Mit klarem Kurs im Gesundheitsmarkt

Serafin baut eine Plattform für die Zukunft der medizinischen Hilfsmittelversorgung

Foto: © OTB

Ein Jahr, zwei strategische Akquisitionen, ein Ziel: den deutschen Gesundheitsmarkt durch moderne Strukturen, regionale Verankerung und operative Exzellenz zu stärken. Mit der Übernahme von OTB und rehability von der GHD sowie dem anschließenden Zukauf der traditionsreichen Gross GmbH in Ludwigsburg hat die Serafin Unternehmensgruppe einen markanten Fußabdruck in der medizinischen Hilfsmittelversorgung hinterlassen. Was auf den ersten Blick wie eine klassische Konsolidierungsstrategie aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als langfristig angelegte Wachstums- und Transformationsstrategie.

Serafin möchte den Gesundheitsmarkt durch moderne Strukturen, regionale Verankerung und operative Exzellenz zu stärken.
Martin Pfletschinger; Foto: © Serafin

„Wir haben keine Branchenfokussierung, aber wir investieren gezielt in Unternehmen, in denen wir durch operative Verbesserungen echten Mehrwert schaffen können – so wie bei der OTB im Gesundheitswesen“, erklärt Martin Pfletschinger, Geschäftsführer der Serafin Unternehmensgruppe. Der Einstieg über OTB war ein typischer Carve-out-Fall: Die medizinische Hilfsmittelversorgung passte nicht mehr zum Kerngeschäft der GHD und wurde von Serafin als eigenständiges Geschäft neu aufgestellt. Für Pfletschinger war die Situation ideal: „Regional verankerte Standorte in einem wachsenden Markt mit gleichzeitig großem Reformbedarf.“

Mit rehability übernahm Serafin zugleich einen ergänzenden Anbieter, der sich ebenfalls auf Rehabilitationsprodukte spezialisiert hat. „Beide Marken werden unter dem Dach der OTB-Gruppe strategisch geführt“, so Dr. Simon Brösamle, Operating Partner bei Serafin. Der Fokus lag von Beginn an auf Prozessen, IT-Systemen und Transparenz: „Viele Strukturen in der Branche sind historisch gewachsen. Wir wollen durch Digitalisierung Zeit freischaufeln – für die eigentliche Arbeit am Kunden.“

Traditionsreicher Familienbetrieb in neuen Händen

Serafin möchte den Gesundheitsmarkt durch moderne Strukturen, regionale Verankerung und operative Exzellenz zu stärken.
Foto: © Gross

Dass ein Jahr nach der OTB-Übernahme bereits ein weiterer Zukauf folgte, war kein Zufall. Mit der Gross GmbH kam ein 170 Jahre alter Familienbetrieb hinzu – und zugleich ein gelöster Nachfolgefall. „Die Familie Groß suchte bewusst einen langfristig orientierten Partner. Wir denken und handeln wie ein Familienunternehmen – nur mit mehr Ressourcen“, betont Pfletschinger.

Serafin möchte den Gesundheitsmarkt durch moderne Strukturen, regionale Verankerung und operative Exzellenz zu stärken.
Martin Gross; Foto: Gross

Für die Familie Groß war der Generationenwechsel unausweichlich. „Innerhalb unserer Familie war keine Nachfolge möglich“, so Seniorchef Martin Gross. Die Entscheidung zur Übergabe sei dennoch von großer Verantwortung geprägt gewesen: „Uns war wichtig, dass unser Unternehmen weitergeführt wird – mit all seinen Mitarbeitern, Verträgen und seinem guten Ruf.“ Tochter Annelie Gross, seit 2019 im Betrieb, ergänzt: „Das Unternehmen war so stark gewachsen, dass ich es allein nicht hätte weiterführen können; zumal ich als Mutter auch familiäre Verantwortung trage.“

Serafin als Wunschpartner

Bei der Suche nach einem geeigneten Käufer wurde die Familie durch einen spezialisierten Berater unterstützt. Annelie Gross: „Wir hatten das Gefühl, bei Serafin handelt es sich nicht um einen klassischen Finanzinvestor mit kurzfristigen Zielen, sondern um ein Familienunternehmen mit Weitblick.“ Entscheidend war dabei das persönliche Miteinander: „Im Verlauf der Gespräche haben wir gespürt, dass hier Menschen sitzen, die unsere Werte teilen.“

„OTB hat uns überzeugt, weil sie selbst als Vollsortimentler agieren – genauso wie wir“, erklärt sie weiter. Besonders positiv wurde aufgenommen, dass der Standort Ludwigsburg nicht nur erhalten bleibt, sondern sogar wachsen kann: „Wir behalten unseren Namen und erhalten neue Filialen unter der Marke Gross. Das hätten wir als Familie nicht allein stemmen können.“

Lokale Identität erhalten – zentrale Stärken nutzen

Serafin möchte den Gesundheitsmarkt durch moderne Strukturen, regionale Verankerung und operative Exzellenz zu stärken.
Foto: © OTB

Serafin verfolgt im Gesundheitssektor keine aggressive Buy-and-Build-Strategie, sondern setzt auf modularen Plattformaufbau. „Wir wollen lokale Identität erhalten, aber zentrale Funktionen wie Einkauf, IT und Reporting effizient gestalten“, erklärt Dr. Brösamle. Die Gross GmbH bleibt als eigenständige Gesellschaft erhalten, profitiert aber von der Infrastruktur der OTB-Gruppe. Erste Synergien sind bereits sichtbar: „Wir können jetzt unsere Leistungen auch in nördlicher gelegenen Regionen wie Heilbronn und darüber hinaus anbieten“, so Annelie Gross.

