Nachfolgewelle im E-Commerce

Wie Eigentümer im aktuellen Umfeld einen erfolgreichen Verkauf realisieren

E-Commerce-Unternehmer erreichen ein Alter, in dem sie sich Gedanken über ihre Nachfolge machen müssen
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Der E-Commerce-Sektor hat sich über die letzten 20 Jahre sukzessive etabliert, ist gewachsen und gereift. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland laut Statistiken rund 86 Mrd. EUR allein im B2C-E-Commerce umgesetzt. Gleichzeitig hat der E-Commerce-Boom vielen Unternehmen der Branche während der Coronapandemie Rekordumsätze und Gewinne eingebracht. Nun erreicht die erste Generation der E-Commerce-Unternehmer ein Alter, in dem sie sich Gedanken über ihre Nachfolge machen müssen. Schließlich erkennen viele auch, dass es gerade jetzt sinnvoll ist, das positive Momentum der letzten Jahre als Ausgangsbasis für den Unternehmensverkauf zu nutzen.

Auch wenn viele E-Commerce-Unternehmer nun vor der Regelung ihrer Nachfolge stehen, denkt bisher kaum jemand an den Onlinehandel, wenn über das Thema Altersnachfolge diskutiert wird. Wie kommen E-Commerce-Unternehmer also an die geeigneten Käufer – und welche Besonderheiten sollten sie dabei beachten, um einen erfolgreichen Exit zu realisieren?

Wer kommt als Käufer für E-Commerce-Unternehmen in Frage?

Grundsätzlich steht beim Verkauf von mittelständischen E-Commerce-Unternehmen mit einer Umsatzgröße von 1 Mio. EUR bis 10 Mio. EUR die volle Bandbreite an Käufergruppen zur Verfügung. Auf der einen Seite haben diese Unternehmen die kritische Masse erreicht, die notwendig ist, um sie überhaupt erst als Akquisitionsziel für alle Käufergruppen zu qualifizieren. Auf der anderen Seite sind diese Unternehmen immer noch kompakt genug, um zum Beispiel auch für größere Wettbewerber ohne hohes finanzielles Risiko übernommen werden zu können. Diese Unternehmen befinden sich somit genau im “Sweetspot” für eine möglichst große Anzahl potenzieller Käufer. Generell lassen sich diese dazu in vier verschiedene Kategorien einteilen, um nachfolgend zu ermitteln, wie sich die jeweilige Käufergruppe bestmöglich ansprechen lässt:

