehr Familienunternehmen im Rahmen ihrer Unternehmensnachfolge über den Kapitalmarkt nachdenken.


„Unsere Lösungen sind unverzichtbar für die globalen Stromnetze“

Interview mit Johannes Linden, Sprecher des Vorstands, Pfisterer Holding SE

Unternehmeredition: Im laufenden Geschäftsjahr verzeichnen Sie eine starke Auftragsdynamik, die Book-to-Bill-Ratio erreichte nach den ersten neun Monaten mit 1,3 einen hohen Wert. Auch wenn die Dynamik quer durch die Regionen und Segmente geht: Können Sie Highlights hervorheben?

Foto: © Pfisterer

Johannes Linden: Die Nachfrage nach intelligenten Energieinfrastrukturlösungen wächst weltweit rasant. Davon profitieren wir als einer der global führenden unabhängigen Anbieter. Das Schöne an unserem Geschäft ist, dass wir in allen Produktbereichen und Regionen gleichermaßen wachsen. Wir haben auch im laufenden Geschäftsjahr wieder zahlreiche neue Projekte gewonnen oder erfolgreich umgesetzt. Unter anderem wurden wir von Siemens Energy beauftragt, für die Offshore-Projekte DolWin4 und BorWin4 Turnkey-Kabelsysteme zu liefern. Unsere Produkte sorgen auf den Plattformen für eine sichere und zuverlässige Stromübertragung.

Ihr Auftragsbestand lag am Ende des Neunmonatszeitraums mit 338,7 Mio. EUR auf Rekordniveau. Wie viel davon betrifft 2026? Wo liegt die typische Auftragsreichweite?

Wir planen, im Jahr 2026 über 300 Mio. EUR unseres Auftragsbestands zu realisieren. Wir arbeiten unseren Auftragsbestand kontinuierlich ab und unterstützen unsere Kunden mit unseren innovativen Lösungen bei ihren Projekten. Gleichzeitig wächst unser Auftragseingang stetig. Das gibt uns eine gute Planbarkeit und Visibilität für unsere Entwicklung in den kommenden Quartalen.

Im Geschäftsjahr 2024 haben Sie 18 % des Umsatzes in Amerika erwirtschaftet. Ihre Präsenz in den USA haben Sie deutlich ausgebaut. Wird sich der Amerika- beziehungsweise der US-Anteil am Umsatz erhöhen?

Prüffeld für Transformatoren und Kabelgarnituren: Hier werden Prüfungen und Qualitätskontrollen unter realistischen Betriebsbedingungen durchgeführt; Foto: © Pfisterer

Nordamerika gehört zu den wichtigsten globalen Wachstumsmärkten für Pfisterer. Wir sehen in Nordamerika weiterhin großartige Wachstumsmöglichkeiten und wollen den Anteil des Amerikageschäfts am Gesamtumsatz weiter erhöhen. Wir haben unsere Aktivitäten dort zuletzt nochmals deutlich ausgebaut. Die Stromnetze in den USA sind im Durchschnitt 40 Jahre alt. Entsprechend hoch ist der Modernisierungs- und Investitionsbedarf in den kommenden Jahren. Mit unserer Ende 2024 eröffneten Produktions- und Vertriebsstätte in Rochester sind wir produktionsseitig exzellent aufgestellt, um die großen Potenziale im nordamerikanischen Markt realisieren zu können. Wir sind so noch näher an den Kunden und können noch schneller auf deren Bedürfnisse reagieren.

Der für Sie relevante Markt wächst bis 2030 im Schnitt mit 11,6 % jährlich. Kann man unterstellen, dass Pfisterer als Technologieführer mindestens genauso stark wachsen wird?

Wir wollen die durchschnittliche Wachstumsprognose sogar übertreffen. Im Geschäftsjahr 2024 sind wir mit einem Umsatzplus von 14,7 % bereits deutlich überproportional gewachsen. Auf allen Kontinenten wird in die Modernisierung und die Zukunftsfähigkeit der Netze investiert, da die bestehende Technik in vielen Fällen veraltet und überfordert ist. Wir sind hervorragend aufgestellt, das Wachstum der zugrunde liegenden adressierbaren Märkte an Stromnetzschnittstellen auch in den kommenden Jahren zu übertreffen.

Sie sind ja kontinuierlich im Dialog mit dem Markt – mit Kunden und Lieferanten, Verbänden und Instituten. Täglich erhalten Sie Anfragen und schreiben Angebote. Wie nehmen Sie das Sentiment für 2026 in Ihren Geschäftsfeldern wahr?

