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Nachfolge mit Vorausschau planen

Foto: © magele-picture_AdobeStock

Nach aktuellen Schätzungen des IfM Bonn stehen in Deutschland von 2022 bis 2026 rund 190.000 Unternehmen zur Übergabe an; dies sind 38.000 Übergaben pro Jahr. Das Gelingen des Übergabe- und des nachfolgenden strategischen Weiterentwicklungsprozesses eines Familienunternehmens hängt entscheidend von drei Aspekten ab: Wird rechtzeitig mit der Nachfolgeplanung begonnen? Wird der Übergabeprozess klar strukturiert und konsequent umgesetzt? Und wird nach der Übergabe die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens rechtzeitig eingeleitet?

Erfahrungsgemäß wünschen sich mehr als 70% der Unternehmenseigner eine familieninterne Nachfolge. Dennoch werden in vielen Familienunternehmen die Nachfolge und deren konkrete Auswirkungen nicht oder nicht rechtzeitig geregelt, mitunter nicht einmal mit allen Beteiligten offen besprochen.

Rechtzeitiger Beginn der Nachfolgeplanung entscheidend

In meinen eigenen Beratungsprojekten gehen wir daher so vor, dass wir etwa fünf Jahre vor der geplanten Unternehmensübergabe mit ersten Gesprächen beginnen, um zunächst herauszufinden, inwieweit bei der nächsten Familiengeneration die unternehmerische, gegebenenfalls auch die technisch-fachliche, die finanzielle und die persönliche Kompetenz sowie vor allem auch der Wille und die Motivation für die Firmenübernahme vorhanden sind. Zu diesem frühen Zeitpunkt sollte auch geklärt werden, ob neben dem Eigentum auch die Geschäftsführungsaufgaben innerhalb der Familie übertragen werden sollen. Manche Familienunternehmer entscheiden sich ganz bewusst dafür, (zunächst) nur die Gesellschaftsanteile, nicht jedoch die Geschäftsführungsaufgaben und damit die operative Verantwortung innerhalb der Familie zu übertragen, um Raum für eine Besetzung der Geschäftsführung mit externen Kandidaten zu schaffen.

Empfehlen sich gleich mehrere familieninterne Kandidaten für die Übernahme auch der Geschäftsführungsverantwortung, dann sollte die Zeit bis zum Stichtag der Übergabe gezielt dazu genutzt werden, die jeweiligen Rollen, Aufgaben und Verantwortungsbereiche klar zu definieren und gegeneinander abzugrenzen, um die Nachfolger rechtzeitig auf ihre jeweiligen Positionen (z.B. kaufmännische oder technische Geschäftsführung) und ihre jeweilige operative Verantwortung auch im Zusammenspiel miteinander vorzubereiten. Hierzu bieten sich unter anderem verschiedene Unternehmensprojekte an, die erfolgreich zu absolvieren sind, ferner die Vorbereitung auf die Geschäftsführungsrolle durch entsprechendes Führungscoaching sowie die vorausschauende und kontrollierte Kommunikation mit den wichtigsten unternehmensinternen und -externen Stakeholdern. Letztere sollten rechtzeitig über die geplante Unternehmensfortführung informiert werden und idealerweise die Gelegenheit erhalten, eigene Sichtweisen und Wahrnehmungen sowie gegebenenfalls Bedenken zu äußern, aber auch eigene Vorschläge und Ideen in den Prozess einzubringen.

Ebenfalls wichtig: klare Struktur und konsequente Umsetzung

In einem meiner Beratungsprojekte gab es ein Vater-Söhne-Team, das exzellent und vertrauensvoll zusammengearbeitet hat und in dem die jeweiligen Expertisen wertgeschätzt wurden. Wir haben uns daher dafür entschieden, dass es nicht einen festen Übergabezeitpunkt geben sollte, sondern einen fließenden Übergabeprozess für die operative Nachfolge. Dies bedeutete konkret, dass die Aufgaben der Geschäftsführung für einen Zeitraum von circa 1,5 Jahren auf drei Personen aufgeteilt wurden. Die beiden Söhne übernahmen jeweils die Bereiche Kunden/Vertrieb sowie Technologie/Entwicklung und der Vater war weiterhin zuständig für Finanzen und Personal. So konnten sich die Söhne sukzessive „freischwimmen“, aber der Vater war immer noch für Unternehmensinterne wie -externe der jahrzehntelang vertraute Geschäftspartner im Hintergrund. Zudem bot sich ihm dadurch die Chance, dass er nicht von einer Minute auf die andere sein Unternehmen abgeben musste und kurzfristig ohne Aufgabe dastand. Er konnte seine Erfahrung weiterhin einbringen und sich gezielt auf den „Ruhestand“ vorbereiten.