  1. Der strategische Investor
    Typischerweise handelt es sich hierbei um direkte beziehungsweise indirekte Wettbewerber, die von einer Konsolidierung profitieren würden. Durch das Zusammenlegen von Overhead-Funktionen entstehen so in der Regel Kostensynergien. Zusätzlich ist es denkbar, dass sich beispielsweise durch die Bündelung des Vertriebs und von Kundenstämmen auch Cross-Selling-Potenziale und somit Umsatzsynergien ergeben. In manchen Fällen suchen auch Unternehmen aus verwandten Branchen mit der Akquisition eines anderen Unternehmens den Einstieg in einen neuen Markt. Denkbar sind auch Hersteller, die entlang der Wertschöpfungskette durch die Akquisition näher an den Endkunden rücken möchten. Die strategischen Motivationen für die Übernahme sind äußerst vielfältig, aber stets ein wichtiger Treiber für den realisierbaren Kaufpreis.
  1. Finanzinvestoren
    Es gibt einige Finanzinvestoren, hauptsächlich kleinere, regional fokussierte Private-Equity-Fonds, die auch in der Umsatzgröße ab circa 3 Mio. EUR bis 5 Mio. EUR profitable Unternehmen akquirieren. Mit spitzem Bleistift kalkuliert diese Käufergruppe, bis zu welchem Kaufpreis sich die Transaktion rechnet und Fremdkapital-finanzierbar ist. Essentiell sind auch die Weiterverkaufsoptionen über einen Zeithorizont von vier bis sieben Jahren. Des Weiteren gibt es größere Private-Equity-Fonds, die im Rahmen Ihrer Buy-and-Build-Strategie bereits einen größeren E-Commerce-Player akquiriert haben und nun nach kleineren “Add-on”-Akquisitionen Ausschau halten. Eine Sonderform des Finanzinvestors stellt der sogenannte Aggregator dar. Diese Unternehmen haben sich speziell auf die Übernahme und Konsolidierung von Amazon FBA-Unternehmen spezialisiert. Nach Jahren der Goldgräberstimmung in der Branche agieren Aggregatoren aufgrund operativer Herausforderungen und eines restriktiveren Kapitalzugangs aktuell jedoch vorsichtiger.
  1. ETA (“Entrepreneurship Through Acquisition”)
    Hierbei handelt es sich um die Nachfolge im engsten Sinne. Immer häufiger sucht Führungspersonal, beziehungsweise das mittlere Management aus Großkonzernen und Mittelstand, nach Möglichkeiten, eigene Ideen unternehmerisch umzusetzen. Viele Manager wollen aber nicht bei Null starten, sondern funktionierende Unternehmen samt Personal übernehmen und dann skalieren. Durch die hohe Bonität der Manager und bestehendes Eigenkapital, ist die Finanzierung – vor allem in Kombination mit Mezzanine-Instrumenten zur Nachfolge – gut umsetzbar. Im Gegensatz zum Private-Equity-gestützten Management-Buy-in wird die Finanzierung der Akquisition hier selbstständig durch den neuen Eigentümer orchestriert.
  2. Unternehmerholdings
    Nach dem erfolgreichen Verkauf ihres ersten Unternehmens möchten viele Unternehmer weiterhin geschäftlich aktiv bleiben und ihre Erfahrung bestmöglich nutzen. Sie gründen Unternehmerholdings, die ihnen als Investitionsvehikel dienen. Mit diesen Holdings kaufen sie kleinere Unternehmen und skalieren sie mit der Absicht, langfristig diversifizierte Cashflows in Form von Ausschüttungen aufzubauen oder das Unternehmen nach erfolgreicher Skalierung höherpreisiger weiterzuverkaufen.

Die richtigen Käufer sind identifiziert, aber wie sieht das aktuelle Bewertungsumfeld aus?

Das Bewertungsumfeld für E-Commerce-Unternehmen hat sich seit den Höchstständen 2021 wieder deutlich normalisiert. Die Bewertungen sind momentan durchschnittlich. Im Hinterkopf gilt es zu behalten, dass B2C-Shops generell stärker vom turbulenten Marktumfeld betroffen sind als B2B-Shops. Aufgrund der Krise agieren Käufer deshalb zurzeit verhaltener und auch Kaufpreisfinanzierungen sind aufgrund der restriktiveren Kreditvergabe seitens der Banken komplexer. Hier gibt es aber viele strategische Investoren, die durch die Rekordgewinne der letzten Jahre ihre Kassen vorausschauend gefüllt haben und nun Ausschau nach Zukäufen halten.

Die Grundlage für jede Bewertung von E-Commerce-Unternehmen liefern der Umsatz sowie der operative Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT). Hierbei spielen auch die Eigentümer-verbundenen Kosten eine Rolle. Diese stehen oft nicht direkt mit dem Unternehmen in Verbindung und sollten deshalb bereinigt werden. Das auf diese Weise bereinigte EBIT wird auch oft als “SDE” bzw. ”Seller’s Discretionary Earnings” bezeichnet. Eine gute Vorbereitung dieser Metriken, sowie werterhöhender und -mindernder Faktoren, sind für die Unternehmensbewertung unerlässlich.

Mit welchen Maßnahmen können sich Verkäufer besser positionieren?

Auch in der aktuellen Marktlage ist es möglich, überdurchschnittliche Kaufpreise beim Unternehmensverkauf zu realisieren. Allerdings ist ein digitaler Veräußerungsprozess, der auf die Besonderheiten der Nachfolge im E-Commerce eingeht, hierfür essenziell.

