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„Mit TTIP ein Gegengewicht zu China bilden“

Mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) wird auch einer der größten Wirtschaftsräume der Welt gestärkt: Bereits heute werden im Handel zwischen Europa und den USA 50 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Auch unter geopolitischen Aspekten ist eine Stärkung des Handelsraums sinnvoll. Denn Schwellenländer wie China schlafen nicht. Stephan Gais vom Fertigungsmesstechniker Mahr GmbH gibt Einblicke.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Nutzen von TTIP?
Gais: Ich sehe es als fundamental an, dass Europa und die USA sich zusammenschließen, um einen großen Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Menschen zu bilden. Nur so können wir unsere Führungsrolle in der Welt erhalten und gleichzeitig ein Gegengewicht zu China zu bilden. Wenn wir das nicht tun, werden uns die Chinesen und die anderen Asiaten am Ende mit ihren Normen überholen. TTIP bedeutet das Abschaffen von Handelshemmnissen, tarifärer und nichttarifärer Art und das belebt natürlich auch das Geschäft – weil Zölle wegfallen und weil Normen standardisiert werden.

Und speziell für den Maschinenbau?

Wir Maschinenbauer sind einer der größten Exporteure der Welt. Wir sind daran interessiert, dass es unsere Produkte anderswo und im aktuellen Fall in den USA einfacher haben, auf den Markt zu kommen, weil es jede Menge Geld und Befassung kostet, wenn man sich gerade als Mittelständler mit unterschiedlichsten Normen und Standards auseinandersetzen muss. Deshalb ist es im Interesse des Maschinenbaus, dass die Standards möglichst überall gleich sind oder zumindest gegenseitig anerkannt werden.

Kann es im Rahmen von TTIP gelingen, alle Standards anzupassen?

Natürlich ist es nicht zu erwarten, dass alle Standards umgestellt werden. Das einfachste Beispiel: Es gibt in den USA nach wie vor viele Firmen, die in Zoll oder Inch denken. Manche der großen, internationalen Unternehmen, beispielsweise Ford, haben schon umgestellt auf das metrische System. Andere, wie der Baumaschinenhersteller Caterpillar halten am alten englischen Maß-System fest. Im Zeitalter digitaler Messtechnik ist das kein großes Problem sollte man meinen. Wenn es aber, wie in unserem Geschäft der Messtechnik, um extreme Genauigkeiten geht, dann entstehen durch das Umrechnen Rundungsfehler. Auch dieses Problem kann man grundsätzlich zwar lösen. Aber es kostet zusätzliche Arbeitsstunden und damit auch Geld, welches wir lieber in die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte investieren würden.Mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) wird auch einer der größten Wirtschaftsräume der Welt gestärkt: Bereits heute werden im Handel zwischen Europa und den USA 50 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Auch unter geopolitischen Aspekten ist eine Stärkung des Handelsraums sinnvoll. Denn Schwellenländer wie China schlafen nicht. Stephan Gais vom Fertigungsmesstechniker Mahr GmbH gibt Einblicke.

Wie erklären Sie sich die Ablehnung von TTIP in Teilen der Öffentlichkeit?

Weil viele Menschen in Deutschland kein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge haben. Die lassen sich von Interessengruppen verleiten, die ihnen die abstrusesten Horrorgeschichten erzählen. Die Menschen verstehen die Zusammenhänge einfach nicht. Aber am Ende hängen Arbeitsplätze daran.

Müsste die Politik da nicht stärker aufklären?

Natürlich müsste sie das. Man kann ja über jedes einzelne Detail sprechen, aber man sollte vielleicht das Chlorhuhn weglassen, weil es zum Reizbegriff geworden ist. So lächerlich das ist, denn in jedem Schwimmbad nimmt ein Mensch mehr Chlor auf, als durch ein Chlorhuhn. Wir müssen TTIP unbedingt schaffen. Die Politik muss die Bevölkerung da mitnehmen. Man muss den Leuten sagen, dass der Verbraucherschutz in den USA extrem hoch ist. Wenn man allein sieht, welche Haftungssummen in den USA anstehen. Die Produkthaftpflicht ist viel größer. Die Politik muss der Bevölkerung auch klarmachen, dass es Kompromisse geben muss. Es ist das Wesen von Verhandlungen, dass am Ende immer ein Kompromiss steht. In der Regel kann sich keine Seite zu hundert Prozent durchsetzen.

Sollte TTIP die Basis sein für eine weltweite Harmonisierung von Standards?

Die Vorstellung eines freien Handels in der Welt ist der Traum eines jeden deutschen Exporteurs. Nach dem Scheitern der Welthandelsorganisation sind die Staaten dazu übergegangen, bilaterale Freihandelsabkommen zu schließen. Deutschland hat weit über hundert solcher Abkommen schon unterzeichnet. Viel besser wäre es natürlich, wenn es überall einheitliche Standards gäbe. Aber man muss pragmatisch sein und das Machbare umsetzen. Durch TTIP würde der Einfluss dieses europäisch-amerikanischen Wirtschaftsraums enorm steigen. Er hätte an der Weltwirtschaft einen Anteil von zwei Dritteln. Da bleibt den anderen gar nicht so viel übrig, als sich damit anzufreunden.

Was wäre die Konsequenz eines Scheiterns von TTIP?

Schaffen wir TTIP nicht, dann können wir davon ausgehen, dass Europa abgehängt wird. Böse Zungen behaupten ja, dann kommt in Zukunft IT-Software aus den USA, die Werkstatt der Welt ist China und zum Spazierengehen gehen die Leute der Welt ins Museum Europa. Ein Scheitern muss unbedingt verhindert werden. Sonst werden uns früher oder später die Chinesen ihre Standards aufzwingen. Wenn wir als Europa weiterhin in der Welt mitreden wollen, gibt es keine Alternative zu TTIP.


Zur Person

Stephan Gais ist Geschäftsführender Gesellschafter der Mahr GmbH aus Göttingen. Das mittelständische Unternehmen ist der weltweit drittgrößte Hersteller von Fertigungsmesstechnik. Kunden sind u.a. die Automobilindustrie, Luft und Raumfahrt sowie Medizintechnik. In den USA hat Mahr einen Standort in Providence/Rhode Island an der Ostküste. www.mahr.de

Das Interview ist Teil einer Serie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), für die Mitgliedsunternehmen zum Thema TTIP befragt wurden. Lesen Sie die Interviews auch auf vdma.org.

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