Mittelstand leidet weiter unter Materialknappheit

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Krise, Krise und kein Ende. Kaum ist die Coronapandemie zumindest teilweise abgeklungen, da strapaziert ein Krieg im Osten Europas die Weltwirtschaft. Und die neuen scharfen Lockdownmaßnahmen in China gießen Öl in diese Feuer. Der aktuelle Internationalisierungsbericht der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) malt ein düsteres Bild.

Im deutschen Mittelstand bleiben die Belastungen durch die Störungen der weltweiten Lieferketten hoch. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die in Reaktion darauf verhängten Sanktionen führen laut der KfW-Analyse zu neuen Störungen in den globalen Lieferketten – die durch die Coronapandemie ohnehin schon unter hohem Druck stehen. In der Gesamtbetrachtung des Berichtes hat die Belastung scheinbar abgenommen, denn der Anteil der von Materialknappheit betroffenen kleinen und mittleren Unternehmen ist laut dem Bericht in den vergangenen sechs Monaten leicht auf 42% gesunken. Dieser Rückgang sei aber nur auf die Erholung im Dienstleistungssektor zurückzuführen und dieser hängt wesentlich weniger stark von Vorleistungen ab.  Im Verarbeitenden Gewerbe und im Bau liegt der Anteil der von Lieferengpässen betroffenen Unternehmen weiterhin bei 78%, im Groß- und Einzelhandel ist der Anteil seit dem Herbst sogar um 5% auf 68% gestiegen.

Containerschiffe stehen im Stau

KfW Internationalisierungsbericht

Etwa ein Drittel der rund 3,8 Mio. Mittelständler in Deutschland beziehen laut dem KfW-Internationalisierungsbericht Rohstoffe, Vorprodukte oder Dienstleistungen aus dem Ausland. Sie sind daher in erster Linie von den Störungen in den globalen Wertschöpfungsketten betroffen. Schaut man nur auf diese Unternehmen, so haben 80% mit Lieferengpässen zu kämpfen. Besonders schwer trifft es dabei Mittelständler, die Vorleistungen aus dem Vereinigten Königreich, China oder Russland beziehen. Der Brexit hat den Warentransport erschwert und in China gibt es aktuell sehr strikte Coronabeschränkungen, die den Handel erheblich einschränken. Eine aktuelle Grafik von Statista auf Basis des Informationsdienstes Fleetmon zeigt einen großen Stau von Schiffen vor dem Hafen in Shanghai. Experten schätzen, dass von den weltweit aktiven 9.000 Containerschiffen derzeit 20% irgendwo im Stau vor überlasteten oder geschlossenen Häfen stecken.

Ukrainekrieg mit vielen Auswirkungen

KfW Internationalisierungsbericht
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Immer mehr Zulieferer in der Ukraine sind unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffen und können ihre Produktion nicht länger aufrechterhalten. Dadurch fehlen unter anderem in der deutschen Automobilindustrie wichtige Komponenten wie Kabelbäume oder Bordnetzsysteme. In Russland wiederum werden wichtige Rohstoffe wie Palladium, Titan, Nickel oder Platin gefördert. Die Sorge vor einer Verknappung dieser Rohstoffe infolge der Sanktionen hat die Preise auf den Weltmärkten bereits nach oben schnellen lassen. Darüber hinaus fallen wichtige Transportwege aus. Durch die Sperrung des russischen Luftraums für europäische Flugzeuge verlängern sich die Flugzeiten nach Asien. Auch der Bahnverkehr zwischen Europa und Asien ist durch die Auseinandersetzungen beeinträchtigt. Zudem drohen Personalengpässe im internationalen Frachtverkehr. Der Grund: Viele Transportunternehmen in Osteuropa, die auch einen Teil des Warenverkehrs in Deutschland bewältigen, beschäftigen Fahrer aus der Ukraine, die nun fehlen.

Auslandsumsätze eingebrochen

KfW-Internationslisierungsbericht
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Lieferkettenstörungen und die Auswirkungen der Coronapandemie haben sich nach der KfW-Untersuchung in den vergangenen zwei Jahren auch in den mittelständischen Auslandsumsätzen niedergeschlagen. Im Jahr 2020 sind sie im Vergleich zum Vorjahr um 63 Mrd. EUR oder rund 11% eingebrochen. Mit 533 Mrd. EUR hätten die mittelständischen Auslandsumsätze im ersten Jahr der Coronapandemie dennoch das tiefste Niveau seit mehr als zehn Jahren erreicht. Für 2021 rechnet die KfW nach ihrer Studie mit einer leichten Erholung auf 566 Mrd. EUR. „Damit bewegen wir uns weiter unter dem Vorkrisenniveau“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.

Prognose für 2022 schwierig

Die Entwicklung des Auslandsgeschäfts kleiner und mittlerer Unternehmen im laufenden Jahr sei nur schwer abzuschätzen. Es gibt nach Ansicht von Dr. Köhler-Geib eine hohe Unsicherheit darüber, wie lange die Störungen in den globalen Lieferketten noch anhalten. „Für die auslandsorientierten kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland dürfte somit auch das Jahr 2022 herausfordernd sein. Unternehmen wie Politik werden sich auf ein verändertes außenwirtschaftliches Umfeld einstellen müssen. Neben der Effizienz dürfte künftig etwa auch der Resilienz von Lieferketten ein hoher Stellenwert zukommen“, fährt sie fort.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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