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Neue Sanierung aus Brüssel

Braucht Deutschland ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren? Eine Initiative der EU-Kommission hat die schon verebbte Diskussion wiederentfacht. Der EU-Vorschlag enthält Ansätze, die deutschen Unternehmen eine Sanierung erleichtern könnten.

Ein in die Krise geratenes Unternehmen zu sanieren hat erfahrungsgemäß gegenüber seiner Zerschlagung erhebliche Vorteile. Etwa der Erhalt von Arbeitsplätzen und die in der Regel höheren Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Aber auch aus Sicht der Gesellschafter ist eine Sanierung sinnvoll. Frühzeitig eingeleitet, bietet sie für Gesellschafter die Chance, die Anteilsrechte an einem wiedererstarkten Unternehmen zu bewahren, während sie im Fall einer Zerschlagung regelmäßig leer ausgehen.

Probleme mit Trittbrettfahrern

Zeichnen sich bestandsgefährdende Entwicklungen ab, ist die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen also grundsätzlich im Interesse aller Beteiligten. Dennoch scheitern außergerichtliche Sanierungsbemühungen in Deutschland häufig daran, dass einzelne Gläubiger ihre Zustimmung zu wirtschaftlich vernünftigen Sanierungskonzepten verweigern, obwohl diese von der Gläubigermehrheit getragen werden. Dadurch blockieren sie die Gesamtlösung für das Unternehmen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens können Gläubiger nämlich nicht zur Duldung von Eingriffen in ihre Rechte gezwungen werden. Hinter einem solchen Verhalten dieser „Trittbrettfahrer“ steckt mitunter auch ein Geschäftsmodell. Investoren erwerben Forderungen, deren Werthaltigkeit aufgrund der Unternehmenskrise des Schuldners zweifelhaft ist. Da der Kaufpreis regelmäßig erheblich unter dem Nominalwert der Forderungen liegt, tragen die neuen Gläubiger im Falle des Scheiterns der Sanierung – wenn überhaupt – ein deutlich geringeres Ausfallrisiko als andere Beteiligte. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt daher für sie keine große Gefahr dar.Braucht Deutschland ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren? Eine Initiative der EU-Kommission hat die schon verebbte Diskussion wiederentfacht. Der EU-Vorschlag enthält Ansätze, die deutschen Unternehmen eine Sanierung erleichtern könnten.

Eine Alternative zur außergerichtlichen Sanierung stellt in solchen Situationen derzeit allein das Insolvenzverfahren (insbesondere in Eigenverwaltung) dar, in dem dissentierende Gläubiger im Rahmen eines sogenannten Insolvenzplans von der Mehrheit überstimmt werden können. Es kann bei Bestehen drohender Zahlungsunfähigkeit bereits in einem recht frühen Krisenstadium freiwillig beschritten werden. Bei guter Vorbereitung und Abstimmung mit den wesentlichen Gläubigern lassen sich Unternehmen und Rechtsträger mittels eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung erhalten und beachtliche Befriedigungsquoten für die Gläubiger erzielen. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist also mitnichten stets mit dem Verlust der Kontrolle über das Unternehmen oder dessen Zerschlagung gleichzusetzen.

Alternative: Sanierung im Insolvenzverfahren

Gleichwohl wird es zumeist erst eingeleitet, wenn es aufgrund eingetretener Zahlungsunfähigkeit für eine Sanierung unter Erhalt des Rechtsträgers (fast) schon zu spät ist. Der Grund für die späte Insolvenzantragstellung liegt wohl darin, dass das Insolvenzverfahren mit Kosten, einer negativen Publizität, einem erhöhten Liquiditätsbedarf (viele liefern nur noch gegen Vorkasse), dem Risiko des Kontrollverlusts für den Gesellschafter, aber auch für die Geschäftsführung und der Realisierung von Haftungsrisiken verbunden ist. Entsprechend ist die Einleitung eines Insolvenzverfahrens trotz der sich eigentlich bietenden Sanierungsmöglichkeiten mit dem Stigma des Scheiterns belegt, was wiederum den Trend zur späten Antragstellung verstärkt.