Auch die Übergabe wurde bewusst behutsam gestaltet. Martin Gross ist noch bis Sommer als Berater tätig, seine Frau wird zwei weitere Jahre eine Filiale leiten. Annelie Gross begleitet die Übergabe bis Ende des Monats. Danach wird sich die Familie vollständig zurückziehen – ein Schritt mit Wehmut, aber auch mit Erleichterung: „Es war an der Zeit, Verantwortung abzugeben. Wir fühlen uns sicher, dass das Unternehmen in gute Hände kommt.“

Unternehmenskultur als Schlüssel zum Erfolg

Serafin möchte den Gesundheitsmarkt durch moderne Strukturen, regionale Verankerung und operative Exzellenz zu stärken.
Annelie Gross; Foto: © Gross

„Bei einem Carve-out müssen wir Unternehmertum neu etablieren, bei einem Familienunternehmen die Kultur bewahren“, so Dr. Brösamle. Integration bedeutet bei Serafin: erst Vertrauen schaffen, dann Strukturen verändern. Für Annelie Gross war besonders wichtig, dass „nicht einfach alles über einen Kamm geschoren“, sondern mit Respekt für das, was über Generationen aufgebaut wurde, weiterentwickelt wird.

Der Gesundheitsmarkt steht unter Druck: regulatorische Vorgaben, Fachkräftemangel und steigende Ansprüche der Kunden. Serafin sieht hierin Chancen für strukturierte Anbieter mit lokalem Bezug. „Unsere Plattformstrategie erlaubt uns, professioneller zu arbeiten, ohne das Persönliche zu verlieren“, erklärt Dr. Brösamle. Auch Annelie Gross sieht dies als Weg in die Zukunft: „Wir sehen die Möglichkeit, gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln und weiter zu wachsen – regional wie strukturell.“

„Lokale Stärke mit zentraler Effizienz verbinden“

Interview mit Dr. Simon Brösamle, Operating Partner, Serafin Unternehmensgruppe

Unternehmeredition: Herr Dr. Brösamle, Serafin hat mit OTB, rehability und Gross in kurzer Zeit drei Anbieter in der medizinischen Hilfsmittelversorgung übernommen. Was ist das übergeordnete Ziel?

Serafin möchte den Gesundheitsmarkt durch moderne Strukturen, regionale Verankerung und operative Exzellenz zu stärken.
Dr. Simon Brösamle; Foto: © Serafin

Dr. Simon Brösamle: Wir wollen ein Netzwerk schaffen, das lokale Stärke mit zentraler Effizienz verbindet. Der Gesundheitsmarkt verlangt zunehmend nach professionellen und effizienten Strukturen – ohne die persönliche Betreuung zu verlieren. Unsere Plattformstrategie erlaubt beides: Skaleneffekte bei Einkauf, IT und Prozessen, aber auch regionale Autonomie, wo sie sinnvoll ist.

Welche Rolle spielt die Integration bei diesen Transaktionen – insbesondere bei einem traditionsreichen Unternehmen wie der Gross GmbH?

Integration bedeutet für uns nicht, alles über einen Kamm zu scheren. Im Gegenteil: Bei Gross war unser Ziel, die lokale Identität zu erhalten – vom Namen bis zu den Mitarbeitern vor Ort. Gleichzeitig ermöglichen wir mit unserer Struktur den Zugang zu modernen Tools und effizienteren Abläufen. Es ist eine Balance zwischen Bewahren und Weiterentwickeln.

Wie geht es weiter? Ist Serafin im Gesundheitsmarkt weiter auf Einkaufstour?

Wir sind offen für weitere Zukäufe, aber es muss passen, und zwar geografisch, kulturell und operativ. Wir kaufen nicht des Kaufens wegen. Die bisherigen Erfolge zeigen uns, dass unser Modell funktioniert. Aber jeder Schritt muss strategisch und organisatorisch gut vorbereitet sein. Nur dann entsteht nachhaltiger Mehrwert – für alle Beteiligten.

Wir danken für das Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Diese Fallstudie erscheint auch in unserer Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2025 (Erscheinungsdatum: 20.6.)


 

KURZPROFIL

OTB Gruppe

Gründungsjahr: 1964

Branche: Medizinische Hilfsmittel

Firmensitz: Berlin

Mitarbeiterzahl: > 550

Umsatz: > 70 Mio. EUR

www.otb.info

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

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