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Mit Beteiligungskapital auf Wachstumskurs

Der „Werkzeugkasten der Natur“ hält viele Mikroorganismen, Enzyme und Naturstoffe bereit, die bisher künstlich hergestellte Produkte ersetzen oder ergänzen können. Auf Basis der in der Natur vorhandenen Lösungen identifiziert und entwickelt die BRAIN AG innovative Produkte u. a. für die Chemie-, Kosmetik- und die Nahrungsmittelbranche. Finanzielle Partner des Biotech-Unternehmens sind Beteiligungsgesellschaften wie die MIG AG und die MBG Hessen.

Nützliche Mikroorganismen

Die BRAIN AG gehört in Europa zu den technologisch führenden Unternehmen in der industriellen „weißen“ Biotechnologie. Diese nutzt die vielfältige und extreme Leistungsfähigkeit von Mikroorganismen, die häufig an ungewöhnliche Lebensräume (z.B. heiße Schwefelquellen, Tiefsee) angepasst sind. Ziel ist, neuartige, auf spezifische Produktionsbedingungen oder Produktanforderungen angepasste Organismen bzw. isolierte Biomoleküle einzusetzen – in Chemie und Pharma, bei Lebensmitteln und Kosmetika. Mit Mikroorganismen von BRAIN wurden Waschmittel für den Henkel-Konzern so verändert, dass sich Kakaoflecken schon bei 30 statt 60 Grad auflösen. Spezielle Salben tragen mit einem neuartigen Enzym zur schnelleren Wundheilung bei. Natürlicher Süßstoff erspart Zucker und viele Kalorien. „Fett-, zucker- und salzreduzierte Ernährung ist ein großes Thema“, sagt Dr. Holger Zinke, CEO von BRAIN. Zudem wollten viele Verbraucher keine synthetischen Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe, sondern natürliche Inhaltsstoffe biologischen Ursprungs. „Chemie- und Konsumgüterindustrie werden zunehmend biologischer“, so Zinke.

Geförderte Innovationsallianzen

In verschiedenen industriellen Partnerschaften bringt das Unternehmen sein Know-how zur biotechnologischen Herstellung hochwertiger Produkte ein. So zum Beispiel in einer von der RWE Power AG koordinierten Innovationsallianz mit dem Namen „ZeroCarbonFootPrint“ (ZeroCarbFP). Diese ist ein Zusammenschluss von 21 Unternehmen sowie mehreren Forschungseinrichtungen und wird im Rahmen der „Innovationsoffensive Industrielle Biotechnologie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ziel ist, Möglichkeiten zur Herstellung von werthaltigen Produkten wie z.B. Bioplastik aus kohlenstoffreichen Abfallströmen – dazu gehört das Rauchgas aus Kohlekraftwerken – mithilfe von Mikroorganismen zu finden. Das Projekt unterstützt die Erforschung und Züchtung von Mikroorganismen, die Rauchgas als Nahrung aufnehmen und in Biomasse oder direkt zu Wertstoffen umwandeln, die in der Industrie zum Einsatz kommen. Bislang ist es der von RWE Power und BRAIN im Jahr 2010 gegründeten Forschungsallianz gelungen, 29 Mikroorganismen ausfindig zu machen, die das umweltschädliche CO2 besonders gut aufnehmen können.

Natürliche Inhaltsstoffe

Ebenfalls vom BMBF gefördert wird die von BRAIN geführte Innovationsallianz „Natural Life Excellence Network 2020“ (NatLifE 2020). Die 22 Partnerunternehmen arbeiten an der Forschung, Entwicklung und Produktion von natürlichen Inhaltsstoffen als Spezialitäten für ein gesünderes Leben. Denn die Konsumtrends im Bereich „Fast und Convenience Food“ führen zu einer Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht. Diese verursachen nicht nur immens hohe Kosten im Gesundheitswesen, sondern auch in der Arbeitswelt durch krankheitsbedingte Ausfälle bzw. Produktivitätsverluste. Ziel der Allianz ist, mithilfe der Biotechnologie und dem Verständnis der biologischen Systeme eine neue Generation natürlicher, biologisch aktiver Produktkomponenten als Wirkstoffe für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Insgesamt kooperierte BRAIN bereits in über 80 Projekten mit Unternehmen wie BASF, Evonik, Henkel, DSM und Clariant.