Sehr positiv. Unsere Lösungen sind unverzichtbar dort, wo Stromnetze angeschlossen, erweitert oder modernisiert werden. Das ist ein weltweiter Trend und wird auch an unserem stark steigenden Auftragseingang und -bestand deutlich. Fehlende Kapazitäten und eine veraltete Netzinfrastruktur sind keine Ausnahmen, sondern weltweit die Regel. Insofern investieren die Netzbetreiber auch rund um den Globus aktuell mehr denn je zuvor.

Für 2025 haben Sie – gerüstet mit den Mitteln aus dem Börsengang – eine Ausweitung der Investitionen gegenüber 2024 geplant. Wo lagen die Schwerpunkte, und welche Summe wird Ende des Jahres unter dem Strich stehen?

Typprüfung eines umfassenden 320-kVHVDC- Kabelsystems; Foto: © Pfisterer

Wir werden unsere Produktionskapazitäten am Standort in Kadan in Tschechien weiter ausbauen und haben hierfür zusätzlich ein fünf Hektar großes Grundstück erworben. Zudem investieren wir rund 30 Mio. EUR in unser neues HVDC-Labor in Winterbach, für das wir bereits die Baugenehmigung erhalten haben. Der Start der Serienproduktion von HVDC-Kabelsystemen ist ab Ende 2026 geplant. Wir wollen darüber hinaus in die Entwicklung weiterer innovativer Produktlösungen und die Förderung der Automatisierung sowie die Verbesserung von Infrastruktur und Logistik investieren und unser profitables Wachstum auch in den kommenden Jahren weiter beschleunigen. Insgesamt werden wir mittelfristig etwa 215 Mio. EUR in unser Wachstum investieren.

Das starke Wachstum von Pfisterer ist nahezu vollständig organisch generiert. Streben Sie darüber hinaus nach externem Wachstum? Verfolgen Sie eine konkrete M&A-Strategie? Sind über Power CSL hinaus weitere Übernahmen denkbar?

Mit der strategischen Akquisition von Power CSL haben wir unsere gute Marktposition in der elektrischen Verbindungstechnik gestärkt und unser Portfolio um Lösungen für Unterwasseranwendungen erweitert. Wir sehen uns mit unserer aktuellen Aufstellung für künftige Aufgaben bestens gerüstet. M&A bleibt aber auch in Zukunft eine Option, um unser internationales Marktwachstum voranzutreiben und unsere Führungspositionen zu festigen.

Hat der Börsengang im Mai 2025 das Unternehmen verändert? Aktien bieten den Vorteil der leichten Handelbarkeit. Beteiligen Sie die Mitarbeiter über Belegschaftsaktien am Unternehmen?

Foto: © GoingPublic Media AG

Unser IPO war ein voller Erfolg. Daran und an den exzellenten Perspektiven von Pfisterer partizipieren auch unsere Mitarbeiter. Für sie gab es während des Börsengangs ein Aktienprogramm, das hervorragend angenommen wurde. Diese Teilhabe am Erfolg hat den Gemeinschaftsgeist und Zusammenhalt im Unternehmen nochmals erheblich gestärkt.

Mittelständische Unternehmen punkten im Kampf um Talente nicht selten mit einer starken Unternehmenskultur. Wie würden Sie die Kultur bei Pfisterer beschreiben? Warum entscheiden sich qualifizierte, motivierte Kollegen für Ihr Unternehmen?

Pfisterer zeichnet sich durch einen starken Gemeinschaftsgeist aus, der eine Atmosphäre der Solidarität schafft. Bei uns kann jeder Mitarbeiter sein volles Potenzial entfalten. Wir bieten ein attraktives Arbeitsumfeld und spannende Aufgaben in einem schnell wachsenden Markt. Bei Pfisterer erhalten Mitarbeiter einen Arbeitsplatz mit Zukunft und Perspektive. Und das kommt gut an. Wir sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen und zählen heute mehr als 1.350 Mitarbeiter in 15 Ländern.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Gespräch führte Oliver Vollbrecht.


ZUM INTERVIEWPARTNER

Foto: © Pfisterer

Johannes Linden ist Mitglied des Vorstands/Sprecher der Pfisterer Holding SE. Seit Januar 2023 verantwortet er bei dem Unternehmen die Ressorts Finance und Operations. Herr Linden ist seit 20 Jahren als Allein- und Konzerngeschäftsführer großer mittelständischer, international operierender Lösungsanbieter in der Automations- und Maschinenbaubranche tätig.

Autorenprofil
Oliver Vollbrecht
Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist

Oliver Vollbrecht beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Geschäftsmodellen – als freier Journalist, Investor Relations-Manager und -Berater, als Investor und HV-Sprecher für die DSW. Der Schwerpunkt seiner journalistischen Arbeit liegt bei börsennotierten Unternehmen der DACH-Region.

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