Neue Sanierung aus Brüssel

Braucht Deutschland ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren? Eine Initiative der EU-Kommission hat die schon verebbte Diskussion wiederentfacht. Der EU-Vorschlag enthält Ansätze, die deutschen Unternehmen eine Sanierung erleichtern könnten.

Wie wird das Verfahren aussehen?

Das neue Sanierungsverfahren soll laut EU-Empfehlung beschritten werden können, sobald die „Möglichkeit einer Insolvenz“ besteht. Es soll durch die Vereinbarung eines Restrukturierungsplans abgeschlossen werden, der die Fortführung des Unternehmens sicherstellt. Das Verfahren kann auf einzelne Gläubigergruppen beschränkt werden, sodass nicht sämtliche Unternehmensgläubiger in den Restrukturierungsplan einbezogen werden müssen. Die Leitung des Unternehmens soll während des Verfahrens weiterhin der Geschäftsführung obliegen, der nur im Einzelfall eine Aufsichtsperson zur Seite gestellt wird. Die gerichtliche Kontrolle soll auf Fälle beschränkt bleiben, in denen dies zum Schutz der Gläubiger erforderlich erscheint. So wird das Gericht etwa dann tätig, wenn der Schuldner die zeitweise Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen der Gläubiger (z.B. Zwangsvollstreckung) beantragt. Dies soll möglich sein, wenn es für die Umsetzung des Restrukturierungsplans notwendig ist. Für die Annahme eines Plans, dessen inhaltliche Gestaltung den Beteiligten weitgehend freisteht, bedarf es der Mehrheit der Gläubiger, die zur Abstimmung in Gruppen eingeteilt werden können. Bestehen Gegenstimmen, so ist der Plan gerichtlich zu bestätigen. Überstimmten Gläubigern, die eine Schlechterstellung durch den Plan etwa im Vergleich zur Liquidation geltend machen, soll die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Planbestätigung zustehen. Wird im Plan eine Neufinanzierung (etwa auch in Form eines Debt-Equity-Swaps) vereinbart, soll diese auch im Fall des Scheiterns der Sanierung geschützt werden. Dies beinhaltet sowohl die Anfechtungsfestigkeit der Maßnahme in einem Folgeinsolvenzverfahren als auch den Ausschluss einer etwaigen Haftung des Geldgebers.

Fazit

Das deutsche Insolvenzrecht bietet zwar schon spätestens seit dem Jahr 2012 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vieles von dem, was die EU-Kommission empfohlen hat. Doch ist zu erwarten, dass mit der Umsetzung der EU-Empfehlung und der Einführung eines eigenständigen Sanierungsverfahrens viele Nachteile eines Insolvenzverfahrens – einschließlich des Stigmas des Scheiterns – vermieden und Sanierungen früher, stiller, schneller und damit effizienter durchgeführt werden können. Entsprechend ist dann wohl mit einer früheren Einleitung der Sanierung und im Ergebnis mit einer noch besseren „Sanierungskultur“ in Deutschland zu rechnen.


Zu den Personen

Dr. Uwe Goetker/Benedikt Schulz/MvDermott Will & Emery (© privat)
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Dr. Uwe Goetker (ugoetker@mwe.com) ist Rechtsanwalt und Partner, Benedikt Schulz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in Düsseldorf. Dr. Goetker ist im Bereich Corporate/M&A tätig und unter anderem auf die Vorbereitung und Durchführung von Sanierungen/Restrukturierungen spezialisiert. www.mwe.com

Autorenprofil

Dr. Uwe Goetker ist Rechtsanwalt und Partner, Benedikt Schulz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in Düsseldorf. Dr. Goetker ist im Bereich Corporate/M&A tätig und unter anderem auf die Vorbereitung und Durchführung von Sanierungen/Restrukturierungen spezialisiert.

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