Ferner war dieser fließende Übergang auch für die Eigentumsnachfolge vorteilhaft. Die Söhne nutzten den Zeitraum, um sich anzuschauen, wie werthaltig das Unternehmen bereits ist und welches Potenzial es in den nächsten Jahren bieten kann. Hieraus haben wir dann einen dreiteiligen Schenkungs- und Kaufvertrag gestrickt. Ein Teil wurde per Schenkung an die Söhne als Gegenleistung für die gute Performance in den letzten Jahren vermacht. Ein weiterer Teil wurde als fixer Kaufpreis zu dem Zeitpunkt gezahlt, an dem die beiden Söhne alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer wurden. Der restliche Teil wurde dann als Ratenzahlung für die darauffolgenden fünf Jahre vereinbart. Hierbei haben wir auf für beide Seiten attraktive Klauseln geachtet. Die beiden Söhne wurden dahingehend „abgesichert“, dass die jährlichen Raten plus Zinsen nicht einen Großteil des Jahresüberschusses überschritten. Sollte dieser Fall eintreten, dann würde der den Jahresüberschuss übersteigende Anteil erst im nächsten Jahr beziehungsweise in den nächsten Jahren an den Vater gezahlt. Für den Vater wurde ein Anreiz über eine Earn-out-Klausel geschaffen, das heißt, bei Erreichung bestimmter Zielgrößen (Umsatzkriterien, neue Produkte et cetera) werden die Raten nach oben angepasst. Hierbei ist die Einziehung eines Cap natürlich möglich und bei stark wachsenden Unternehmen auch sinnvoll. Als weitere Option wurde diskutiert, was passieren würde, wenn die Söhne das Unternehmen in den nächsten drei Jahren weiterverkaufen. Hier besteht die Möglichkeit, in den Kaufvertrag einen zusätzlichen Kaufpreis aufzunehmen, der sich prozentual am neuen Kaufpreis orientiert. Da sich alle Parteien sicher waren, dass ein solches Szenario nicht eintreten wird, wurde diese Klausel aber verworfen.

Dritter Punkt: rechtzeitige Einleitung der strategischen Weiterentwicklung

Nach der anderthalbjährigen Übergangszeit waren nun die Söhne die beiden alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer des Unternehmens. Wir haben im Rahmen einer mehrtägigen Strategiesitzung erarbeitet, wie sich das Unternehmen zukünftig positionieren und weiterentwickeln will. Ein wichtiges Ergebnis war, dass zukünftiges Wachstum nun auch anorganisch erfolgen soll. Durch ein Screening der bisherigen und potenziellen Geschäftspartner im Hinblick auf einen potenziellen Erwerb ergab sich eine Handvoll von Unternehmen, die für einen Kauf attraktiv sein könnten. Gespräche mit den Ausgewählten zeigten allerdings schnell, dass nur die Verhandlung mit einem Unternehmen unter strategischen sowie finanziellen Aspekten sinnvoll sein würde. Wie so oft gingen beim Kaufpreis die Vorstellungen meines Kunden als Käufer und die des Verkäufers auseinander. Um die Liquidität zu schonen, da in den nächsten fünf Jahren schließlich noch der restliche Kaufpreis für die Übernahme des Familienunternehmens bezahlt werden muss, wurde auch die nächste Übernahme in zwei Phasen aufgeteilt. In der ersten Phase wurde eine enge Kooperation bei der Entwicklung sowie beim Vertrieb und für die zweite Phase ein Vorkaufsrecht zu einer bereits heute vereinbarten Kaufpreisformel vereinbart. Sollte die Kaufoption in ein paar Jahren ausgeübt werden, so hat die nächste Generation innerhalb weniger Jahre das Unternehmen so weiterentwickelt, dass es noch solider für die Zukunft aufgestellt ist, und nebenbei die Unternehmensgröße fast verdoppelt.

Fazit

Für die Nachfolgeplanung und die sich daran anschließende strategische Weiterentwicklung eines Familienunternehmens gibt es keine Blaupause. Für jedes Familienunternehmen muss daher ein spezifischer Übergabe- und Weiterentwicklungsplan erarbeitet und konsequent umgesetzt werden. Neben steuerlichen, gesellschaftsrechtlichen und unternehmensstrategischen Aspekten sind vor allem auch die familieninternen Rahmenbedingungen ins Auge zu fassen. Hierauf spezialisierte Berater werden einen solchen Prozess gezielt moderieren, rechtzeitig Fallstricke und Hürden aufzeigen sowie geeignete Lösungen vorschlagen.

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