Börsengang als strategische Nachfolgelösung

Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger kann zum Momentum für den Börsengang werden. Der hohe Aufwand eines IPOs wird so Teil einer strategischen Neuausrichtung, bei der Kapital aufgestockt wird und der Einfluss der Familie bestehen bleibt.

Ich möchte den Vorstandsvorsitz abgeben und im Zuge der Umstellung von einem inhaber- auf ein managementgeführtes Unternehmen die Zukunft der Firma nachhaltig sichern. Mit diesem Anliegen kam der Eigentümer eines mittelständischen Weltmarktführers Ende 2017 auf uns zu. Auch ein Börsengang stand zur Debatte. Über keinen anderen Verkaufsweg können persönliche Prämissen wie die Diversifizierung des Privatvermögens so gut mit unternehmerischen Zielen wie der Absicherung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit sowie der Finanzierung des organischen und anorganischen Wachstums verbunden werden. Denn ein Verkauf über die Börse steht und fällt nicht mit einem einzelnen Investor. Die Firma bleibt dadurch auch nach dem Börsengang unabhängig. Die Familie kann eine kontrollierende Mehrheit behalten und das eigene Lebenswerk bewahren. Vielleicht findet sich in späteren Generationen sogar wieder ein interner Nachfolger für die operative Führung.

IPO-Fenster steht weit offen

Darüber hinaus sind über die Börse großvolumige Finanzierungen darstellbar. Und zwar nicht nur einmal, sondern wiederholend über Kapitalerhöhungen. Gerade für mittelständische Unternehmen kann dies in Zeiten dynamischer Veränderungen entscheidend sein. Digitalisierung und technologischer Wandel erfordern Investitionen, um die eigene Wettbewerbsposition für die Zukunft zu sichern. Und nicht zuletzt ist die Bewertung über die Börse – ausgehend von hohen Vorgaben aus den USA – aktuell in vielen Fällen höher als bei den anderen Veräußerungswegen. Das kann sich zwar wieder umkehren, aber gute Wirtschaftsdaten, positive Unternehmenszahlen, eine anhaltende Niedrigzinspolitik und – mit Ausnahme der vergangenen Tage – niedrige Volatilität stimmen positiv, dass das IPO-Fenster offen bleibt. Diese Chance wollen viele Unternehmen nutzen, 2018 wird in Deutschland das höchste IPO-Volumen seit dem Jahr 2000 erwartet.

Knorr-Bremse macht es vor

Beispielhaft ist das Familienunternehmen Knorr-Bremse. Ein Börsengang soll die Nachfolge von Firmenpatriarch Heinz Hermann Thiele lösen, die Vorbereitungen dafür sind in vollem Gange. Ursprünglich sollte Sohn Henrik die Nachfolge antreten, doch dieser schied 2015 aus dem Unternehmen und 2017 auch aus der Familienholding aus. Es muss also eine externe Lösung her. Unter den Vorgaben, dass die Mehrheit in der Familie bleibt und die ehrgeizigen Wachstumsziele – in fünf Jahren soll der Umsatz nahezu verdoppelt werden – nicht aus dem Blickfeld geraten, ist der Börsengang die vorrangige Option. Umso mehr nach der gescheiterten Übernahme des schwedischen Automobilzulieferers Haldex. Mit der eigenen Aktie als Akquisitionswährung wäre es deutlich einfacher, bei der Konsolidierung des Marktes für Zugtechnik und LKW-Zulieferer erfolgreich eine aktive Rolle zu spielen.

1
2
Vorheriger ArtikelOption Stiftung – nicht zwingend für die Ewigkeit
Nächster ArtikelEinhorn und Leitwolf