Klare Akquisitionsstrategie

Neben dem Auftrags- bzw. Kooperationsgeschäft mit solchen Konzernen baut das Unternehmen seit Jahren die eigene Produktentwicklung aus – und verschafft sich mit Akquisitionen einen besseren direkten Marktzugang. Mittlerweile hat BRAIN fünf Tochtergesellschaften. Diese Transformation von einem reinen Technologie- in ein Industrieunternehmen wird finanziert u.a. durch die MIG AG aus München und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Hessen (MBG H), die schon seit Mitte der 90er-Jahre mit im Boot ist. „Als wir 2006 eine erneute stille Beteiligung vereinbarten, kannten wir das Unternehmen und seine Entwicklung gut“, sagt Helge Haase, Beteiligungsmanager bei der BMH Hessen, die für die MBG H und weitere Beteiligungsfonds des Landes die Investments managt. „Besonders überzeugt hat uns das Management und das ganze Mitarbeiterteam. Mittlerweile hat sich BRAIN längst vom reinen Auftragsforscher zum Kooperationspartner großer Industrieunternehmen entwickelt.“ Die Investitionen gehen jetzt in die eigene Produktentwicklung und weitere Unternehmenskäufe.

„Anders als die anderen“
Interview mit Dr. Holger Zinke, CEO der BRAIN AG

Unternehmeredition: Herr Dr. Zinke, Sie haben verschiedene Kapitalgeber aus der Beteiligungsbranche. Wie ist die Zusammenarbeit bisher verlaufen?
Zinke: Wir können auf eine fast 20-jährige Historie mit unterschiedlichen Kapitalgebern zurückblicken. Die bereits seit 1995 bestehende Partnerschaft mit der MBG Hessen ist sehr positiv und über diese lange Zeit reibungslos verlaufen. Allerdings ist deren Finanzierungsvolumen mit 1,4 Mio. EUR limitiert. Deutlich stärker, mit 12,5 Mio. EUR, bei uns beteiligt sind die MIG-Fonds – diese hatten wir 2006 auch gezielt angesprochen, weil sie nicht in standardisierten Schemata denken, sondern mit unserem differenzierten Geschäftsmodell gut umgehen können. Zudem ist neben einigen Privatinvestoren seit dem Gründungsjahr auch ein Family Office bei uns investiert, aus dem zwei Vertreter im Aufsichtsrat sitzen. Auch die MIG-Fonds stellen zwei Aufsichtsratsmitglieder.

Unternehmeredition: Wie sieht Ihr Wettbewerbsumfeld aus?
Zinke: In Europa haben wir mit diesem diversifizierten Geschäftsmodell keinen entsprechenden Wettbewerber – nur jeweils in den Teilmärkten Enzymtechnologie, Design-Mikroorganismen und bioaktive Komponenten. Unsere Konkurrenz sitzt vornehmlich in den USA – Unternehmen wie Senomyx oder Codexis beispielsweise. Wir haben nicht nur umfangreiche Sammlungen von Produktionsmikroorganismen, genetischen Bibliotheken und biologischen Substanzbanken aufgebaut, sondern können mittels unserer Unternehmenszukäufe z.B. im Bereich Kosmetika und Medizinprodukte unsere Entwicklungsergebnisse direkt auf den Markt bringen. Insofern sollten wir nicht in einen Topf mit klassischen Pharma- und Biotech-Unternehmen geworfen werden – wir sind anders als die anderen.

Unternehmeredition: Was sind Ihre Hauptpläne für 2012/2013?
Zinke: Wir sind ständig auf der Suche nach weiteren Akquisitionen – Unternehmen in Europa, die uns helfen, neue Wirksysteme, Enzyme und Biokatalysatoren auf den Markt zu bringen. Insbesondere in der medizinischen Kosmetik und der Wundbehandlung sind wir aktuell sehr interessiert, zudem im Bereich Bioplastik-Produktion, das heißt der Ersatz petrochemisch hergestellter Kunststoffe durch solche aus nachwachsenden Rohstoffen. Einen oder zwei größere Zukäufe möchten wir bis Ende 2013 noch tätigen. Um dies zu bewältigen, steht dann auch eine weitere Finanzierungsrunde an.
Unternehmeredition: Vielen Dank für das Gespräch.

Artikel und Interview: Bernd Frank
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil: BRAIN AG
Gründungsjahr: 1993
Branche: Biotechnologie
Unternehmenssitz: Zwingenberg (Hessen)
Mitarbeiterzahl: 102
Umsatz 2011 im Kooperationsgeschäft: ca. 6 Mio. EUR
Internet: www.brain-biotech.de

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