Folgende Maßnahmen unterstützen den Unternehmensverkauf:

Schritt 1: SOPs (Standard Operating Procedures) erstellen
SOPs sind vergleichbar mit einem digitalen Handbuch, das alle Eigentümer-Aufgaben und Prozesse verständlich illustriert. Mithilfe der SOPs kann ein neuer Eigentümer das Unternehmen möglichst reibungslos übernehmen. SOPs werden in den meisten KMU-M&A-Transaktionen völlig unterschätzt oder sogar komplett vergessen. Dabei sind die wesentlichen Treiber für höhere Kaufpreise Vertrauen, Verständnis und Sicherheit. Die Erstellung von SOPs durch den alten Eigentümer gemeinsam mit dem M&A-Berater in Vorbereitung auf die Due Diligence ist die Mühe also wert. Besonders für ETA-Käufer sind gut verfasste SOPs oft der ausschlaggebende Punkt über den Vollzug des Kaufs.

Schritt 2: Darstellung der Wachstumshebel
Damit das Wachstumspotenzial eines Unternehmens glaubhaft und belastbar ist, muss es konkret greifbar für den potenziellen Käufer sein. Unternehmensverkäufer sollten dazu Wachstumshebel stets qualitativ und quantitativ im Rahmen der Finanzplanung vorbereiten. Gemeinsam mit einem M&A-Berater halten die Verkäufer für die Darstellung die fünf wichtigsten Umsatz- sowie Ergebnissteigerungsmaßnahmen fest. Abschließend quantifizieren die Verkäufer dann deren erwarteten Einfluss im Rahmen der Finanzplanung.

Schritt 3: Steuerberater einbinden
Die rechtzeitige Einbindung eines Steuerberaters bezüglich der Verkaufsüberlegungen ist wichtig. Steuerberater haben grundsätzlich die Reduzierung der Steuerlast für ihre Mandanten im Sinne. Aber Vorsicht: Eine solche Reduzierung kann im letzten Jahr vor dem Verkauf die Bewertungsgrundlage verschlechtern und so zu niedrigeren Kaufpreisen im Rahmen des Multiplikatorverfahrens führen. Am besten suchen Eigentümer frühzeitig das vertrauliche Gespräch und stimmen sich mit dem Steuerberater dazu ab.

Schritt 4: Akquisitionsfinanzierung erleichtern
In Verhandlungen mit der Käufergruppe ETA lohnt es sich, dem Käufer die Akquisitionsfinanzierung so einfach wie möglich zu machen. Besonders bei kleineren Unternehmensübernahmen kann ein Nachfolger das Unternehmen unter minimalem Eigenkapitaleinsatz akquirieren und auf Fremd- sowie Mezzanine-Kapital zur Finanzierung zurückgreifen.

Schritt 5: Großzügige Übergangsfrist und beratende Begleitung
Käufer im Rahmen einer sechsmonatigen Übergangsfrist sowie nachgelagerter, beratender Begleitung auf Stunden- oder Tagessatz-Basis zu begleiten, zahlt sich oft aus. Als Verkäufer gilt es dabei natürlich, auf eine adäquate Vergütung der Tätigkeit und eine klare Eingrenzung des Beratungsbereiches zu achten.

Fazit: Käuferorientierung ist der Schlüssel

Mit wichtigem Hintergrundwissen zu den Käufergruppen und ihren Ambitionen, lassen sich auch in unruhigem Marktumfeld gute Unternehmensverkäufe realisieren. Wie so oft ist eine gute Vorbereitung und Know-how hierzu der beste Ansatz. Durch eine attraktive Positionierung gegenüber möglichen Käufern können Unternehmer dann nicht nur die Chancen auf einen erfolgreichen Verkauf, sondern auch auf einen Verkauf in gute Hände maximieren.

Autorenprofil
Peter Nadolinski

Peter Nadolinski, Gründer und Managing Partner bei Venture Advisory Partners, berät Wachstumsunternehmen bei der Finanzierung sowie der erfolgreichen Umsetzung ihres Unternehmensverkaufs. Er begann seine berufliche Laufbahn bei einer führenden US-amerikanischen Investmentbank, gefolgt von weiteren Stationen bei KMU-fokussierten M&A-Beratungen. 2020 gründete er sein eigenes Beratungsunternehmen Venture Advisory Partners.

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