Initiative der EU

Die EU hat sich dieses europaweit zu beobachtenden Problems nun angenommen und forciert in den Mitgliedstaaten die Implementierung von früh zugänglichen und wenig reglementierten Sanierungsverfahren. Hintergrund dieser Initiative ist die Harmonisierung der Rechtssysteme, um Unsicherheiten für grenzüberschreitende Investitionstätigkeiten auszuräumen. In ihrer Empfehlung vom März 2014 hat die EU-Kommission eine mögliche Ausgestaltung des Sanierungsverfahrens vorgestellt. Ein entsprechender Legislativentwurf wird momentan ausgearbeitet.Braucht Deutschland ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren? Eine Initiative der EU-Kommission hat die schon verebbte Diskussion wiederentfacht. Der EU-Vorschlag enthält Ansätze, die deutschen Unternehmen eine Sanierung erleichtern könnten.

Wie wird das Verfahren aussehen?

Das neue Sanierungsverfahren soll laut EU-Empfehlung beschritten werden können, sobald die „Möglichkeit einer Insolvenz“ besteht. Es soll durch die Vereinbarung eines Restrukturierungsplans abgeschlossen werden, der die Fortführung des Unternehmens sicherstellt. Das Verfahren kann auf einzelne Gläubigergruppen beschränkt werden, sodass nicht sämtliche Unternehmensgläubiger in den Restrukturierungsplan einbezogen werden müssen. Die Leitung des Unternehmens soll während des Verfahrens weiterhin der Geschäftsführung obliegen, der nur im Einzelfall eine Aufsichtsperson zur Seite gestellt wird. Die gerichtliche Kontrolle soll auf Fälle beschränkt bleiben, in denen dies zum Schutz der Gläubiger erforderlich erscheint. So wird das Gericht etwa dann tätig, wenn der Schuldner die zeitweise Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen der Gläubiger (z.B. Zwangsvollstreckung) beantragt. Dies soll möglich sein, wenn es für die Umsetzung des Restrukturierungsplans notwendig ist. Für die Annahme eines Plans, dessen inhaltliche Gestaltung den Beteiligten weitgehend freisteht, bedarf es der Mehrheit der Gläubiger, die zur Abstimmung in Gruppen eingeteilt werden können. Bestehen Gegenstimmen, so ist der Plan gerichtlich zu bestätigen. Überstimmten Gläubigern, die eine Schlechterstellung durch den Plan etwa im Vergleich zur Liquidation geltend machen, soll die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Planbestätigung zustehen. Wird im Plan eine Neufinanzierung (etwa auch in Form eines Debt-Equity-Swaps) vereinbart, soll diese auch im Fall des Scheiterns der Sanierung geschützt werden. Dies beinhaltet sowohl die Anfechtungsfestigkeit der Maßnahme in einem Folgeinsolvenzverfahren als auch den Ausschluss einer etwaigen Haftung des Geldgebers.

Fazit

Das deutsche Insolvenzrecht bietet zwar schon spätestens seit dem Jahr 2012 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vieles von dem, was die EU-Kommission empfohlen hat. Doch ist zu erwarten, dass mit der Umsetzung der EU-Empfehlung und der Einführung eines eigenständigen Sanierungsverfahrens viele Nachteile eines Insolvenzverfahrens – einschließlich des Stigmas des Scheiterns – vermieden und Sanierungen früher, stiller, schneller und damit effizienter durchgeführt werden können. Entsprechend ist dann wohl mit einer früheren Einleitung der Sanierung und im Ergebnis mit einer noch besseren „Sanierungskultur“ in Deutschland zu rechnen.


Zu den Personen

(© privat)

Dr. Uwe Goetker (ugoetker@mwe.com) ist Rechtsanwalt und Partner, Benedikt Schulz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in Düsseldorf. Dr. Goetker ist im Bereich Corporate/M&A tätig und unter anderem auf die Vorbereitung und Durchführung von Sanierungen/Restrukturierungen spezialisiert. www.mwe.com

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